Ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, ist das grosse Ziel von jedem Tennis-Profi. Diese dreizehn Spieler waren bis jetzt mehrmals ganz nah dran, verpassten aber am Ende den ganz grossen Triumph. Der zweite Teil.
Als «unvollendet» in die Tennis-Geschichte einzugehen, ist ein dunkler Fleck in der Karriere eines Top-Spielers. Aktuell drohen diesen 13 Spielern das unliebsame Schicksal. Immerhin haben sie noch Chancen, ihre Biografie umzuschreiben – ganz im Gegensatz zu den Legenden aus Teil 1 und 2 (bewertet werden Turniere in der Profi-Ära ab 1990; Punkteverteilung: Final 5, Halbfinal 2, Viertelfinal 1).
Platz 6 – 12 Punkte
Matteo Berrettini
1. Profisaison: 2015
Grand Slams: 1 x Final (Wimbledon), 2 x Halbfinal, 3 x Viertelfinal
Höchste Platzierung: 6
Aktuelle Platzierung: 35
Turniersiege: 10
Berrettini hat es bei den French Open bis ins Viertelfinal (2021) geschafft, bei den Australian Open (2022) und US Open (2019) erreichte er das Halbfinal. Dort war jeweils Rafael Nadal Endstation. 2021 stiess der Römer gar in Wimbledon in den Final vor, musste sich da aber Novak Djokovic in vier Sätzen geschlagen geben.
In letzten vier Jahren machten ihm aber immer mehr gesundheitliche Probleme zu schaffen. Es begann mit einem Leistenbruch (2020), dann folgte eine Operation an der rechten Schlaghand. Ab dem Sommer 2023 pausierte Berrettini erneut. Die Saison 2024 eröffnete er mit drei Monaten Verspätung im März. Der italienische Modellathlet (1,96 m, 95 kg) ist deshalb nur noch auf Weltranglisten-Position 35.
Mit seinem Service und der krachenden Vorhand sowie solidem Volley-Spiel ist Berrettini vor allem auf schnellen Unterlagen brandgefährlich. Seine Rückhand und Defensivqualitäten sind hingegen ausbaufähig. Doch falls der 28-Jährige gesund bleibt, ist ein Major-Sieg im Bereich des Möglichen.
Platz 5 – 15 Punkte
Milos Raonic
1. Profisaison: 2008
Grand Slams: 1 x Final (Wimbledon), 2 x Halbfinal, 6 x Viertelfinal
Höchste Platzierung: 3
Aktuelle Platzierung: 239
Turniersiege: 8
Noch weiter zurückgefallen als Berrettini ist Raonic. Der Kanadier weist ähnliche Qualitäten auf wie der Italiener. Sein Aufschlag ist dabei wohl noch imposanter. Im vergangenen Sommer schlug er beim Rasen-Turnier im Queen's Club etwa 47 Asse – und stellt damit einen Rekord auf der Tour für Partien über drei Sätze auf.
Auf Rasen kommen seine Qualitäten besonders zum Tragen. In Wimbledon war er 2014 im Halbfinal, 2016 bodigte Raonic Federer in fünf Sätzen – und verlor das Final gegen Andy Murray. Dazu stand er im gleichen Jahr bei den Australian Open im Halbfinal.
Die Ausbeute ist eher dürftig, schliesslich schien Raonic – zumindest in seiner Blütezeit – auch mental mit den Besten mithalten zu können. Doch mittlerweile traut man der früheren Weltnummer 3 nicht mehr zu, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Zu oft bremsten ihn in der Vergangenheit Verletzungen aus. Zwischen 2021 und 2023 fehlte Raonic fast 2 Jahre lang auf der Tour
Platz 4 – 17 Punkte
Casper Ruud
1. Profisaison: 2015
Grand Slams: 3 x Final (2x French Open, US Open), 1 x Halbfinal
Höchste Platzierung: 2
Aktuelle Platzierung: 6
Turniersiege: 12
Der Norweger erreichte neben einem Halbfinal bisher gleich drei Mal ein Major-Endspiel. Beide French-Open-Finals verlor er klar – 2022 gegen Rafael Nadal, 2023 gegen Novak Djokovic. Im letzten Jahr war in Roland Garros in der Runde der besten vier Alexander Zverev zu stark. Auch beim US-Open-Final 2022 gegen Carlos Alcaraz war Ruud nicht wirklich nah dran am Sieg.
Dabei bringt der ruhige Zeitgenosse viel mit: Seine starke Vorhand, seine Spielintelligenz und seine tiefe Fehlerquote machen ihn für jeden Gegner unbequem. Dafür kann Ruud etwas weniger von seinem Service profitieren als andere Spieler, ausserdem ist er im Offensivspiel manchmal etwas zu zögerlich.
Der in der Akademie von Rafael Nadal ausgebildete Skandinavier gilt in der Szene als fleissiger und seriöser Schaffer. Ausserdem scheint Ruud nie unter ein gewisses Niveau zu fallen. Vor allem bei den French Open gehört der 26-Jährige zu den Siegesanwärtern. Schliesslich hat Ruud elf von seinen zwölf Turniersiegen auf Sand geholt.
Platz 3 – 18 Punkte
Kei Nishikori
1. Profisaison: 2007
Grand Slams: 1 x Final (US Open), 2 x Halbfinal, 9 x Viertelfinal
Höchste Platzierung: 4
Aktuelle Platzierung: 74
Turniersiege: 12
Das Lieblingsturnier des besten asiatischen Spielers in der Geschichte sind die US Open. Zwar schaffte es Nishikori sowohl in Melbourne, Paris und Wimbledon in die Viertelfinals, aber nur in New York ging die Reise für den 1,78 Meter grossen Japaner jeweils weiter. 2014 räumte er in Flushing Meadows mit Milos Raonic, Stan Wawrinka und dem damaligen Weltranglistenersten Novak Djokovic gleich mehrere Top-Cracks aus dem Weg. Im Überraschungsfinal – erstmals seit neun Jahren war keiner der Big 3 im Endspiel – war sein Tank leer. Marin Cilic holte sich in drei Sätzen den Pokal.
2016 und 2018 scheiterte er mit Wawrinka und Anderson ebenfalls an Gegnern, die nicht Nadal, Federer oder Djokovic hiessen. Während 2019 immerhin noch drei Viertelfinals – von insgesamt neun – herausschauten, steckt seit 2020 der Wurm drin. Verletzungen, die den seit langem von Michael Chang trainierten Schützling immer wieder zu Zwangspausen zwingen, bremsten die Karriere abrupt. Der 35-Jährige ist mittlerweile nur noch die Nummer 74.
Schwer vorstellbar, dass Nishikori nochmals den Anschluss an die Weltspitze findet. Dabei hatte der agile Japaner mit den schnellen Beinen ein hervorragendes Schlag-Repertoire im Köcher. Aufgrund seiner Körpergrösse fehlten ihm aber als Aufschläger oft die Gratis-Punkte.
Platz 2 – 20 Punkte
Stefanos Tsitsipas
1. Profisaison: 2016
Grand Slams: 2 x Final (Australian Open, French Open), 4 x Halbfinal, 2 x Viertelfinal
Höchste Platzierung: 3
Aktuelle Platzierung: 11
Turniersiege: 11
2019 begeistert ein junger Grieche mit langen Haaren in Melbourne. Der 20-Jährige steht im Achtelfinal Federer gegenüber – und zeigt keine Nerven. Nach 17 Siegen im Folge muss der Schweizer Down Under erstmals wieder als Verlierer vom Platz. 12 Breakchancen kann Tsitsipas abwehren und kommt ohne Aufschlagverlust weiter. Im Halbfinale beendet Rafael Nadal das Tennis-Märchen.
2020 kommt er in Paris im Halbfinal nach einem 0:2-Satzrückstand gegen Djokovic zurück, verliert aber die Partie dennoch. 2021 stoppt ihn bei den Australian Open Danil Medvedev im Halbfinal, in Roland Garros führt Tsitsipas gegen Djokovic mit 2:0-Sätzen – und gibt die Partie noch aus den Händen. 2022 ist in Melbourne im Halbfinal wieder Medvedev zu stark. Am gleichen Ort ist 2023 der Triumph in Reichweite – im Endspiel ist Djokovic unantastbar.
Seither ist seine Karriere ins Stocken geraten. In den vergangenen sieben Grand-Slam-Turnieren erreichte er noch zwei Viertelfinals, verlor aber auch einmal in der Startrunde sowie zwei Mal in Runde 2. Der emotionale Grieche scheint momentan auf der Suche nach seinem inneren Gleichgewicht. Tsitsipas in Bestform ist hingegen für seine Gegner mit seinen Stärken (Service, Vorhand sowie sowohl in der Offensive als auch in der Defensive starkem Spiel) immer eine grosse Hürde. Doch irgendwie will es nicht richtig klappen mit dem langersehnten Triumph. In der aktuellen Verfassung wird es schwierig für den 26-Jährigen, den Bock umzustossen.
Platz 1 – 27 Punkte
Alexander Zverev
1. Profisaison: 2013
Grand Slams: 2 x Final (French Open, US Open), 6 x Halbfinal, 5 x Viertelfinal
Höchste Platzierung: 2
Aktuelle Platzierung: 2
Turniersiege: 23
Der mit Abstand erfolgloseste Glücksritter ist Alexander Zverev. Insgesamt 35 Mal trat der Deutsche bisher bei Grand-Slam-Turnieren an, ohne am Ende den Titel zu holen.
Zverev stand bislang zweimal in einem Major-Finale. 2020 führte der 1,98 Meter grosse Hamburger bei den US Open gegen Dominic Thiem schon mit 2:0-Sätzen sowie im Entscheidungssatz mit 5:3, zog aber im Tiebreak dann den Kürzeren. Auch 2024 bei den French Open lag er gegen Carlos Alcaraz mit 2:1-Sätzen vorne, musste sich aber letztlich dem Spanier in fünf Sätzen geschlagen geben.
Besonders bitter war auch sein Halbfinal-Aus 2022 gegen Nadal. Zverev lieferte dem Sandkönig ein Duell auf Augenhöhe, ehe er mit dem Fuss umknickte und aufgeben musste. Den nächsten Versuch, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, unternimmt Zverev diesen Sonntag in Melbourne. Im vergangenen Jahr musste sich der 27-Jährige im Halbfinale Medvedev in fünf Sätzen geschlagen geben.
Vor dem Start der Australian Open witzelte Zverev bei einem Gespräch mit Djokovic: «Novak hat 24 Grand Slams gewonnen (..) Er wird wahrscheinlich noch fünf weitere gewinnen, während ich immer noch versuche, meinem ersten Sieg hinterherzujagen.»