«Grosser Schritt» Nach den Panzern nun Jets? Kiews Kampf um die F-16

Von Philipp Dahm

26.1.2023

Ukraine: Auch Niederlande wollen Patriot-System liefern

Ukraine: Auch Niederlande wollen Patriot-System liefern

Nach den USA und Deutschland erwägen auch die Niederlande, der Ukraine ein Patriot-Luftabwehrsystem zur Verfügung zu stellen. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte verwies dazu in Washington auf den russischen Luftangriff auf ein Wohnhaus

18.01.2023

Die Ukraine muss ihre Luftwaffe modernisieren – und hat die F-16 im Visier. Während Kiew behauptet, die Ausbildung ihrer Piloten auf dem Jet habe schon begonnen, gibt sich der Westen merkwürdig ahnungslos.

Von Philipp Dahm

Erst hat das Repräsentantenhaus Mitte Juli 100 Millionen Dollar bereitgestellt, um Ukrainer in den USA auf amerikanische Kampfflugzeuge umzuschulen. Dann lassen die Niederlande durchblicken, F-16-Jets abgeben zu wollen: Kiews Piloten müssten also bald direkt durchstarten können.

Start einer niederländischen F-16 auf dem Fliegerhorst in Volkel im Januar 2019.
Start einer niederländischen F-16 auf dem Fliegerhorst in Volkel im Januar 2019.
EPA

Doch so einfach ist es nicht. Zum einen rudert Premier Mark Rutte nach seinem F-16-Vorstoss nun zurück: «Das ist ein sehr grosser Schritt, grösser als die Lieferung von Panzern», begründet das der 55-Jährige in «De Volkskrant». Ein Export sei derzeit kein Thema, und Kiew habe auch gar nicht nach den Jets gefragt.

Das wäre überraschend. Die Ukraine bittet seit Beginn des Krieges um Kampfflugzeuge – und dezidiert auch um die F-16. Doch selbst wenn der Jet zur Verfügung stünde, fehlten die Piloten: Das US-Trainingsprogramm ist erst im Dezember durch Joe Bidens Unterschrift Gesetz geworden – und seither ist es still um das Thema.

Es ist noch nicht einmal klar, wie lange so eine Schulung dauern würde: Im März ist sehr optimistisch von «nur zwei bis drei Wochen» die Rede. Das tönt im Juli beim Sprecher der Luftwaffe schon anders. «Es dauert wenige Wochen, das Starten, Landen und Fliegen von A nach B zu lernen», sagt Yurii Ihnat. «Aber es dauert sechs Monate, um zu lernen, wie man kämpft und wie man die Raketen benutzt.»

Was braucht die ukrainische Luftwaffe?

Laut Ihnat geht die Luftwaffe davon aus, dass zwei Geschwader mit je 12 F-16-Jets plus einigen Reserve-Flugzeugen bereits ausreichen würden, um einen Unterschied zu machen. Es stünden mindestens 30 Piloten bereit, die Englisch sprechen und zusammen mit der Wartungsmannschaft mit dem US-Training beginnen könnten, versichert der Sprecher im letzten Sommer.

Doch die Soldaten und Mechaniker bleiben in der Ukraine. Ende Oktober teilt Kiew erneut mit, es könne losgehen. «Der Kommandeur der Luftwaffe hat eine Gruppe ausgewählt, zu der Dutzende Piloten gehören, die morgen mit der Schulung beginnen könnten», so Ihnat. «Diese Flieger sind jung, vielversprechend, sprechen Englisch und haben Kampferfahrung.»

Doch angeblich hat es vor Kurzem dann doch noch mit dem Abflug der Ukrainer geklappt: «Unsere Piloten sind in die USA gereist und Mittel für das Training wurden bereitgestellt», verkündet Ihnat am 24. Januar auf einem Portal des Verteidigungsministeriums. «Der Flugzeugtyp, der voraussichtlich geliefert wird, und die entsprechenden Pläne für die Ausbildung wurden bereits festgelegt.»

«Wir sind nicht in der Lage, unseren Leuten zu helfen»

Merkwürdig ist, dass der Pentagon-Sprecher das Ganze dementiert: Er wisse nichts davon, dass ukrainische Piloten in den USA ausgebildet würden, sagt Patrick Ryder auf Nachfrage von «The Drive». «Und ich wiederhole: Ich habe auch nichts in Sachen Flugzeuge anzukündigen.»

Der ukrainische Aussenminister macht nun die Verwirrung komplett: Auf Facebook berichtet Dmytro Kuleba von einem Gespräch mit einem «europäischen Kollegen», der ihn gefragt habe, ob er nun F-16 haben wollte. Der wisse nun, was zu tun sei. Weil die USA so eine Weitergabe genehmigen müssten, müsste Washington darüber im Bilde sein.

Das Durcheinander könnte Kalkül sein: Die Ukraine und der Westen wären gut beraten, die Details in Sachen F-16 unter Russlands Radar zu halten. Dabei ist der Bedarf nach neuer Luftunterstützung in der Ukraine gross: «Wir sind nicht in der Lage, unseren Leuten zu helfen», klagt Mig-29-Pilot Juice bei «The Drive» mit Blick auf die fehlende Lufthoheit und den Schutz der Bodentruppen.

Zum US-Jet sagt er: «Es ist wie Lego!» Viele Teile seien austauschbar und das Flugzeug für verschiedenste Aufgaben geeignet. «Die F-16 könnte die realistischste Wahl für die Ukraine sein, was Fähigkeiten, Verfügbarkeit, Befahrbarkeit und – am wichtigsten – Nachhaltigkeit angeht.»