Er ist jung, talentiert – und nimmt kein Blatt vor den Mund. Julian Nagelsmann ist ein Trainer, der polarisiert. Wurde ihm das beim grossen Bayern München zum Verhängnis?
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen:
- Julian Nagelsmann wurde als Bayern-Trainer entlassen. Thomas Tuchel übernimmt.
- Die Entlassung überraschte, weil die Bayern noch in allen Wettbewerben im Titelrennen sind.
- In den vergangenen Monaten hat der junge Coach mehrmals mit seinen Aussagen für Schlagzeilen gesorgt.
Nur wenige Tage nach der Entlassung in München hätte für Julian Nagelsmann direkt die nächste Aufgabe warten können. Medienberichten zufolge wollten die Tottenham Hotspur, die ihrerseits Coach Antonio Conte freigestellt haben, mit Nagelsmann Gespräche aufnehmen.
Laut der «Bild» ist ein Blitz-Wechsel nach England aber keine Option für den 35-jährigen Deutschen. «Nach seiner schmerzhaften Freistellung möchte Nagelsmann seine 21 Monate beim FC Bayern erst einmal verarbeiten und sacken lassen», schreibt die Zeitung.
Nagelsmann wolle den ersten Rauswurf seiner Trainerkarriere analysieren und die Lehren daraus ziehen, bevor er sich in ein neues Abenteuer stürzt. Bestimmt wird der junge Coach auch einige seiner Aussagen überdenken, mit denen er in den vergangenen Monaten unter anderem bei eigenen Spielern, anderen Trainern oder auch bei der Freiwilligen Feuerwehr für Ärger sorgte. Eine Auswahl:
«Es wäre möglich, dass er in der Bundesliga viele Tore macht. Wir werden sehen, was in der Zukunft passiert.»
Nagelsmann äusserte sich im Sommer 2022 öffentlich über Tottenham-Stürmer Harry Kane und brachte damit den damaligen Spurs-Coach Antonio Conte auf die Palme. «Wenn ich etwas tun will, spreche ich mit dem Klub und nicht mit den Medien. Das ist vielleicht ein wenig respektlos dem anderen Klub gegenüber», reagierte Conte.
«Ich habe gehört, dass es in Italien nicht einfach ist, fit zu bleiben.»
Nagelsmanns Seitenhieb an Juventus Turin, nachdem Matthijs de Ligt nach seinem Transfer im Sommer 2022 mit körperlichem Rückstand bei Bayern angekommen war. «Ich habe nach dem Training mit ihm gesprochen, und er sagte, die Trainingseinheit war die härteste in den letzten vier Jahren», so Nagelsmann weiter.
«Barça ist der einzige Klub der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will. Es ist irgendwie komisch, irgendwie verrückt.»
Im Juli 2022 hatte Nagelsmann die Transferoffensive des FC Barcelona öffentlich kritisiert. Das hoch verschuldete Barça hatte davor Robert Lewandowski von den Bayern losgeeist, Raphinha für viel Geld von Leeds United verpflichtet und weitere Stars ins Visier genommen. Barça-Boss Joan Laporta konterte Nagelsmanns Aussagen, sprach von «Ahnungslosigkeit» und sagte: «Jeder soll sich um die eigenen Dinge kümmern.»
«Wir sind nicht bei der Freiwilligen Feuerwehr Süd-Giesing, sondern beim FC Bayern München.»
Als der damalige Bayern-Coach im April 2022 zur Motivation seiner Mannschaft befragt wurde, konnte er sich den Feuerwehr-Spruch nicht verkneifen. «Freiwillige Feuerwehr bedeutet nicht, nur zu spielen, wenn man Bock hat», ärgerte sich die Freiwillige Feuerwehr Süd-Giesing in der Folge in einem an Nagelsmann gerichteten Video. Der Coach entschuldigte sich und stattete der Feuerwache einen Besuch ab.
«Solange die Antwort am Dienstag passt, ist es okay für mich. Wenn sie nicht passt, ist es nicht okay.»
Serge Gnabry nutze seine Freizeit im Januar für einen Kurztrip an die Fashion Week in Paris, was ihm in den Medien viel Kritik einbrachte, da zwischen dem Spiel davor (1:1 gegen Leipzig) und der bevorstehenden Partie gegen Köln nur vier Tage lagen.
Nagelsmanns Versuch der Beschwichtigung wurde zum Bumerang. Beim 1:1 gegen Köln wechselte er Gnabry nach schwacher Leistung zur Pause aus. Eine tagelange Debatte um den Offensivspieler entstand, in den Medien bekam er den Übernamen «Gucci-Gnabry» – und Nagelsmann setzte den deutschen Nationalspieler in der Folge in acht von seinen elf restlichen Spielen als Bayern-Coach auf die Bank.
«Ich hätte das Interview nicht gegeben.»
Es ist offensichtlich, dass Nagelsmann und Bayern-Captain Manuel Neuer nicht auf gleicher Wellenlänge waren. Spätestens nach der Entlassung von Goalie-Trainer Toni Tapalovic – Neuers engem Vertrauten – und dem darauffolgenden Interview des Keepers, in welchem er die Klubverantwortlichen kritisierte, hatten Neuer und Nagelsmann das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne. So gab der Coach auch in der Öffentlichkeit zu Protokoll, dass er «das Interview nicht gegeben hätte».
«Mein Gott, ey! Ein weichgespültes Pack!»
Nagelsmann gilt als impulsiver Coach an der Seitenlinie, der sich nach dem Schlusspfiff allerdings auch schnell wieder beruhigt. Nicht so aber nach der 2:3-Niederlage gegen Mönchengladbach Mitte Februar. Wegen einer frühen Roten Karte gegen die Bayern suchte Nagelsmann nach dem Spiel die Schiedsrichterkabine auf und teilte gegen Tobias Welz und sein Team aus. Für seinen verbalen Ausraster musste Nagelsmann 50'000 Euro Geldstrafe zahlen und sich einmal mehr öffentlich entschuldigen.
«Aus persönlicher Sicht kann ich nicht verstehen, dass Freiburg das macht.»
Entschuldigen musste sich Nagelsmann auch bei Christian Streich nach dem 4:1-Sieg der Bayern im April 2022 gegen Freiburg. Den Münchnern unterlief ein Wechselfehler und Bayern spielte in der Schlussphase rund 20 Sekunden lang mit zwölf Spielern. Nach dem Spiel legte Freiburg Einspruch ein – und Nagelsmann zeigte Unverständnis dafür. Nach der wütenden Reaktion von Christian Streich («Ein absolutes Unding, so an den Pranger gestellt zu werden») entschuldigte sich Nagelsmann: «Sorry an Freiburg, sorry an Christian.»
«Sie haben sich hingesetzt und auch mal ohne den Trainer gesprochen.»
Nach einer kleinen «Ergebniskrise» im Januar mit drei Remis in Folge sagte Nagelsmann, dass es eine Sitzung der Spieler gegeben habe – ohne Trainer. Bei Joshua Kimmich sorgte die Aussage für Verwirrung. «Vielleicht haben die eine Sitzung ohne mich gemacht», schmunzelte Kimmich. Nagelsmann ruderte danach zurück und sagte, dass er einfach glaube, dass die Spieler auch mal in der Kabine ohne ihn sprechen würden. «Aber vielleicht verraten sie es auch nicht, ich weiss es nicht.»