Die Super League ist eine Ausbildungsliga, aber nicht mehr für Schweizer. Klubs wie St.Gallen oder YB setzen kaum noch auf einheimische Talente. Beim Schweizerischen Fussballverband ist man besorgt.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- In der Super League kommen deutlich weniger Schweizer Talente im Alter von unter 21 Jahren zum Einsatz als noch vor fünf Jahren.
- Was bedeutet das langfristig für die Nati? «Ich mache mir Sorgen», sagt Nati-Direktor Pierluigi Tami. Beim SFV ist man sich des Problems bewusst, eine Lösung hat man aber noch nicht gefunden.
- Bei YB und St.Gallen kamen in dieser Saison bislang kaum Schweizer mit Jahrgang 2003 oder jünger zum Zug. Beim FC Luzern sieht es ganz anders aus. Deshalb darf sich der FCL auf einen finanziellen Zustupf der Liga freuen.
Junge Spieler einsetzen und sie für viel Geld verkaufen. Das Haupt-Geschäftsmodell eines Super-League-Klubs ist einfach. Doch immer weniger Vereine setzen dabei auf eigenen Nachwuchs, sondern holen lieber ausländische Talente – in der Hoffnung, dass diese eines Tages mehr Geld in die Kasse spülen.
Gemäss Berechnungen der «Sonntagszeitung» hatten die Super-League-Teams in der Saison 2019/2020 ihre Schweizer Nachwuchsspieler im Schnitt pro Klub 5223,7 Minuten eingesetzt. In der letzten Saison 2023/24 sind es noch 3101,5 Minuten. Zieht man den FC Luzern ab, der seinen Nachwuchs mit Abstand am meisten einsetzt, sind es noch 2065,7 Minuten pro Klub. Und dies, obwohl die Super League von zehn auf zwölf Teams aufgestockt wurde und es mehr Spiele gibt.
Auch der Start in die neue Saison verspricht keine Besserung. In den ersten Spielen haben nur fünf Klubs mehr auf ihre Schweizer Nachwuchsspieler gesetzt als in der Vorsaison. «Die Vereine stehen unter Druck. Sie wollen unbedingt international dabei sein und auf keinen Fall absteigen. Das ist mit jungen Spielern, die noch Erfahrungen sammeln müssen, nicht einfach zu erreichen», sagt Patrick Bruggmann, Direktor Fussballentwicklung beim SFV, zu blue Sport.
Vereine fördern lieber ausländische Talente
An Qualität würde es den jungen Schweizern nicht fehlen, heisst es beim Verband. «Ich habe Mühe, wenn die Klubs lieber einem ausländischen Talent Spielzeit geben als einem Schweizer, der genauso viel Potenzial mitbringt», so Bruggmann.
Beispiel FC Basel: Mit Bénie Traoré (Elfenbeinküste, 21 Jahre), Marin Soticek (Kroatien, 19) und Kevin Carlos (Spanien, 23) hat der FCB drei neue Stürmer für viel Geld verpflichtet. Das Eigengewächs wie der 19-jährige Roméo Beney – letzte Saison zwischenzeitlich hochgejubelt – muss wieder hinten anstehen. Beney kam an den letzten beiden Spieltagen bei der U21 des FCB in der Promotion League zum Einsatz.
Auch der FC St. Gallen und YB haben in diesem Sommer diverse ausländische Talente verpflichtet, während der eigene Nachwuchs – zumindest bislang – mehr oder weniger vergeblich auf eine Chance wartet.
«Wir haben Talente. Es braucht aber Mut, sie auch einzusetzen. Wir wissen, dass unsere jungen Spieler häufig etwas mehr Zeit brauchen. Die müssen wir ihnen geben. In der Super League ist diese Zeit, um die Spieler fertig auszubilden, nicht unbedingt vorhanden», meint Bruggmann.
Junioren-Nati ist längst nicht mehr top
Beim SFV ist man besorgt, was diese Entwicklung für die A-Nati zu bedeuten hat. «Ich mache mir Sorgen. Wenn wir nicht reagieren, könnte das in Zukunft gefährlich werden für die A-Nati», sagt Nati-Direktor Pierluigi Tami. Er glaubt, dass die ausländischen Investoren und Klubbesitzer im Schweizer Fussball zum Problem beitragen. «Immer mehr Besitzer der Super-League-Vereine sind Ausländer. Früher waren es Schweizer, die auch Interesse daran hatten, unsere Junioren auszubilden.»
Man müsse sich beim Schweizerischen Fussballverband Gedanken machen, wie man die Schweizer Talente unterstützen kann, so Tami. Ansonsten stehe die Nati vor einem grossen Problem. Zumal auch die Erfolge bei den U-Auswahlen ausbleiben. 2009 wurde die U17-Nati Weltmeister, 2011 schaffte es die Schweizer U21-Auswahl in den EM-Final. Seither haben wir uns im Nachwuchs regelmässig nicht mehr für Endrunden qualifiziert.
Bruggmann schlägt Alarm: «Wenn wir unsere Junioren-Nationalteams bei Turnieren im internationalen Vergleich sehen, haben wir das Gefühl, dass unseren Spielern etwas die Reife und Dynamik fehlt, weil sie das hohe Niveau nicht kennen. Im Vergleich mit anderen Nationen haben wir einen Rückstand.» Vielen U-Nati-Spielern fehle die Erfahrung auf Top-Niveau, weil sie diese in Basel, St.Gallen oder Bern nicht mehr kriegen.
Nur Luzern setzt voll auf die eigene Jugend
Dass es auch anders gehen könnte, zeigt Luzern. In dieser Saison kamen beim FCL schon acht Schweizer mit Jahrgang 2003 oder jünger zum Einsatz. Sechs standen mindestens einmal in der Startelf, drei sind Stammspieler.
Letztes Jahr war der FCL mit 381 Nachwuchs-Minuten im Schnitt pro Spiel das Nonplusultra in der höchsten Schweizer Spielklasse. Die Luzern-Talente mit Schweizer Pass kamen auch in dieser Saison in den ersten sechs Spielen auf insgesamt 2107 Minuten.
Zum Vergleich: Bei YB sind es gerade einmal 66 Minuten, sie gehen allesamt auf das Konto von U21-Nati-Spieler Zachary Athekame. Die konsequente Luzerner Nachwuchsförderung birgt auch gewisse Risiken. So verpasste man letzte Saison die Top 6 und musste in die Abstiegsrunde. YB wurde Meister und qualifizierte sich für die Champions League.
Bei der Swiss Football League hat man das Nachwuchsproblem erkannt und versucht im Fördersystem «Nachwuchs-Trophy» mit finanziellen Anreizen Gegensteuer zu geben. Ab dieser Saison werden Prämien ausgeschüttet: Das Team mit den meisten Minuten für Schweizer Nachwuchsspieler erhält 250’000 Franken. 150’000 gibt's für Rang 2, 100’000 für Rang 3. Der Rest geht leer aus.
Auch in der Challenge League die Klubs belohnt. Jeder Klub, dessen Nachwuchsspieler bis Ende Saison mindestens 6'000 Einsatzminuten gekriegt haben, kassiert 50'000 Franken. Vereine mit mindestens 8'000 Einsatzminuten, kriegen weitere 50'000.
Liegt die Lösung in der Challenge League?
Doch reicht dieser finanzielle Anreiz, um die Klubs dazu zu bringen, die Eigengewächse wieder mehr zu fördern? Bruggmann ist skeptisch: «Die Spielklassenstruktur und der Modus in verschiedenen Ligen wurde erst kürzlich angepasst. Aber wir müssen uns aus der Sicht der Nachwuchsförderung und des Athletenwegs permanent überlegen, ob es in unseren höchsten Ligen genügend Platz gibt, um unseren jungen Spielern ausreichend Chancen für den nächsten Entwicklungsschritt zu geben.»
Könnte eine grössere Challenge League das Problem lösen? In Vergangenheit wurden schon einige grosse Karrieren in der zweithöchsten Schweizer Liga lanciert. Zum Beispiel die von Manuel Akanji, der vor zehn Jahren beim FC Winterthur debütierte und mittlerweile Stammspieler bei Manchester City ist. Das Potenzial für eine ähnliche Karriere hätten in der Schweiz einige Junioren, ist man beim SFV überzeugt. Man muss ihnen aber auch eine Chance geben.