Hilfe, uns gehen die Nati-Stars aus. Wie will die Schweiz wieder mehr und bessere Nachwuchsspieler mit Schweizer Pass ausbilden? Darüber diskutieren Nati-Direktor Pierluigi Tami, Patrick Bruggmann, Direktor Fussballentwicklung und blue Sport Experte und Ex-Nati-Star Alex Frei.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Die Schweizer A-Nati gehört seit Jahren zur erweiterten Weltspitze. Das ist alles andere als selbstverständlich und bleibt deshalb auch nicht automatisch so.
- Diverse Exponenten des Schweizer Fussballs schlagen bereits Alarm, denn die Schweiz hat ein Nachwuchsproblem.
- In den höchsten beiden Spielklassen kommen junge Spieler mit Schweizer Pass zu wenig zum Einsatz. Im Vergleich etwa mit Kroatien sieht es zappenduster aus.
Hört man sich in der Schweizer Fussball-Landschaft um, so herrscht eine gewisse Alarm-Stimmung. Denn während die A-Nati seit Jahren Stammgast an grossen Turnieren ist und an der letzten EM den Halbfinal-Einzug nur haarscharf verpasste, sieht es im Nachwuchsbereich deutlich weniger rosig aus. Eine kürzlich veröffentlichte, vom SFV in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass die Schweiz im Vergleich mit anderen vergleichbaren Ligen deutlich hinterherhinkt, wenn es darum geht, Nachwuchsspielern den Sprung zu den Profis zu ermöglichen.
Deine Meinung ist gefragt: Würde eine Aufstockung der Super League und Challenge League das Problem im Schweizer Nachwuchs lösen? Oder hast du andere zielführende Ideen? Dann lass es uns in der Kommentarspalte wissen.
Im Fussball-Talk Heimspiel gehen Nati-Direktor Pierluigi Tami, Direktor Fussballentwicklung Patrick Bruggmann und blue Sport Experte und Ex-Nati-Star Alex Frei auf Spurensuche. Ein Streitgespräch gibt es nicht, denn die drei im Fussball-Business verankerten Experten sind sich in den meisten Punkten einig. Der Tenor ist klar: In der Schweiz erhalten junge Talente viel zu wenig Einsatzzeit in einer der beiden höchsten Spielklassen. Und Spielpraxis wäre genau das, was die Spieler in diesem Alter bräuchten, um den nächsten Schritt zu machen.
Ein möglicher Lösungsansatz, den alle begrüssen würden: Eine Aufstockung der Super League und der Challenge League. Ob auch Regulierungen den Prozess beschleunigen könnten, etwa eine Beschränkung ausländischer Spieler oder die Klubs dazu zu verpflichten, Nachwuchsspieler einzusetzen, da sind sich nicht alle ganz einig.
Alex Frei sieht aber noch einen weiteren Grund, weshalb es Talente in der Schweiz möglicherweise schwieriger haben als beispielsweise jene aus Kroatien, dem Land, das in der genannten Studie am besten abschneidet. Er finde den Vergleich mit Kroatien sehr interessant. «Aber was man nicht vergessen darf ist, dass du in der Schweiz ein duales Bildungssystem hast. Die Jungs, die hier in der U15 sind, die machen alle eine Lehre, die gehen in Wirtschaftsmittelschulen oder höhere Schulen. Ich bin nicht sicher, dass jeder von diesen fast 800 Spielern in Kroatien eine Lehre gemacht hat oder bis 17 auch noch in die Schule geht.»
Anzahl hervorgebrachter Spieler von 2013 bis 2023
Er meine das nicht «böse» sagt Frei und erklärt: «Ich will damit nur sagen, dass es in der Schweiz auch noch etwas nebendran gibt, nicht nur den Sport alleine. Und was man in der Ausbildung nicht vergessen darf, ist, dass man mit Menschen zu tun hat. Es ist nicht so, dass ich eine Senftauben-Fabrik führe, in der ich irgendwo eine Schraube drehen gehe und dann kommen wieder 10'000 Senftauben raus. Du hast jedes Mal immer ein bisschen Zyklen in einer Ausbildung, in einem Verband hast du auch Zyklen, wo es mal ein bisschen besser geht und mal ein bisschen weniger gut. Das darf man bei aller Kritik oder bei allem, was man verbessern will, auch nicht ganz ausser Acht lassen.»
Zahlen aus der aktuellen Super-League-Saison
Mit der Nachwuchs-Trophy werden schon heute Vereine belohnt, die auf junge Spieler mit Schweizer Pass setzen. Wer Ende Saison auf die meisten Einsatzminuten für junge Spieler (Jahrgang 2003 und jünger) kommt, kassiert 250'000 Franken. Aktuell führt diese Tabelle der FC Luzern mit grossem Vorsprung auf Yverdon-Sport und Lausanne-Sport an. Abgeschlagen am Tabellenende findet man den FC Sion wieder.
Für die Klubs ist dieser Betrag aber wohl zu klein, um sie ernsthaft damit zu locken. Sportchef Remo Meyer vom Vorzeigeklub Luzern sagt gegenüber blue Sport: «Diese Belohnung ist ein Nebeneffekt, es geht uns nicht um diesen Betrag. So ist unsere Klubphilosophie: Wir wollen eine Plattform für junge Spieler bieten, die willig sind und das Potenzial haben, in der Super League zu spielen. Diese Philosophie verfolgen wir jetzt schon über Jahre.»
Der Start in die neue Saison verspricht auf alle Fälle noch keine Besserung. In den ersten Spielen haben nur fünf Klubs mehr auf ihre Schweizer Nachwuchsspieler gesetzt als in der Vorsaison. «Die Vereine stehen unter Druck. Sie wollen unbedingt international dabei sein und auf keinen Fall absteigen. Das ist mit jungen Spielern, die noch Erfahrungen sammeln müssen, nicht einfach zu erreichen», sagt Bruggmann, der sich wünschen würde, dass dennoch mehr Vereine auf die Jugend setzen. Denn dass Handlungsbedarf besteht, daran gibt es derzeit keine Zweifel.