Stéphane Henchoz gab erstmals nach seinen Rücktritt einen Einblick in sein Innenleben. Dabei bekommt vordergründig nicht Sion-Präsident Christian Constantin sein Fett ab, sondern das Team, das ein Mentalitätsproblem habe.
Spätestens als Stéphane Henchoz vor kurzem Christian Zermatten zur Seite gestellt bekam, war der ehemalige Internationale (72 Einsätze) öffentlich angezählt. Ebenso nicht vertrauensfördernd war, dass Präsident Christian Constantin auf der Spielerbank Platz nahm.
Dennoch haben solche Episoden nicht zu seinem Rücktritt geführt, betont Henchoz gegenüber dem «Blick». Der Beschluss sei vielmehr auf der Rückfahrt im Car von St. Gallen ins Wallis gereift. Bei den Ostschweizern kassierte man nach einer desolaten Vorstellung eine 0:3-Niederlage. «Ich sah eine Mannschaft, die sich nicht einbrachte und ohne Hingabe war. Ohne diese zehn, fünfzehn fehlenden Prozent gewinnst du keine Spiele. Und Henchoz macht gar noch dem FCSG ein Kompliment: «Wir hatten das Team mit der höchsten Intensität in diesem Land zum Gegner. Alles hungrige, junge, willige Typen, die eine Riesen-Laufbereitschaft an den Tag legen. Weil sie ihre Karriere lancieren wollen. Wir hingegen liessen das alles vermissen. Der Unterschied war so frappant», ereifert er sich.
Der 45-Jährige, der Ende der vergangenen Saison noch mit Neuchâtel Xamax in extremis den Super-League-Erhalt schaffte, verzeichnete im Wallis einen tollen Start und lag sogar kurzfristig sogar an der Tabellenspitze: «Vor gut einem Monat hat alles funktioniert, wir haben inklusive Cup sieben Mal in Folge gewonnen und waren über Nacht Erster, danach Zweiter.» Man habe in dieser Phase ein wenig nachgelassen, was schwierig zu verhindern sei. «Du kannst einem Buben hundert Mal sagen, er solle die Hand nicht auf die heisse Herdplatte legen. Irgendwann probiert er es aus. Und erst wenn er sich die Finger verbrannt hat, weiss er: Ich mache das nie mehr. Am Ende des Tages ist es der Charakter der Spieler», erläutert er. Das Erfolgsrezept liege sowieso nur zu einem Drittel in den Füssen, der Rest seien Kopf und Herz.
Nach einer Serie von fünf Niederlagen und einem Unentschieden wurde die Lage dann ausweglos: «In dieser Mannschaft habe ich mich nicht wiedergefunden. Dieses Gefühl hatte ich von Beginn weg. Aber ich wollte es versuchen. Auch wenn ich wusste, dass es schwierig werden würde. Einfach wegen der Charaktere. Nicht wegen des speziellen Sittener Umfelds oder der Infrastruktur. Wegen der Charaktere im Team. Und deshalb wird es auch für meinen Nachfolger kompliziert werden», prophezeit Henchoz.