KolumneEssen bei Freunden – aber meine Schuhe ziehe ich nicht aus
Marianne Siegenthaler
9.12.2018
Darf man seine Gäste auffordern, die Schuhe auszuziehen, bevor sie die Wohnung betreten? «Bluewin»-Kolumnistin Marianne Siegenthaler findet: Definitiv nicht.
Vor kurzem hat es mich mal wieder fadegrad erwischt. Schön angezogen, frisch gekämmt und gepudert und mit einer Flasche Wein als Mitbringsel freue ich mich auf einen gemütlichen Abend bei Freunden. Doch der Gastgeber lässt mich schon gar nicht erst herein – bevor ich nicht meine Schuhe ausgezogen habe. «Es macht dir doch nichts aus, oder?»
Doch, es macht mir etwas aus. Ich gehe nicht gerne in Strümpfen in fremden Wohnungen umher. Das mache ich nicht mal bei mir zuhause. Zu meinem Outfit gehören Schuhe dazu. Und die sind natürlich sauber. Ich komme ja nicht direkt aus dem Stall oder vom Acker.
Mir ist natürlich schon bewusst, dass an den Sohlen noch Reste von Strassendreck kleben. Und auch Bakterien. Viele Bakterien, wie Forscher herausgefunden haben. So viele wie auf den Griffen von Einkaufswägeli. Das ist eklig. Und die Keime können auch Infektionen auslösen.
Aber beim gesunden Menschen ist das eher selten der Fall. Sonst wären wir ja ständig krank. Nach dem Einkaufen. Nach einer Fahrt im ÖV. Oder nach dem Besuch einer öffentlichen Toilette. Trotzdem benutze ich natürlich den Fussabtreter, den der Gastgeber hoffentlich vor seiner Wohnungstür ausgerollt hat. Ausserdem nehme ich an, dass der Fussboden regelmässig geputzt wird. Gründlich geputzt. Vor allem, wenn kleine Kinder unter demselben Dach leben, die gerne auf dem Boden herumkriechen.
Potthässliche Gästefinken
Aber meine Schuhe behalte ich an. Auch wenn mir Gästefinken angeboten werden. GÄSTEFINKEN! Die sind nicht nur potthässlich. Die haben womöglich schon Dutzende von Gästen getragen. Leute, die vielleicht unter Fussschweiss leiden. Oder lange schon ihre Socken nicht mehr gewechselt haben. Oder was auch immer. Mich schaudert’s beim blossen Gedanken.
Und mal ehrlich: Ich sehe auch andere Menschen gern vollständig angezogen, also mit Schuhen. Und nicht in Strümpfen. Oder gar barfuss. Womöglich mit ungepflegten Fussnägeln. Oder in Gästefinken. Und ja, ich freue mich auch, wenn der Gastgeber ein bisschen aufs Äussere schaut, also seine Gäste nicht in Trainerhosen empfängt – es sei denn, wir schauen zusammen einen Fussballmatch im TV. Und eben auch nicht in hässlichen Adiletten. Oder Birkenstock-Sandalen. Sondern vielleicht in Sneakers oder Mokassins. Egal was, aber nicht in ausgelatschten Hausschuhen.
Wenn ich Besuch habe, bestehe ich darauf, dass alle die Schuhe anbehalten. Nicht nur, weil ich keine Bodenheizung habe. Nein, auch weil ich keine fremden Strümpfe sehen will. Und weil ich davon ausgehe, dass die Besucherinnen und Besucher in sauberen Schuhen unterwegs sind.
Wenn das mal nicht der Fall sein sollte, weil draussen dreckiger Schneematsch liegt, dann haben sie idealerweise ein paar Schuhe zum Wechseln dabei. Das gilt auch, wenn sie gerade aus dem Stall kommen. Oder vom Acker.
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