Sprach-Chrüsimüsi «Can you give me a Lumpe, there are Brösmeli ufem Bode»

Von Michelle de Oliveira

30.3.2024

«Can you give me a Lumpe, there are so many Brösmeli ufem Bode»: blue News-Kolumnistin Michelle de Oliveira schreibt über ihr familiäres Sprach-Chrüsimüsi.
«Can you give me a Lumpe, there are so many Brösmeli ufem Bode»: blue News-Kolumnistin Michelle de Oliveira schreibt über ihr familiäres Sprach-Chrüsimüsi.
Bild: Privat

Die Familie der Kolumnistin spricht zu Hause drei verschiedene Sprachen – und trotzdem verstehen sich meist alle. Und wenn doch nicht, hat das nichts mit der Sprache zu tun. Trotzdem bevorzugt sie eine Sprache klar.

Von Michelle de Oliveira

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Zu Hause bei blue News-Kolumnistin Michelle de Oliveira herrscht ein Sprach-Chrüsimüsi, denn ihr Mann ist Portugiese. Als sich das Paar kennenlernte, sprach es fast ausschliesslich Englisch zusammen. 
  • Als die zwei Eltern wurden, war klar, dass die Kinder zweisprachig aufwachsen würden – mit Portugiesisch und Schweizerdeutsch.
  • Mittlerweile wird in Familie de Oliveira so gesprochen, wie die Worte aus dem Mund purzeln.
  • So kann es passieren, dass die Kolumnistin zu ihrem Mann sagt: «Can you give me a Lumpe, there are so many Brösmeli ufem Bode.»

Bei uns Zuhause herrscht ein absolutes Sprach-Chrüsimüsi. Als mein Mann und ich uns kennenlernten, sprachen wir fast ausschliesslich Englisch miteinander.

Er ist Portugiese, ich Schweizerin.

Es erschien uns am einfachsten und fairsten so – vor allem, wenn es Diskussionen oder Streit gab.

Englisch als Geheimsprache hat ausgedient

Als wir Eltern wurden, war für uns klar, dass unsere Kinder zweisprachig aufwachsen würden, mit Portugiesisch und Schweizerdeutsch. Wir bedachten aber nicht, dass sie passiv auch Englisch lernen würden.

Das heisst, unsere einstige Geheimsprache Englisch hat längst ausgedient. Wenn wir unbemerkt über Schoggi und TV reden wollen, müssen wir die Worte buchstabieren.

Zur Person: Michelle de Oliveira

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogini, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren, aber auch aus ihrem ganz realen Leben mit all seinen Freuden und Herausforderungen. Sie lebt mit ihrer Familie in Portugal.

Mein Mann spricht mittlerweile ziemlich gut Schweizerdeutsch und ich ziemlich gut Portugiesisch und die Kinder beide Sprachen fliessend.

Also reden wir alle immer gerade so, wie es spontan aus dem Mund purzelt. Weil es am einfachsten ist, einfach jene Worte zu nehmen, die zuvorderst stehen.

Ich sage etwas zu meinem Mann: «Can you give me a Lumpe, there are so many Brösmeli ufem Bode.»

Oder frage die Kinder, bevor wir aus dem Haus gehen: «Muess no öpper Xixi (ausgesprochen «Schischi» für Pipi) mache?»

Alle kennen nur ein Wort für das «Unterliibli»

Meine Tochter sagt zu meinem Mann: «Eu também quero um Bananenbrot!»

Und mein Sohn zu mir: «Pelo menos häsch s Wasser nöd vergesse, easy!», wenn ich zwar sein Züniböxli liegen gelassen, aber immerhin an die Wasserflasche gedacht habe.

Mein Mann nutzt regelmässig den deutschen Ein-Wort-Satz: «Doch!» und den Ausruf «Ja, nei». Und alle kennen nur ein Wort für das «Unterliibli».

Mit diesem Kauderwelsch verstehen wir uns alle sehr gut. Und falls nicht, hat das weniger mit verschiedenen Erstsprachen, sondern viel mehr mit unterschiedlichen Meinungen und Ansichten zu tun.

Trotzdem hat mich die Vielsprachigkeit dazu gebracht, meine Erstsprache – also Deutsch – neu zu hören und zu schätzen. Und zwar, obwohl Deutsch so oft als harte und strenge Sprache abgetan wird.

Gerade im Gegensatz zum Portugiesischen, das meist als sinnlich, romantisch und poetisch bezeichnet wird. Allen voran das Wort «Saudades», das häufig erwähnt wird.

Im Deutschen gibt es viele Wörter mit Seele und Wärme

«Saudades» beschreibt die unübersetzbare Sehnsucht nach etwas oder jemandem, der fehlt, und die damit verbundene Melancholie und Liebe. Mir gefällt Portugiesisch auch sehr gut (etwa Pirilampo – das Glühwürmchen). 

Aber es gibt auch in der deutschen Sprache – und natürlich auch im Schweizerdeutschen – so viele schöne Wörter, mit so viel Tiefe, Seele und Wärme.

Wie das bereits erwähnte Chrüsimüsi, ohne dass ich einfach nicht sein möchte, egal in welcher Sprache ich spreche. Genauso wie Fingerspitzengefühl (gibt es eine sinnlichere Bezeichnung für Taktgefühl?); bummeln (das sagt so viel mehr als zielloses Spazieren, es ist ein Lebensgefühl!).

Firlefanz, Schnickschnack und Klimbim (bezeichnen zwar Unnötiges, die Worte an sich sind aber ganz und gar nicht unnötig!); Weltschmerz (für mich das deutsche Äquivalent zu «Saudades»); kennenlernen (lernen, jemanden zu kennen – wie schön!), Heimweh (so schön, dass ich schon darüber geschrieben habe); Zeitlupe (wenn man sich das vorstellt, mit einer Lupe die Zeit zu betrachten – das will ich sofort!); und farbenfroh (so viel aussagekräftiger als bunt!).

Und weil es so viele gibt, hier noch einige mehr: Kopfkino. Schmusen. Verduften. Schokoladenseite. Herzschmerz. Bauchgefühl. Kummerspeck. Luftschloss. Sandkastenliebe. Schadenfreude und Fremdschämen. Verschlimmbessern. Torschlusspanik und Schnapsidee.

Deutsch ist und bleibt aber meine Lieblingssprache

Natürlich hat jede Sprache ihren Reiz und mit nur vier Sprachen, die ich verstehe und teilweise spreche (wenn ich Französisch dazu zähle), erschliesst sich mir nur ein Bruchteil davon. Da fällt mir gerade la petite mort ein – im Französischen wird der Orgasmus als kleiner Tod bezeichnet.

Deutsch ist und bleibt aber meine Lieblingssprache.

Natürlich auch, weil sie mein Arbeitsinstrument ist, mein wichtigstes Werkzeug, um mein Innerstes auszudrücken. Aber – gerade weil ich sie nicht mehr ständig immer und überall höre – steht sie eben auch für zahllose Gefühle, für Erinnerungen und nicht zuletzt für ein Stück Heimat. Was ich übrigens auch ein sehr schönes deutsches Wort finde.


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