Roger Federer hat uns während über 20 Jahren begleitet. Wir haben mit ihm gejubelt, gelitten und geweint. Vorhang auf für unsere schönsten Erinnerungen an King Roger.
Sandro Zappella
Melbourne 2017. Gegen Nadal. Das Hawk-Eye. Der Ball kratzt die Linie. Der Titel. Der Jubel. Gerne würde ich hier eine romantische Story auftischen, wie ich live dabei war, oder das Spektakel zumindest vor dem TV erlebt habe. Es war leider anders. Ich Depp hatte schon lange vor dem Final für diesen Sonntagmorgen zum Brunch abgemacht. Wer dachte auch, dass Federer beim Comeback nach langer Verletzungspause direkt in den Final stürmt? Ich offensichtlich nicht.
Also sitze ich da, in dieser riesigen Gruppe, spachtle Lachsbrötli und mache gute Miene zum bösen Spiel. Im Wissen, dass in diesem Moment am anderen Ende der Welt Sportgeschichte geschrieben wird. Zum Glück gibt es Handys, irgendwann sind sich (fast) alle einig, dass es in Ordnung ist, für diesen Spezialfall die Übertragung laufen zu lassen.
Spätestens im fünften Satz ist es dann so weit, dass an allen Tischen die Smartphones gezückt sind. Als dann Federer tatsächlich den Titel holt, geht ein riesiger Jubel durch das ganze Restaurant. Manch einer hat seine Sonntagshose mit Kaffee bekleckert, einige schreien vor Freude, andere haben Tränen in den Augen. Wildfremde Menschen, die sich sonst nicht mal in die Augen blicken, umarmen sich plötzlich. Der Brunch wird zum spontanen Federer-Fest.
Chantal Schwarz
Wir wurden an meiner Hochzeit 2012 mit einer persönlichen Grussbotschaft von Roger Federer überrascht. Mein Bruder führte durch den Abend und meinte kurz vor dem Hochzeitstanz, es gäbe da noch jemanden, der euch gratulieren möchte. Und dann tauchte ER auf der Leinwand auf! 13 Sekunden ungläubiges Staunen! Der Weltstar des Tennis gratuliert meinem Mann und mir ganz persönlich zu unserer Hochzeit. Wow!
Erst Tage später wurde mir so richtig bewusst, was das bedeutet. Im Flugzeug Richtung Hochzeitsreise lief eine Dokumentation zu Federer und darin wurde erwähnt, wie viele tausend Anfragen von Medienhäusern und Privatpersonen er wöchentlich erhält. Und dieser viel beschäftigte Mensch nahm sich tatsächlich Zeit für diese 13 Sekunden, um uns eine Freude zu machen. Danke Roger für diesen unvergesslichen, magischen Moment und so viele Tausend andere.
Martin Abgottspon
2009 war ich erstmals beruflich live an einem grossen Tennis-Turnier dabei. Dutzende weitere sollten folgen, aber mein Timing war irgendwie sehr schlecht. Ich sah mich sogar schon als Unglücksbringer von Roger Federer, denn bei all meinen Teilnahmen hat er nie einen Titel geholt. In Melbourne 2017 war der Fluch dann endlich gebrochen. In einem epischen Final rang er seinen grössten Widersacher Rafael Nadal in fünf Sätzen nieder und das ausgerechnet bei einem Turnier, bei welchem die beiden niemand auf dem Radar hatte, weil sie lange Verletzungspausen hinter sich hatten. Es war eine unvergessliche Party-Nacht mit wenig Schlaf, dafür Glücksgefühlen, die bis heute anhalten.
Fredy Ruffiner
Dein Kniefall am 6. Juli 2003 in Wimbledon. Der erste Grand-Slam-Sieg eines Schweizers. Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre. Du hast es geschafft, eine Nation zu elektrisieren. Ich war in den Ferien und es wurde für das Finale ein grosses Public Viewing organisiert. Es war eine Stimmung, wie man es zuvor nur von WM-Spielen der Fussball-Nati kannte. Und dann diese Begeisterung am Ende. Unbeschreiblich. Wie viele glückliche Momente du uns dann noch bescheren wirst, konnte man noch nicht mal erahnen. Merci Roger!
Jan Arnet
Melbourne, 28. Januar 2018. Federer steht im Australian-Open-Final und spielt gegen Marin Cilic. Ich habe die Ehre, für blue Sport vor Ort zu berichten. Der Schweizer spielte sich souverän ohne Satzverlust ins Endspiel, der Sieg ist eigentlich nur Formsache. Doch dieser Cilic ist ein mühsamer Widersacher und zwingt den Maestro in den fünften Satz. Der Kroate hat im Entscheidungssatz sogar den ersten Breakball, doch dann dreht Federer noch einmal auf und entscheidet das Spiel doch noch für sich. Er macht damit seinen 20. Grand-Slam-Titel perfekt. Die Tränen beim Siegerinterview lassen erahnen, dass er damals schon das Gefühl hat, dass dies sein allerletzter grosser Titel sein wird. An der Pressekonferenz nach dem Final lässt Roger die Korken knallen und stösst mit den Journalisten auf seinen letzten grossen Triumph an. Was für ein Moment! Cheers, Roger! Und danke für alles.
Roman Müller
Im Juli 2002 verbrachte ich mit Freunden einen feuchtfröhlichen Abend in Basel. Da lief mir der damals noch etwas unbekanntere Roger Federer aus der Steinenvorstadt entgegen, kaum ein Passant bemerkte ihn. Wenige Tage zuvor scheiterte er in Wimbledon im Viertelfinal an Tim Henman. So habe ich ihn abgepasst und ihm gesagt, er solle den Kopf nicht hängen lassen, er habe super gespielt und dann werde es mit Wimbledon sicher bald mal klappen. Er war etwas perplex, schüttelte mir die Hand, bedankte sich artig und zog dann weiter. Im Folgejahr gewann er in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel.
Jüri Christen
Geplant war ein Interview mit Severin Lüthi. Er sagte mir, dass sie noch trainieren würden und er sich danach Zeit nehme. «Sie» – ich dachte an ein paar Junioren. Zu meinem Erstaunen stand King Roger auf dem Platz – er begrüsste mich persönlich und wir konnten uns auch noch über seinen Tennisschuh unterhalten. Roger hautnah – es war toll und überraschend.
Patrick Lämmle
Einen einzelnen Federer-Moment herauszupicken, phuuu, nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Hunderte Stunden habe ich diesem Ballvirtuosen zugeschaut und mit ihm mitgefiebert. An ein Spiel kann ich mich dennoch besonders gut erinnern, jenes Monstermatch am 6. Juli 2008. Nach einer langen Reise mit acht Kumpels in einem Kaff in der Algarve gestrandet, musste es nach unserer Ankunft ziemlich schnell gehen. Gepäck abladen und eine Spelunke aufsuchen, um den Wimbledon-Final gegen Nadal zu schauen. Im Nachhinein hätte man es natürlich auch ruhiger angehen können, selbst wenn wir die ersten zwei Stunden verpasst hätten, wären wir noch in den Genuss von zwei Stunden und 48 Minuten Tennis vom Allerfeinsten gekommen. Für viele gilt dieser epische Fünfsätzer als das beste Tennisspiel aller Zeiten.
Martina Baltisberger
Ich hatte das Glück, dass ich Roger Federer zweimal live an den US Open spielen sehen durfte. Die Spiele gegen Mannarino (2013) und gegen Kyrgios (2018) haben zwar nicht das ganz grosse Spektakel geboten, aber die Atmosphäre im Arthur Ashe Stadium war einzigartig. Beruflich bin ich dem Maestro zweimal an einer Pressekonferenz persönlich begegnet. Wie er mit den Journalisten spricht, ist einfach grosse Klasse. Diese Momente werde ich bestimmt nie vergessen.
Syl Battistuzzi
Einen Federer-Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier vor Ort zu sehen, blieb mir leider verwehrt, dafür kam ich 2020 bei den Australian Open in den Genuss eines anderen Schauspiels – sein oft unterschätztes Kämpferherz, das aufgrund seiner virtuosen Tenniskunst von vielen gern übersehen wurde. Unübersehbar war es aber für alle an diesem Turnier. In der dritten Runde verwickelte ihn Lokalmatador John Millman in einen Fünf-Satz-Krimi. Im Super-Tiebreak führte der euphorisierte Aussenseiter bereits mit 8:4, nur zwei Punkte stand der Schweizer also vor dem Aus. Doch Federer glaubte weiterhin an sich und sicherte sich das Match in extremis. Gar noch dramatischer wurde es im Viertelfinal gegen Tennys Sandgren, wo er gleich sieben Matchbälle abwehren konnte und wiederum nach fünf Sätzen ins Halbfinale einzog. Gegen Novak Djokovic zollte Federer dann seinem Husarenritt Tribut. Danach gab es zwei Knieoperationen und über ein Jahr Pause. Sein insgesamt 46. Major-Halbfinal war also auch sein letzter. Das Bild des kämpfenden Künstlers wird mich aber für immer begleiten.
René Weder
Was haben wir in fröhlichen Runden über «Rogers» Karriere philosophiert, zuweilen gar mit Tränen in den Augen, meist mit Gänsehaut an den Unterarmen. Was waren wir stolz, als er Mitte der Nullerjahre mit unfassbarer Leichtigkeit von Titel zu Titel eilte, Rekorde pulverisierte und grösser dachte, als die verschlossene Schweiz jemals zu träumen wagte. Wie gern haben wir uns überall auf diesem Planeten auf ihn ansprechen lassen, um dann selbstsicher mit Fach- und ein bisschen Insiderwissen zu verblüffen. Roger war immer da. Ein wenig wie die Queen für die Briten. Er war unser König. Zwei Jahrzehnte Weltspitze in einer Weltsportart und mit Ali und Jordan in einem Atemzug genannt zu werden; das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. So etwas wird unsere Generation kaum mehr erleben. Die Strahlkraft der Federer-Ära wird indessen überdauern.
Keiner sei grösser als der Sport, heisst es immer so schön. Im Moment fühlt sich das gerade noch anders an. Und es tat es bereits damals, als ich während einiger Jahre das Privileg hatte, für blue News aus Wimbledon berichten zu dürfen. Nach einer Pressekonferenz habe ich, eigentlich ein Unding und ja, es war mir ziemlich peinlich, all meinen Mut zusammengenommen, bin zu Roger hin und habe ihn nach einem Foto gefragt. Er, der irgendwie zu schweben schien, hatte nichts einzuwenden, stellte aber ganz bestimmt auch fest, dass meine Hand leicht zitterte, als ich zum Selfie ansetzte. Etwas unscharf war das Resultat, das ich euch an dieser Stelle erspare, aber das war mir dann auch egal. Danke Roger. Nicht für dieses Foto, aber für all die Geschichten, mit denen du unser Leben über all die Jahre bereichert hast. Und jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, freue ich mich sogar darauf, bald mit meinen Sportsfreunden das Geschehene Revue passieren zu lassen und einzuordnen.