Jannik Sinner entkommt einer Dopingsperre, obwohl er im März zweimal positiv auf ein verbotenes Steroid getestet wird. Der Freispruch des Weltranglistenersten stösst nicht überall auf Verständnis. Das letzte Wort ist aber ohnehin noch nicht gesprochen.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Im Januar gewann Jannik Sinner in Melbourne seinen ersten Grand-Slam-Titel, im Juni stieg er erstmals zur Weltnummer 1 auf.
- Am Dienstag wird publik, dass der Tennis-Star im März zweimal positiv auf ein verbotenes Steroid getestet wurde.
- Da Sinner nachweisen konnte, dass ihn keine Schuld trifft und damit kein Vorsatz gegeben war, wurde er nicht suspendiert.
- Der Freispruch des Weltranglistenersten stösst nicht überall auf Verständnis.
- Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will sich – wie immer – die Entscheidung der zuständigen Tennis-Agentur genau anschauen. Was dann passiert, wird sich zeigen.
Jannik Sinner blickt auf ein aufregendes Tennis-Jahr zurück. Im Januar gewann der 23-Jährige am Australien Open zum ersten Mal ein Grand-Slam-Turnier, im Juni erklomm er als erster Italiener überhaupt die Spitze der ATP-Weltrangliste.
Der Südtiroler hat sich in kurzer Zeit als einer der herausragendsten Spieler seiner Generation etabliert. In seiner bisherigen Karriere blieb er weitgehend von grösseren Kontroversen verschont, bis am Dienstag bekannt wurde, dass er in einen Dopingfall verstrickt ist.
Während des Masters-1000-Turniers in Indian Wells wurde Sinner im März zweimal positiv auf ein verbotenes anaboles Steroid getestet. Die International Tennis Integrity Agency (ITIA) gab den brisanten Fall zum Schutz des Athleten erst nach Abschluss der Untersuchungen bekannt. Die Weltnummer 1 wurde demnach positiv auf geringe Mengen der verbotenen Substanz Clostebol getestet.
Vor Gericht entlastet und trotzdem bestraft
Da Sinner nachweisen konnte, dass ihn keine Schuld trifft und damit kein Vorsatz gegeben war, wurde er nicht suspendiert. Laut einem Statement des Tennis-Stars kam die Verunreinigung mit Clostebol durch die Behandlung bei seinem Physiotherapeuten zustande, der für die Behandlung einer eigenen Wunde ein rezeptfreies Heilspray verwendete. Ein unabhängiges Gericht kam zum Schluss, dass kein Fehlverhalten Sinners festzustellen war.
Ganz ungeschoren kommt Sinner in der Angelegenheit allerdings nicht davon. Ihm werden die ATP-Punkte und das Preisgeld für das Turnier in Indian Wells aberkannt. Laut dem gut informierten Tennis-Journalisten Ben Rothenberg soll Sinner dadurch 400 Ranglistenpunkte und rund 300'000 Euro verlieren.
Die Sache ist damit aber noch nicht vom Tisch: Die Welt-Anti-Doping-Agentur will die Entscheidung im Fall des Weltranglistenersten zunächst «sorgfältig prüfen». Das teilte die Wada auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Man behalte sich das Recht vor, gegebenenfalls Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne einzulegen, erklärte die Wada, die ihren Sitz im kanadischen Montréal hat.
Kyrgios wettert: «Lächerlich»
Dass Sinner trotz des positiven Dopingbefundes nicht gesperrt wurde, kommt nicht überall gut an. Der australische Tennis-Rüpel Nick Kyrgios schrieb auf X (vormals Twitter): «Lächerlich – ob es nun versehentlich oder geplant war.» Und weiter: «Er wird zweimal auf eine verbotene Substanz getestet. Er sollte für zwei Jahre gesperrt werden.»
Den Einwand eines Users, dass die geringe Menge der in Sinners Körper nachgewiesenen Substanz angeblich nicht für eine Leistungssteigerung ausreiche, wischte der frühere Weltranglisten-13. weg: «Warum haben sie ihm dann das Preisgeld und die Punkte aus Indian Wells weggenommen? Hat er etwas falsch gemacht oder nicht? Schliesslich haben sie gesagt, dass er zweimal positiv getestet wurde.»
Auch der Kanadier Denis Shapovalov äusserte sich auf X kritisch: «Unterschiedliche Spieler, unterschiedliche Regeln», meinte der frühere Top-Ten-Spieler. «Kann mir kaum vorstellen, wie sich andere Spieler jetzt fühlen, die wegen kontaminierter Substanzen gesperrt wurden.»
Für grosses Aufsehen sorgte im Jahr 2016 der Fall der norwegischen Langlauf-Olympiasiegerin Therese Johaug. Der nationale Skiverband erklärte damals, dass die Substanz Clostebol in einer Lippencreme enthalten war, die der Mannschaftsarzt für Johaug gekauft hatte. Nach dem positiven Befund wurde die Dominatorin für 18 Monate gesperrt.
Coach nimmt Sinner in Schutz
Tennis-Coach Darren Cahill hat seinen Schützling Jannik Sinner nach dem Bekanntwerden von zwei positiven Dopingtests verteidigt und jeglichen Vorsatz ausgeschlossen. «Er würde nie etwas absichtlich tun. Er war in einer unglücklichen Situation», sagte Cahill in einem Interview des US-Senders ESPN. «Die Wahrheit ist heraus, kein Fehler oder Fahrlässigkeit, und hoffentlich kann er das hinter sich lassen.»
Laut Cahill hätte der Vorfall Sinner «körperlich und geistig zermürbt, er bekam eine Mandelentzündung und verpasste die Olympischen Spiele», sagte der 58-jährige Kanadier. «Wir sind nicht auf der Suche nach Kummer. Wir sind nur dankbar, dass es keine Sperre gibt.»
ATP mahnt zur Vorsicht
Auch die ATP äusserte sich zum Fall. Sie gab in einem Statement bekannt, froh zu sein, dass bei Sinner keine Schuld oder Fahrlässigkeit festgestellt wurde: «Dies war eine schwierige Angelegenheit für Jannik und sein Team und unterstreicht die Notwendigkeit für Spieler und ihr Umfeld, bei der Verwendung von Produkten oder Behandlungen äusserste Vorsicht walten zu lassen. Integrität ist das A und O in unserem Sport.»
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sda/dpa/pat