Mit dem Rücktritt von Roger Federer geht auch die Coaching-Tätigkeit von Ivan Ljubicic zu Ende. Der Kroate verrät in einem Interview, was er genau am Spielstil des Schweizers änderte und warum die grösste Niederlage gefeiert wurde.
Seit Ende 2015 gehörte Ivan Ljubicic zum Coaching-Staff von Roger Federer. Der Baselbieter wollte seinen früheren Konkurrenten, der wie er 1998 sein Debüt auf der ATP-Tour gab, unbedingt an Bord haben und sich so neben seinem langjährigen Trainer Severin Lüthi weitere Inputs holen.
«Roger wusste genau, was er von mir erwarten kann – die Art, wie ich Tennis sehe und wie ich als Mensch bin», erläutert Ljubicic im Gespräch mit «Tennis Majors».
Ljubicic scheute sich nicht davor, seine Meinung einzubringen. «Ich fand, dass er während seiner Zusammenarbeit mit (Stefan) Edberg zu viel Zeit am Netz verbrachte. Zudem sollte er nicht so oft slicen – ja, Slicen kann nützlich sein, um sich in eine Position auf dem Platz zu bringen, in der man sein möchte, aber normalerweise läuft man mehr und verteidigt mehr, wenn man oft slict. Natürlich kommt es auf den Gegner an: Gegen Mannarino sollte man immer slicen, gegen Nadal nie.» Das Fazit von Ljubicic: «Ich war immer der Meinung, dass Roger am besten ist, wenn er an der Grundlinie steht und aggressiv spielt.»
Es sei ein Prozess gewesen, bei dem er versucht habe, das Mosaik zusammenzusetzen, hält der medienscheue Mann aus Banja Luka fest. Ein entscheidender Faktor sei zudem, dass Federer wirklich die Wahrheit habe hören wollen und nicht daran interessiert gewesen sei, dass man einfach Dinge sage, die er vielleicht hören möchte.
Das Rezept gegen Nadal
Die Zusammenarbeit trug Früchte. So gewann Federer bei den Australian Open 2017 nach einer langen Verletzungspause überraschend den Titel, nachdem er zuvor bei den letzten 15 Grand-Slam-Turnieren nicht reüssieren konnte.
«Er hat die Tatsache akzeptiert, dass er mehr durch Nadals Vorhand spielen muss, er hat seine Rückhand abgeflacht und er hat sich auf den Ball konzentriert, nicht auf den Gegner. Zu dieser Zeit war seine Direkt-Bilanz gegen Rafa sehr negativ, es gab Narben, also bedeuteten diese Dinge sehr viel», beschreibt Ljubicic das Erfolgsrezept.
Er ergänzt: «Vor allem spielte er mit der Überzeugung, dass er gewinnen kann, was für mich als Trainer am wichtigsten war. Im vierten Satz war ich in dieser Hinsicht besorgt, aber als ich Roger zu Beginn des fünften Satzes sah – obwohl er 1:3 zurücklag – war ich ruhiger, weil er auf die richtige Weise spielte und ich wusste, dass er eine Chance hatte. Am Ende hat er gewonnen. Es war ein sehr emotionaler Sieg, denn er hatte zuvor viereinhalb Jahre lang kein Grand-Slam-Turnier mehr gewonnen.»
«Ich war stolz auf ihn als Trainer»
Danach holte er noch zwei weitere Majors (Wimbledon 2017, Australian Open 2018). Doch es gab auch schwierigere Momente in der gemeinsamen Zeit, ganz oben auf der Liste steht die Niederlage im Wimbledon-Final 2019 gegen Djokovic, als Federer sogar zwei Matchbälle hatte. «Wir waren nur kurz in der Umkleidekabine, weil er zur Pressekonferenz ging. Danach sind wir nach Hause gegangen und haben gefeiert, dass wir im Final waren. Natürlich war die Stimmung anfangs nicht besonders gut, aber wir haben es geschafft, sie in einen positiven Moment zu verwandeln.»
Wie man das macht? «Du rufst ein paar Leute an, du rufst deine Freunde an, du spielst ein bisschen Musik – es war ein bisschen ‹fake it till you make it›, aber am Ende war es eine tolle Stimmung. Ich meine, es war keine Tragödie epischen Ausmasses, aber es war eine grosse Enttäuschung, denn er hat grossartig gespielt – und ich war stolz auf ihn als Trainer», so Ljubicic. «Er war nah dran, aber manchmal gewinnt man und manchmal verliert man. Wir haben weitergemacht. Am Ende stellte sich heraus, dass es seine letzte grosse Chance war, einen Slam zu gewinnen, aber das wussten wir damals noch nicht – wir glaubten, dass wir noch eine Chance haben würden.»
Ljubicic glaubt nicht, dass Federer in seine Fussstapfen als Trainer treten wird. «Er wird definitiv nicht über 30 Wochen im Jahr unterwegs sein», meint der Kroate. Aber: «Roger ist ein Mann, der das Tennis liebt, und ich bin sicher, dass er bereit ist, einem bestimmten Kreis von Leuten Ratschläge zu erteilen. Ich kann mir vorstellen, dass er jungen Schweizer Spielern helfen wird und so weiter.»
Der 43-Jährige wird sich ebenfalls umorientieren. Roger wird mein letzter Coaching-Job sein», betonte Ljubicic in der Vergangenheit. Er wolle sich zu einhundert Prozent dem All-Inclusive-Management jüngerer Spieler wie Borna Coric oder Marta Kostyuk widmen, hielt er damals fest.