Lagebild Ukraine Wo die Front jetzt noch in Bewegung ist

Philipp Dahm

21.6.2024

Nach Schweizer Gipfel: Ukrainischen Soldaten hoffen auf «gesunden Menschenverstand» und mehr Waffen

Nach Schweizer Gipfel: Ukrainischen Soldaten hoffen auf «gesunden Menschenverstand» und mehr Waffen

Besuch bei ukrainischen Soldaten im Osten des Landes, an einem aus Sicherheitsgründen nicht näher benannten Ort. Die Männer der 33. selbstständigen mechanisierten Panzerbrigade hoffen nach der Konferenz internationaler Staats- und Regierungschefs in der Schweiz auf die Lieferung weiterer Waffen an das von Russland überfallene Land.

20.06.2024

Der russische Grossangriff in Charkiw ist nicht nur zum Erliegen gekommen: Nun macht der Gegner dort Druck. Derzeit kommen die Kräfte des Kreml nur noch in Teilen von Donezk voran.

Philipp Dahm

21.6.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • blue News fährt die Front virtuell ab: Im Süden gibt es kaum Veränderungen.
  • Moskau beisst sich an Wuhledar weiter die Zähne aus.
  • Westlich von Awdijwka kann Russlands Armee etwas bewegen.
  • Charkiw: Kiew schlägt zurück.

Wie sieht das Lagebild des Ukraine-Krieges aktuell aus? Wir fahren die Front von Süden nach Norden ab.

Kaum Bewegung im Süden 

Im Oblast Cherson und in Saporischschja gibt es drei Brennpunkte: Zum einen den ukrainischen Brückenkopf am linken, östlichen Ufer des Dnipro und zum anderen die Dörfer Robotyne sowie Urozhaine.

Es gelingt der russischen Armee weiterhin nicht, den Gegner bei Krynky und Oleschky von der östlichen Flussseite zu vertreiben. Die ukrainischen Streitkräfte haben bei Drohnen die Überhand, während Artillerie und Panzer von der anderen Uferseite Schützenhilfe geben.

Die Front bei Robotyne am 1. Juni (oben) und am 19. Juni (unten).
Die Front bei Robotyne am 1. Juni (oben) und am 19. Juni (unten).
Bild: DeepStateMap/phi

Um zu zeigen, wie wenig sich die Front bei Robotyne bewegt, reicht ein Bild wie das oben stehende: Zwischen dem 1. und dem 19. Juni ist die russische Armee kaum vorangekommen.

Ähnlich marginal sind die Änderungen bei Urozhaine, das rund 80 Kilometer nordöstlich von Robotyne und eigentlich schon im Oblast Donezk liegt.

Moskau beisst sich an Wuhledar weiter die Zähne aus

Wer von Urozhaine aus 30 Kilometer nach Osten fährt, kommt in Wuhledar an: Die Bergarbeiterstadt widersteht seit Monaten wiederholten russischen Angriffen. Das verminte, offene Gelände in der Gegend lädt die ukrainischen Streitkräfte ein, Jagd auf mechanisierte russische Einheiten zu machen, die hier immer wieder in den Tod fahren.

Weil die Frontalangriffe auf Wuhledar von Süden ausser schweren Verlusten keine Ergebnisse liefern, versucht die russische Armee, von Osten her ins Hinterland vorzudringen: Sollten Putins Soldaten Konstyantynivka erobern, unterbrechen sie die Versorgung via die Strasse 00532, über die Nachschub nach Wuhledar rollt.

Nimmt die russische Armee Konstyantynivka (B) ein, stört sie den Nachschubweg (rote Linie) nach Wuhledar (A). Westlich von Konstyantynivka erschweren Ortschaften (blau eingekreist) weitere russische Vorstösse nach Westen.
Nimmt die russische Armee Konstyantynivka (B) ein, stört sie den Nachschubweg (rote Linie) nach Wuhledar (A). Westlich von Konstyantynivka erschweren Ortschaften (blau eingekreist) weitere russische Vorstösse nach Westen.
Bild: DeepStateMap/phi

Dieser Vorstoss nach Westen kommt aber nur langsam voran. Und die russische Armee zahlt einen hohen Blutzoll in jeder Siedlung: Ein weiterer Vorstoss scheint wegen der vielen bewehrten Ortschaften hinter Konstyantynivka wenig wahrscheinlich.

Donezk: Westlich von Awdijwka kann Moskau was bewegen

Wenn die russische Armee im Juni irgendwo sichtbare Erfolge vermelden kann, dann im Gebiet von Awdijwka, …

Die Gegend um Awdijwka (Bildmitte) am 1. Juni.
Die Gegend um Awdijwka (Bildmitte) am 1. Juni.
Screenshot: DeepStateMap

... wo Putins Kräfte nach Westen hin Boden gutmachen.

Die Gegend um Awdijwka am 19. Juni.
Die Gegend um Awdijwka am 19. Juni.
Screenshot: DeepStateMap

Der nächste Brennpunkt im Oblast Donezk ist Tschassiw Jar, das dem von Bachmut her vorrückenden Gegner weiter Paroli bietet. Die Stadt liegt erhöht hinter einem Kanal, den die Russen immer wieder nördlich und südlich zu queren versuchen, aber regelmässig damit scheitern.

Charkiw: Kiew schlägt zurück

Nördlich von Bachmut im Oblast Luhansk hat es keine grösseren Veränderungen im Frontverlauf gegeben – abgesehen von einem Waldstück südlich von Kreminna, das ukrainische Streitkräfte befreien konnten. Die russischen Truppen aus diesem Gebiet sind alle für den Grossangriff auf Charkiw abgezogen worden.

Lage des abgeschnittenen Industriegebietes in Wotschansk, in dem viele Russen eingeschlossen sein sollen.
Lage des abgeschnittenen Industriegebietes in Wotschansk, in dem viele Russen eingeschlossen sein sollen.
YouTube/Reporting from Ukraine

Dieser wiederum hat nicht nur an Dampf verloren: Die russische Armee gerät hier sogar ins Hintertreffen. Der Kampf um Wowtschansk kurz vor der Grenze zu Russland hält an: Dort sind mehrere hundert russische Soldaten in einem Industriequartier eingeschlossen, berichtet Reporting from Ukraine: Selbst ihre Versorgung über Drohnen funktioniert nicht mehr.

Ukrainische Soldaten schicken sich an, in Wowtschansk eine Bresche zu schlagen und weitere Russen einzukesseln.
Ukrainische Soldaten schicken sich an, in Wowtschansk eine Bresche zu schlagen und weitere Russen einzukesseln.
Bild: YouTube/Reporting from Ukraine

Truppen, die die Russen in der Nähe des Industriequartiers gesammelt haben, um die Kameraden zu befreien, laufen nun selbst Gefahr, ebenfalls eingekesselt zu werden, weil der Gegner in den Gegenangriff übergegangen ist. Beide Seiten versuchen, der Lage durch den Einsatz von Drohnen und Artillerie Herr zu werden.

Von Lizy aus greifen mechanisierte ukrainische Einheiten mit Luftunterstützung gegnerische Infanterie in Hylboke an.
Von Lizy aus greifen mechanisierte ukrainische Einheiten mit Luftunterstützung gegnerische Infanterie in Hylboke an.
YouTube/Reporting from Ukraine

Auch der zweite russische Angriffsvektor in Charkiw vor dem ukrainischen Dorf Lipzy wird zur Todesfalle. Die russische Infanterie sammelt sich im nahe gelegenen Dorf Hylboke, wo Kiews Militärs mit mechanisierten Einheiten, aber auch Helikoptern und Jets den Gegner attackieren. Das führt zu angeblich sehr hohen Verlusten.

«Sie machen uns einfach nieder», wird ein russischer Soldat zitiert, dessen Einheit zur Hälfte dezimiert worden sein soll. «Wir werden unter Maschinengewehr-Feuer und während Tageslicht unter Drohnen herausgeschickt – wie Fleisch. Und die Kommandeure rufen bloss: ‹Vorwärts, vorwärts!›»


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