Jet mit Achillesferse Das Manko der F-16, das Kiews Euphorie verfliegen lässt

Philipp Dahm

2.8.2024

Belgiens Premier Alexander De Croo am 28. Mai in Steenokkerzeel im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Belgiens Premier Alexander De Croo am 28. Mai in Steenokkerzeel im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Bild: IMAGO/ZUMA Press Wire

Die F-16 ist angeblich in der Ukraine angekommen. Doch während die Euphorie gross ist, ist die Zahl der gelieferten Exemplare klein. Und die Jets haben ein Manko, das ihren Einsatz einschränkt: den Kerosinverbrauch.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Westliche Medien berichten, dass die ersten zugesagten F-16-Jets in der Ukraine eingetroffen sind.
  • Der grossen Euphorie steht die geringe Zahl der Flugzeuge entgegen.
  • Operativ wird ihr Einsatz durch ihren Kerosinverbrauch stark eingeschränkt.
  • Darum sind die F-16-Jets für die Bekämpfung russischer Gleitbomben-Angriffe nicht gut geeignet.
  • Vorerst werden die Jets wohl vor allem für eine Aufgabe genutzt werden.

Alle reden von der F-16. Der Kreml tut es: Er greift verstärkt ukrainische Flughäfen in der Hoffnung an, den US-Jet gleich nach dem Eintreffen zu zerstören.

Russische Militärblogger tun es: Sie wollen wissen, dass vier Flugzeuge in Rumänien gestartet und dann über Odessa geflogen sind. Es handelte sich offenbar aber bloss um Jets der rumänischen Luftwaffe, die nie in die Ukraine gelogen sind.

Doch auch auf der Gegenseite wird über das Thema gesprochen: Zunächst will «Bloomberg» aus unterrichteten Kreisen erfahren haben, dass die US-Flieger nun angekommen sind. Auch die Nachrichtenagentur AP schreibt, sie habe von ukrainischen und amerikanischen Politikern eine entsprechende Bestätigung erhalten.

Wer dagegen zu der Sache schweigt, ist Kiew: «Die Ukraine wird die Ankunft der F-16 nicht offiziell bestätigen», wird Mychajlo Podoljak, ein Berater von Wolodymyr Selenskyj, zitiert. Der Grund: «Der Nebel des Krieges ist sehr nützlich.» Moskau soll über die neue Waffe im Unklaren gelassen werden.

Die Euphorie um die F-16 ist riesig: «Noch eine unmögliche Sache, die sich als vollkommen möglich entpuppt hat», jubelt Litauens Aussenminister Gabrielus Landsbergis. Dabei ist die Zahl der gelieferten Exemplare peinlich klein: Noch liegt sie im einstelligen Bereich.

Tropfen auf dem heissen Stein

Insgesamt haben Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Belgien 79 Jets versprochen, doch eigentlich bräuchte Kiew 130 Flugzeuge, um zu bestehen, sagen ukrainische Militärs. Und die Luftwaffe hat nicht nur zu wenige F-16: Sie sind operativ stark eingeschränkt, weil die Ukraine keine Tankflugzeuge hat.

Die F-16 verbraucht im Tiefflug deutlich mehr Kerosin als in grosser Höhe, wo die Luft dünner ist. Angesichts der Grösse des Landes könne die Jets kaum etwas ausrichten, wenn sie nicht aufsteigen. Das Problem: Je weiter oben sie sind, desto eher erfasst die russische Flugabwehr die Piloten. 

Das hat Folgen – etwa wenn es um das Abfangen russischer Su-35 geht, die mit ihren Gleitbomben den ukrainischen Bodentruppen das Leben schwer machen. Diese fliegen ihre Ziele ebenfalls hoch an, weil sie so ihre Gleitbomben früh ausklinken und das Schlachtfeld verlassen können.

Gleitbomben bekämpfen? Es ist kompliziert

Was eine ukrainische F-16 leisten muss, um eine solche Mission zu fliegen, beschreibt Royal-Navy-Veteran Jon Champs. Wenn sie von einem Flugplatz im Westen startet und auf 35'000 Fuss, also gut 10'000 Meter aufsteigt, hat sie demnach bereits die halbe Ukraine überflogen. Sie muss die Su-34 abfangen, die ihre Bombe 70 Kilometer vor der Front abwirft.

Wenn das F-16-Radar den Gegner erfassen kann, ist der ukrainische Jet nur noch 10 bis 30 Kilometer von der Front entfernt. In dieser Höhe und Entfernung können russische Boden-Luft-Raketen wie die S-400 den Jet erfassen und bekämpfen. Es muss also schnell gehen.

Apropos: Die Luft-Luft-Raketen vom Typ AMRAAM verschiesst die F-16 idealerweise bei einer Geschwindigkeit von Mach 1,3, schreibt Champs: Ihr Motor zündet und brennt sieben Sekunden, bevor das Geschoss mit Mach 4 auf die Su-34 zu, deren Überlebenschance demnach bei 50 zu 50 liegt.

Kerosinverbrauch als Achillesferse

Die F-16 muss anschliessend sofort abdrehen und schnell verschwinden: Die Kerosin-Reserve geht da bereits zuneige, weiss der britische Experte. Wahrscheinlich muss die F-16 an einem Behelfspunkt nachtanken, bevor sie zur Basis zurückkehren kann. Auch dann sind die Jets verwundbar.

Sprich: Das Problem mit den Gleitbomben werde die F-16 zunächst wohl nicht lösen können, schätzt der Brite die Lage ein. Problematisch ist die Überwachung durch russische Drohnen, die jeden Landeplatz melden. Der Jet werde vor allem bei der Jagd nach Marschflugkörpern helfen können, doch den Krieg vorerst nicht ändern.

Gleichzeitig schreibt Champs: «Die F-16 ist mit einer äusserst komplizierten Umgebung konfrontiert und ist bei Weitem nicht das beste Flugzeug, um damit umzugehen. Dies im Hinterkopf solle man aber nie den Enthusiasmus und den Erfindergeist der Ukrainer unterschätzen. Ich bin mir sicher, dass sie uns überraschen werden.»


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