Kolumne Kampfzone Trottoir – immer alles auf Kosten der Fussgänger 

Von Marianne Siegenthaler

27.1.2020

Velo versus Fussgänger: Das Trottoir, die neue Kampfzone?
Velo versus Fussgänger: Das Trottoir, die neue Kampfzone?
Bild: Keystone

In Zukunft sollen Fussgängerinnen und Fussgänger das Trottoir ganz legal mit Velos teilen. Das passt der Kolumnistin überhaupt nicht. Und sie ist nicht die Einzige.

Es ist ja nicht so, dass wir Fussgängerinnen und Fussgänger das Trottoir ganz für uns alleine haben – auch wenn man damit ursprünglich den schwächsten Verkehrsteilnehmern eine Art geschützte Zone für ihre Fortbewegung schaffen wollte.

Der «Gehsteig» wird rege auch von Nicht-Fussgängern genutzt: wartende Mami-Taxis, Dauer-Baustellen, eiligen Päcklikuriere, ignorante Falschparkierer, Mobiliar von Strassencafés, Trottinett- und Skateboard-Fahrern und so weiter. Vor allem aber teilen wir unser Trottoir mit Velofahrern.

Wobei «teilen» wohl nicht das richtige Wort ist, vielmehr werden wir von Velos und E-Bikes an den Rand gedrängt. Und statt dass dem Treiben endlich einen Riegel geschoben wird, soll diese Unsitte auch noch legalisiert werden.

Velo versus Fussgänger

In den nächsten Wochen will der Bundesrat nämlich ein Massnahmenpaket verabschieden, das den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit verbessern soll. Unter anderem, indem Kinder bis zu 12 Jahren ganz legal auf dem Trottoir Velo fahren dürfen. Pro Velo findet das toll. Fussgängerinnen und Fussgänger weniger. Ihre Verkehrssicherheit wird dadurch nicht verbessert.

Im Gegenteil: Man stelle sich vor, eine Gruppe 12-Jähriger, die auf ihren E-Bikes zügig unterwegs ist, rammt einen Senior. Eine Frau mit Kinderwagen. Einen Menschen mit Handicap. Ein kleines Kind. Oder irgendwen. Der schwächere Verkehrsteilnehmer – und das ist in der Regel der Fussgänger – wird einen solchen Zusammenprall kaum unverletzt überstehen.



Aber auch für die velofahrenden Kinder ist das Trottoir nur scheinbar sicher. Denn es gibt jede Menge unübersichtliche Situationen, also Ausfahrten aus Garagenvorplätzen, Einmündungen aller Art, Parkplätze, Sichtbehinderungen beispielsweise durch Büsche und so weiter. Da ist die Gefahr einer Kollision mit einem anderen, stärkeren Verkehrsteilnehmer wie zum Beispiel einem Auto gross.

Das Trottoir soll nur den Fussgängern gehören

Als passionierte Fussgängerin passt mir die vom Bundesrat vorgesehene Massnahme überhaupt nicht. Ich bin gern zu Fuss unterwegs, denn solange ich mich auf dem Trottoir bewege, muss ich mich nicht so sehr auf den Verkehr konzentrieren, wie wenn ich mit dem Auto, Velo oder Motorrad unterwegs bin.

Auf dem Troittoir kann ich meinen Gedanken nachhängen, die Wolken beobachten, einen kleinen Schwatz mit einem Bekannten halten und dazu noch ganz nebenbei etwas für meine Fitness tun. Und für die Umwelt. Zu Fuss gehen ist die mit Abstand umweltverträglichste Art der Fortbewegung.

Wer läuft, macht keinen Lärm, stösst kein CO2 aus, braucht weder Strom noch Benzin und beansprucht zudem sehr wenig Platz. Gerade zu Zeiten der Klimakrise müssten wir Fussgängerinnen und Fussgänger sozusagen den roten Teppich ausgerollt bekommen. Man müsste gut zu uns schauen, damit wir nicht doch umsteigen aufs Auto oder auf den ÖV und damit für noch mehr Staus und Gedränge sorgen. In erster Linie müsste also dafür gesorgt werden, dass wir weiterhin sicher auf unserem anderthalb Meter breiten Asphaltstreifen unterwegs sein können.

Kurz: Das Trottoir gehört bis heute den Fussgängerinnen und Fussgängern – und das soll auch in Zukunft so bleiben.

Marianne Siegenthaler ist freie Journalistin und Buchautorin. Wenn sie grad mal nicht am Schreiben ist, verbringt sie ihre Zeit am liebsten im, am und auf dem Zürichsee.

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