Polemik, Spannung, IsolationDarum mochte Viola Amherd nicht mehr
Sven Ziegler
16.1.2025
Viola Amherd hat ihren Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt gegeben. Nach Monaten der Spekulation und politischem Druck hat die Mitte-Politikerin nun die Konsequenzen gezogen.
Sven Ziegler
16.01.2025, 07:54
16.01.2025, 10:47
Sven Ziegler
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Mehrere entscheidende Ereignisse führten zum Rücktritt von Viola Amherd.
Nach dem Rücktritt von Walter Thurnherr fühlte sich Amherd isoliert, besonders unter der Dominanz von Karin Keller-Sutter.
Mit der Forderung der SVP hat ihr Entscheid allerdings wenig zu tun.
Nach wochenlangen Spekulationen ist es offiziell: Viola Amherd tritt zurück. Die Mitte-Politikerin hat ihre Entscheidung getroffen, nach einem Jahr als Bundespräsidentin und einer turbulenten Amtszeit aus dem Bundesrat auszutreten.
Viola Amherd verlor laut dem «Tages-Anzeiger» einen wichtigen Verbündeten im Bundesrat, als Walter Thurnherr Ende 2023 zurücktrat. Der ehemalige Bundeskanzler war ein Vertrauter und unterstützte Amherd, insbesondere in schwierigen Diskussionen mit FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Nach seinem Abgang begann für Amherd eine Phase der Isolation. «Die Zeit unter Keller-Sutters Präsidentschaft war für sie extrem anstrengend», beschreibt ihr Umfeld dem «Tages-Anzeiger» die Situation damals. Kritische Medienberichte belasteten sie zusätzlich.
Engste Beraterin im Rampenlicht
Die Zusammenarbeit mit ihrer langjährigen Beraterin Brigitte Hauser-Süess löste im vergangenen Jahr eine scharfe Diskussion aus. Als Hauser-Süess 2024 das Pensionsalter erreichte, erhielt sie einen befristeten Beratervertrag mit grosszügigen Konditionen. Amherd fühlte sich von der Kritik persönlich getroffen.
Auch die SVP griff die Debatte auf, wie der «Blick» rekonstruiert hat. «Frau Amherd kann offenbar nicht sein ohne ihre Beraterin Hauser-Süess», kommentierte Christoph Blocher in seiner Sendung «Teleblocher».
Scheinwerferlicht verwehrt
Amherds Jahr als Bundespräsidentin hatte mit den erfolgreichen Verhandlungen mit der EU einen Höhepunkt. Während dieser Zeit seien, so der «Tages-Anzeiger», einige entscheidende Beschlüsse gefallen.
Doch ihre Rolle wurde bei der Verkündung des Deals heruntergespielt. Statt Amherd präsentierten Aussenminister Cassis, Justizminister Jans und Wirtschaftsminister Parmelin das Ergebnis. «Dieser Moment war für sie ein Tiefpunkt», so ein Vertrauter zu den Tamedia-Zeitungen.
Rücktritt des Parteipräsidenten
Der Rücktritt von Mitte-Präsident Gerhard Pfister am 6. Januar brachte neue Dynamik in die Diskussionen um Amherds Zukunft. Pfisters mögliche Ambitionen auf einen Bundesratssitz liessen Spekulationen über Amherds Abgang wiederaufleben.
Allerdings: Mit Pfister abgesprochen war der Abgang nicht, wie die «Neue Zürcher Zeitung» weiss. Dieser sei überrascht gewesen, berichten Quellen. Und laut Amherd ebenfalls erst kurz vor der Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt worden.
Was hat Cassis damit zu tun?
Auch bei Aussenminister Ignazio Cassis halten sich die Gerüchte um einen baldigen Rücktritt hartnäckig. Mit Amherds Entscheidung kommt die FDP nun möglicherweise unter Zugzwang: «Der FDP würde es mit Sicherheit einfacher fallen, ihren zweiten Bundesratssitz zu verteidigen, wenn ihr Sitz zeitgleich wie jener der Mitte zu besetzen wäre», sagt Politologin Sara Bütikofer im Interview mit blue News.
Dass Cassis jedoch kurzfristig zurücktritt, ist laut der NZZ unwahrscheinlich. Ob Amherd aber tatsächlich Ende Jahr eine Doppelvakanz verhindern wollte und deshalb zurückgetreten ist, bleibt unklar.
Entscheid schon an Weihnachten
Den Höhepunkt der Spekulationen bildete eine Forderung der SVP, die Amherd öffentlich zum Rücktritt aufforderte. Was die Partei nicht wusste: Amherd hatte ihre Entscheidung bereits in den Weihnachtsferien getroffen, wie der «Tages-Anzeiger» weiss.
Darüber informiert hat sie allerdings nur ihr familiäres Umfeld. Beruflich wusste niemand etwas von Amherds Rückzug. Ihre engsten Vertrauten wurden erst kurz vor der öffentlichen Bekanntgabe informiert.