Kampfflugzeuge und das Risiko Wie wichtig sind F-16-Jets für Kiew im Krieg gegen Russland?

Die Ukraine hat den Verlust eines ihrer F-16-Kampfflugzeuge bekanntgegeben. Die Maschinen sollen insbesondere die Luftverteidigung stärken und könnten beim Bekämpfen von Zielen in grösserer Entfernung helfen, speziell wenn sie mit für die Maschinen ausgeklügelten Waffen ausgerüstet werden. 

Belgien, Dänemark, die Niederlande und Norwegen haben der Ukraine mehr als 60 Maschinen zugesagt. Die Lieferung dürfte sich aber noch über Monate hinziehen. Bislang soll die Ukraine über mindestens sechs F-16 verfügen.

Vier Fragen und Antworten:

- Wie können die F-16 für die Ukraine im Krieg hilfreich sein?

Federico Borsari vom Center for European Policy Analysis (Cepa) in Washington nennt drei Kernaufgaben: Die F-16 würden versuchen, russische Raketen und Drohnen abzufangen, mit denen die Ukraine unablässig bombardiert wird. Sie sollen feindliche Flugabwehrsysteme ausschalten und russische Truppenstellungen und Munitionslager mit Luft-Boden-Raketen beschiessen. «Sie werden in der Lage sein, einen Teil der Dynamik (des Krieges) zu beeinflussen», sagt Borsari.

Viele Informationen über den Einsatz der F-16 sind geheim. Dazu gehört die Frage, für die Bekämpfung welcher Ziele westliche Regierungen der Ukraine eine Freigabe erteilt haben und welche Waffen westliche Staaten für den Einsatz mit F-16 liefern werden.

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Die F-16 könnten von Grossbritannien gelieferte Storm-Shadow-Marschflugkörper mit einer Reichweite von mehr als 250 Kilometern tragen, die Ziele in Russland treffen könnten. Sie können zudem mit weitreichenden Luft-Luft-Raketen bestückt werden, die russische Bomber und Kampfflugzeuge bedrohen würden. Die hochentwickelten Radarsysteme des Flugzeugs werden es den ukrainischen Piloten ermöglichen, weiter entfernte Ziele zu erkennen, als dies mit ihren Maschinen vom Typ MiG-29, Su-27 und Su-24 möglich ist.

Die Luftherrschaft ist auch für den Bodenkrieg wichtig, weil die Flugzeuge den Truppen Luftschutz bieten. Das könnte für die Ukraine jedoch gefährlich werden, denn Russland verfügt über eine gute Luftabwehr. Zumindest könnten die Kampfjets einen psychologischen Effekt auf die russischen Piloten haben und die Moral der ukrainischen Truppen stärken.

- Welche Probleme gibt es für die Ukraine mit den F-16?

Marina Miron von der Abteilung für Verteidigungsstudien am King's College London listet eine lange Reihe von Herausforderungen auf, die die F-16 für die Ukraine mit sich brächten. Die rund neunmonatige Ausbildung der ukrainischen Piloten in den USA und Europa kam einem Crash-Kurs gleich. Westliche Piloten werden an der «sehr komplexen Maschine», wie Miron sie nennt, üblicherweise drei Jahre ausgebildet. Die kurze Ausbildung der Ukrainer schränkt ihre Leistung mit der F-16 ein.

Für den Einsatz des Kampfflugzeugs sind ausserdem zahlreiche Hilfskräfte nötig, wie Wartungsingenieure, Munitionslader, Nachrichtenanalysten und Notfallmannschaften. Ausserdem muss die Ukraine ein Netz von Radarstationen, verstärkten Hangars, Ersatzteillagern und Betankungsanlagen aufbauen.

Qualitativ hochwertige Flugplätze sind ebenfalls ein Muss. Der Lufteinlass der F-16 befindet sich in der Nähe des Rollfelds, was die Gefahr mit sich bringt, dass er Trümmer und Schmutz in das Triebwerk saugt.

«Es müssen also viele damit zusammenhängende Fragen geklärt werden», sagt Miron. Ukrainische Piloten, die keine Kampferfahrung mit der F-16 haben, hätten möglicherweise auch eine gewisse Scheu davor, sich auf Luftkämpfe einzulassen.

- Wie hat Russland reagiert?

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zufolge hat Russland bereits eine Belohnung für Soldaten ausgesetzt, die F-16-Flugzeuge abschiessen. Für Russland hätte das grossen propagandistischen Wert. Seine Flugabwehr verfügt über die respekteinflössenden mobilen Boden-Luft-Raketensysteme S-300 und S-400, die mehrere Flugzeuge auf einmal abschiessen können. Das russische Militär kann ausserdem schätzungsweise mehrere hundert einsatzbereite Kampfjets und hochentwickelte Radaranlagen zur Luftüberwachung einsetzen.

Eine der grössten Bedrohungen für die F-16 sei der russische Kampfjet Su-35, sagt Borsari vom Cepa. Er verfüge über ein Langstreckenradar, mit dem er bis zu acht Ziele gleichzeitig in einem weiten Gebiet verfolgen und bekämpfen könne.

Die russischen Streitkräfte könnten auch versuchen, die F-16 am Boden mit weitreichenden Raketen zu zerstören. Sie haben bereits die begrenzte Anzahl geeigneter Flugplätze in der Ukraine ins Visier genommen.

«Grosser Schritt»Nach den Panzern nun Jets? Kiews Kampf um die F-16

Analysten rieten den Ukrainern, die F-16 in verstärkten Hangars abzustellen, sie auf verschiedene Standorte zu verteilen, Lockvogel-Flugzeuge zu stationieren und bereit zu sein, im Falle einer Luftangriffswarnung schnell zu starten.

- Wie könnte die Ukraine die F-16 schützen?

Der ukrainische Luftfahrtexperte Anatolij Chraptschynskji sagt, die Ukraine verfüge über eine robuste Verteidigung, um die Kampfjets vor russischen Angriffen zu schützen. «Während der gesamten Zeit seit dem Einmarsch in die Ukraine hat Russland lebhaft versucht, ukrainische Flugplätze anzugreifen, aber sie waren nicht sehr erfolgreich», sagt er.

F-16 Jets für die UkraineDer «Kämpfende Falke» kann viel, hat aber auch Schwächen

Die F-16 werde die Fähigkeiten der ukrainischen Luftwaffe erheblich verbessern, den Luftraum vor russischen Angriffen zu schützen und die Reichweite für ukrainische Angriffe auf Ziele in Russland vergrössern. «Mit dem Erwerb von F-16-Flugzeugen werden wir in der Lage sein, eine Reihe von Problemen zu lösen, die der Ukraine derzeit zu schaffen machen», sagt Chraptschynskji. «Dazu gehören: Russlands massive Raketenangriffe, sein Einsatz von Gleitbomben und die Stationierung von S-300-Anlagen in den Grenzregionen Sumy und Charkiw.»

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30.08.2024

Von Barry Hatton und Andrew Meldrum, AP/tpfi