Mir stinkt's Sein Griff an die Brust geht in der Kuss-Affäre unter

Von Linus Hämmerli

30.8.2023

Jorge Vilda coachte die Spanierinnen zum Weltmeistertitel.
Jorge Vilda coachte die Spanierinnen zum Weltmeistertitel.
Bild: Imago/Schwörer Pressefoto

Aus dem Innern des spanischen Fussballverbands macht sich ein Geruch breit, der viele Menschen irritiert. Präsident Rubiales ist in aller Munde. Doch einer geht vergessen: Frauentrainer Jorge Vilda. Ein Kommentar.

Von Linus Hämmerli

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Beim spanischen Fussballverband kehrt keine Ruhe ein. Nach dem Kuss-Skandal werden Rücktrittsforderungen von Präsident Luis Rubiales laut, doch er sieht sich mehr als Opfer der ganzen Debatte.
  • Weltmeistercoach Jorge Vilda kommt bisher glimpflich davon. Der seit Langem umstrittene Trainer ist in der Causa Hermoso/Rubiales der lachende Dritte.
  • Eine Untersuchung der möglichen Missstände zwischen Trainer und Spielerinnen wäre eine logische Schlussfolgerung in der ganzen Debatte.

Beim spanischen Fussballverband ist die Kacke am Dampfen. So sehr, dass sich der unangenehme Geruch in der ganzen Welt verbreitet. Das Deckmänteli ist futsch.

Ein erstes Mal beginnt es im vergangenen Herbst zu köcheln. 15 Spielerinnen erklären ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft Spaniens, weil Coach Jorge Vilda offenbar die geistige Gesundheit der Spielerinnen negativ beeinflusse.

Der spanische Fussballverband kann den brodelnden Topf grade noch überdeckeln, stärkt Coach Vilda den Rücken und betont, die Herangehensweise der Spielerinnen entspreche «nicht den Werten des Fussballs». Welchen Werten denn?

Auf eine Hetze folgt Applaus – alles okay?

Gewisse Akteure des spanischen Verbands nehmen sich die Freiheit, das zu tun, was nicht den Werten eines gesunden Zusammenseins entspricht. Präsident Luis Rubiales reisst Spielerin Jenni Hermoso nach einer Umarmung wuchtig an sich und küsst sie auf den Mund – einfach so. Rubiales spricht von einer «Geste der gegenseitigen Zuneigung». Na ja, gegenseitige Zuneigung schaut anders aus. Zumal die Spielerin nach dem Final öfter betont, dass sie dem Kuss nicht zugestimmt habe.

Rubiales kriegt nun sein Fett ab. Rücktrittsforderungen werden laut, die FIFA suspendiert ihn. Dennoch stellt sich der 46-Jährige bei seiner Rede vor der ausserordentlichen Generalversammlung als Opfer dar. Verrückt. Verrückt ist aber auch, dass Coach Jorge Vilda ausser Acht gelassen wird.

Alles schreit nach Rubiales und Hermoso, während Vilda als lachender Dritter an der Generalversammlung sitzt und Rubiales' Hetze gegen den Feminismus mit einem Applaus begleitet. Dass Vilda von der UEFA gleichzeitig für den Award als Frauentrainer des Jahres nominiert wird, ist ein Affront. Nicht nur gegenüber den spanischen Weltmeisterinnen, sondern gegenüber dem gesamten Frauenfussball.

Wenn die Hierarchie über dem Kollektiv steht ...

Eine Aktion des spanischen Trainers verhallt im Lärm der Kuss-Debatte. Vilda fasst Co-Trainerin Tomé an der Frauen-WM an die Brust. Und klar, im Eifer des Gefechts kann die Hand mal irgendwo landen, wo sie bewusst nicht landen wollte. Aber im Zusammenspiel mit dem Fakt, dass Vilda bei den spanischen Spielerinnen ohnehin schon länger ein rotes Tuch ist, wirft das Ganze doch Fragen auf.

Vertritt Vilda denn überhaupt die vom spanischen Fussballverband hochgepriesenen «Werte des Fussballs»? Fussballerisch bestimmt, doch da muss was auf anderer Ebene im Busch sein, wenn ein Coach von gewissen Spielerinnen beim Feiern ignoriert und unbeachtet bleibt. Über Untersuchungen der möglichen Missstände zwischen Trainer und Spielerinnen ist bisher nichts bekannt, wäre aber eine logische Schlussfolgerung in der ganzen Debatte.

Im spanischen Fussballverband scheint die Hierarchie über dem Kollektiv zu stehen – komme, was wolle. Spielerinnen stellen sich gegen den Coach, nichts passiert. Der Präsi küsst eine Spielerin, er bleibt im Amt. Es stinkt gewaltig. Doch der Geruch geht nur weg, wenn von innen her aufgeräumt wird. Und dafür braucht es Mut. Mut, Fehler einzugestehen und das Ego mal ein bisschen unterzuordnen – im Sinne der «Werte des Fussballs», die weit über den Fussballplatz hinaus gehen sollten.

@revenkz ¿Balón o roja directa? Vilda es un mago. #Vilda #fútbolfemenino ♬ sonido original - Reven

Mehr zum spanischen Fussballverband

Sánchez nennt Rubiales' Entschuldigung für Kuss «unzureichend»

Sánchez nennt Rubiales' Entschuldigung für Kuss «unzureichend»

Ein Kuss auf den Mund einer Spielerin vom spanischen Verbandschef Luis Rubiales nach dem Sieg im WM-Finale sorgt für Diskussionen in der Heimat. Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärte, Rubiales' Entschuldigung sei unzureichend.

22.08.2023

Spaniens Olga Carmona: «Ich werde mich nicht weiter dazu äussern.»

Spaniens Olga Carmona: «Ich werde mich nicht weiter dazu äussern.»

Spaniens Nationalspielerinnen Carmona und Guerrero stellen sich nach dem Kuss-Vorfall mit Verbandspräsident Luis Rubiales den Medien.

30.08.2023

Inka Grings zum WM-Final: «Spanien wollte das heute einfach unbedingt»

Inka Grings zum WM-Final: «Spanien wollte das heute einfach unbedingt»

Nati-Coach Inka Grings spricht nach dem Spiel mit blue News über den WM-Final und das Turnier insgesamt. Die 44-Jährige erzählt auch, welche Erkenntnisse sie gewonnen hat.

20.08.2023

Weltmeisterin Aitana Bonmati: Die beste Spielerin der Frauen-WM im Porträt

Weltmeisterin Aitana Bonmati: Die beste Spielerin der Frauen-WM im Porträt

Spanien sicherte sich auch dank der stark aufspielenden Aitana Bonmati den ersten WM-Erfolg im Frauenfussball. Wir werfen einen Blick auf die herausragende Mittelfeldspielerin von «La Roja».

22.08.2023

Siegtorschützin Carmona: «Der schönste Tag meines Leben wurde zum schlimmsten Tag»

Siegtorschützin Carmona: «Der schönste Tag meines Leben wurde zum schlimmsten Tag»

Spaniens Olga Carmona erfuhr nach dem WM-Finale vom Tod ihres Vaters. Die 23-Jährige ist voller Stolz und richtet emotionale Worte an die spanischen Fans.

22.08.2023