Überraschende WendeDarum ist die Ukraine in Charkiw jetzt plötzlich in der Offensive
Philipp Dahm
4.6.2024
Stellungskrieg gestern und heute: Darum geht ohne Schützengraben auch im Ukrainekrieg nichts
Schon das Wort «Schützengraben» klingt irgendwie antiquiert. Umso erstaunlicher ist, dass er auch im Ukraine-Krieg überlebenswichtig ist. Warum das so ist, erklärt Armee-Stabsadjutant Heinrich Rhyner im Video.
27.05.2024
Moskaus Offensive in Charkiw ist nicht nur gestoppt: Der Gegner geht nun auch noch zum Gegenangriff über. Flankiert wird das Ganze von Angriffen auf den russischen Nachschub – neuerdings auch hinter der Grenze.
Philipp Dahm
04.06.2024, 04:42
04.06.2024, 06:23
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Die russische Armee hat in Charkiw ihr Minimalziel verfehlt, einen 20 Kilometer breiten Korridor zu schaffen, um Artillerie-Attacken auf Belgorod zu verhindern.
Moskaus Vorstoss ist unter anderem in Woltschansk zum Erliegen gekommen: Lies nach, wie sich die Russen hier selbst ein Bein gestellt haben.
Darum konnten Kiews Kräfte die Attacke nicht nur aufhalten, sondern sogar zum Gegenangriff übergehen.
In den russischen Regionen Kursk und Belgorod nehmen die ukrainischen Streitkräfte den gegnerischen Nachschub ins Visier.
Die grosse russische Offensive im ukrainischen Charkiw Oblast ist nicht nur zum Erliegen gekommen – der Gegner ist sogar zum Gegenangriff übergegangen. Aber der Reihe nach: Was will Moskau mit dem Vorstoss überhaupt erreichen?
Battles are ongoing in the areas of Starytsya and Tykhe. Russian terrorists are bombing Vovchans'k intensively.
Source: General Staff of the Armed Forces of Ukraine operational information as of 22:30 on 23 May 2024 regarding the Russian invasion
Laut Reporting from Ukraine lautet ein Minimalziel des Kreml, hinter der Grenze 20 Kilometer weit vorzurücken. Der Grund: So soll ukrainische Rohr-Artillerie daran gehindert werden, Belgorod unter Beschuss zu nehmen, das nur 30 Kilometer von der Grenze entfernt liegt.
Allerdings hat die russische Armee zu wenig Personal aufgefahren, um substanziell vorzurücken: 14'000 Soldaten stehen angeblich 38'000 Ukrainer*innen gegenüber. Es ist also kein Wunder, dass sich Moskaus Kräfte in der Kleinstadt Woltschansk festfahren.
Es gelingt den Russen nicht, Kiews Kräfte aus dem Zentrum von Woltschansk zu vertreiben, wo diese sich in Hochhäusern verschanzt haben. Dieses Quartier ist durch die Wowtscha, einen Nebenfluss des Siwerskyj Donez, vom Rest der Stadt abgetrennt.
Ukraine Fighters of the 82nd Air Assault brigade fighting the Orcs in Vovchansk.
Kampf um Woltschansk: Kein Durchkommen an den Flanken
Russland reagiert mit einem schweren Bombardement von Woltschansk durch Flugzeuge, Mörser und die thermobarische Artillerie TOS-1A. Auch die Brücken innerhalb der Kleinstadt wurden getroffen, doch Satellitenbilder zeigen, dass Infanterie und leichte Fahrzeuge den Fluss immer noch überqueren und die eigenen Leute versorgen können.
Moskaus Versuch, Woltschansk an der östlichen Flanke zu umgehen, scheitert, weil der Gegner die Brücken in diesem Bereich zerstört hat. Zudem liegt die eigene Verteidigungslinie unmittelbar an der Wowtscha, was eine Überquerung verunmöglicht.
Deshalb sammelt die russische Armee im Westen von Woltschansk seine Truppen in dem Ort Buhruvatka, um von dort nach Osten über den Siwerskyj Donez in den Rücken von Woltschansk vorzustossen.
Putins Eigengoal an der Charkiw-Front
Doch ein Blick auf die topografische Karte zeigt: Selbst wenn die russische Armee den Fluss überwinden sollte, läuft sie Gefahr, aus höher liegendem Gebiet im Süden in der Flanke angegriffen zu werden. Auf der anderen Flussseite würden die Verteidiger in einem Waldstück den Feind erwarten.
Zwei Entwicklungen sind bis hierhin bemerkenswert: Überraschend ist einerseits, dass Moskau offenbar gar nicht plant, tief in den Oblast Charkiw vorzudringen. Zumindest impliziert das ein Video, das zeigt, wie relativ kurz hinter der Grenze russische Baufahrzeuge daran arbeiten, neue Verteidigungslinien auszuheben.
Zum anderen scheint der Kreml ein Eigengoal geschossen zu haben, als auf breiter Front die Brücken in dem Gebiet zerstört worden sind. Ziel war ursprünglich, den Nachschub der ukrainischen Armee zu torpedieren, doch während der Gegner sich mit Ponton-Brücken behelfen kann, kommen die russischen Einheiten nun nicht mehr weiter.
🚨🚨The initial footage depicts the impact on the Volchya River bridge near Zybino village in the Kharkiv region, while the subsequent video captures the destruction of the Siverskyi Donets River bridge by a russian accurate missile strike. pic.twitter.com/C4E6mTzR0F
— GlobalInsightsHub (@GlobalTrends88) May 11, 2024
Einrichtung von Brückenkopf scheitert
Die Zerstörung der Brücken rächt sich nun. Die russische Armee versucht laut Reporting from Ukraine im Nordwesten von Woltschansk die Wowtscha zu überqueren, um einen Brückenkopf auf der andern Flussseite einzurichten, von dem aus weiter vorgestossen werden kann.
Doch wegen der fehlenden Brücken bleibt es bei einem Versuch, allein mit Infanterie vorzurücken: Moskau fährt hier schwere Verluste ein, nachdem der Kreml allein im Mai 38'940 verletzte oder gefallene Soldaten zu beklagen hatte.
Die Idee ist, die Wowtscha da zu überqueren, wo die russische Armee am weitesten an den Fluss vorgedrungen ist. Am anderen Ufer ist aber ein Industriegebiet mit einer grossen Fabrik, die leicht zu verteidigen ist.
Krieg in der Ukraine
Seit Ende Februar 2022 tobt in der Ukraine nach der Invasion russischer Truppen ein erbitterter Krieg. blue News informiert dich im Ukraine-Ticker zu den aktuellen Entwicklungen rund um den Konflikt.
Kiew dreht den Spiess um
Hinzu kommt, dass sich die ukrainischen Soldaten in Woltschansk in Häusern und Kellern verschanzt haben: So haben sie keine Mühe, Gegenwehr zu leisten.
Die hohen russischen Verluste haben die ukrainische Armee nun zu einem Konter animiert: «Die Ukrainer haben ihre Gegenoffensive in der Region Charkiw gestartet», zitiert «Bild» einen russischen Militär-Blogger. «Ihr Ziel ist es, unsere Truppen über die Grenze zurückzutreiben. Sie greifen Wowtschansk und Lypzi an.»
Laut Blogger Alex Parker handelt es sich um eine «vollwertige Offensive, keine Verteidigung, um Positionen zu halten». Ein anderer russischer Blogger schreibt demnach: «Der Feind führt eine grosse Anzahl von Gegenangriffen in kleinen Gruppen an verschiedenen Zugängen zum Zentrum durch.»
— #War_in_Ukraine #Facts #Opinions #Trends #Kharkiv (@HarZizn) June 3, 2024
Nachschub in Russland unter Beschuss
Flankiert werden die Kämpfe von Woltschansk durch ukrainische Angriffe auf den russischen Nachschub – die nun auch hinter der Grenze zu Russland stattfinden.
So wird nahe Sverdikovo und Lebedevka rund drei Kilometer hinter der Grenze ein Konvoi mit 14 Lastwagen voll Drohnen und Artillerie attackiert. Offenbar sind dabei um die zehn Fahrzeuge getroffen worden.
In the morning, the occupiers shelled Balakliya in Kharkiv region.
“There were 12 people in two houses, including 8 children aged 2 to 17. All of them were hospitalized” pic.twitter.com/NTfsgLJywk
Der amerikanische Autor und Politik-Experte Peter Zeihan hat gar die «grösste Veränderung im Machtgefüge der Ukraine» ausgemacht, weil Kiew das Nachschub-Zentrum Belgorod attackiert hat. Zuvor hatte Moskau darauf gezählt, dass westliche Waffen dort nicht eingesetzt würden.
US 🇺🇸 WEAPONS BEING USED IN RUSSIA
“The Ukrainian Armed Forces hit the air defense system with HIMARS 🇺🇸 in the Belgorod region, Russia.
Some of the S-300/400 system were destroyed.”
👉 Ukraine will now be able to strike enemy invaders before they coalesce at the border. pic.twitter.com/DC3aQXrPAh
«Welle um Welle» von Raketen- und Artillerie-Angriffen seien von Belgorod ausgegangen, erklärt Zeihan. «Sie haben zweifelsfrei viele Leute getötet.» Nun könne Kiew in der Region «alles ins Visier nehmen, das irgendeine militärische Bedeutung» habe.
Ukraine using it's new ability to strike Russian territory with spectacular effect, taking out more of Russia's pricey and increasingly rare S-300/S-400 anti-aircraft batteries around Belgorod.
Das beinhalte auch Flugabwehr, Treibstoff-Lager oder Munitionsdepots. Zeihan rechnet nach den ersten ukrainischen Angriffen auf das russische Hinterland mit einer baldigen gross angelegten Offensive Kiews.
In Angelleine verwickelt // Buckelwal 48 Stunden in Angelleine gefangen
Dieser Buckelwal befindet sich in einer misslichen Lage: Eine Angelleine wickelte sich um seine Flosse und ging durch sein Maul und um seinen ganzen Körper herum. Ob der Wal befreit werden kann, siehst du im Video.