Camille Rast feiert in Flachau ihren zweiten Saisonsieg und führt neben dem Slalomweltcup auch das Klassement im Gesamtweltcup an. In Anbetracht auf ihren steinigen Weg kommt dies einem Wunder gleich.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Camille Rast bestätigt ihre Top-Form auch in Flachau. Die Walliserin gewinnt den Nachtslalom vor Teamkollegin Wendy Holdener.
- Die 25-Jährige hat in ihrer Karriere schon einige Rückschläge verkraften müssen. Einst sah Rast im Skirennfahren keinen Sinn mehr und wollte die Karriere beenden.
- Sie war nicht nur körperlich, sondern auch mental in eine veritable Krise geschlittert. Mit Kämpferherz hat Rast aber einen Weg heraus gefunden und ist nun in der Weltspitze angelangt.
Sie scheint selbst es nicht so recht zu glauben, was in diesem Winter abgeht. «Es ist unglaublich», sagt Camille Rast am Dienstagabend nach ihrem Sieg beim Nachtslalom in Flachau. Mit einem sackstarken Auftritt im 2. Lauf verbessert sich die Westschweizerin von Rang 7 auf Rang 1.
Rast bestätigt damit auch ihre hervorragenden Leistungen, die sie seit Beginn der Saison zeigt. In den bisherigen zehn Rennen in den technischen Disziplinen stand sie nur dreimal – jeweils im Riesenslalom – nicht in den Top 5. Der Sieg in Flachau ist ihr zweiter im Weltcup nach ihrer Premiere in Killington. Wiederum gewinnt Rast vor ihrer Landsfrau Wendy Holdener.
Der Walliserin läuft es wie geschmiert. Sie führt das Gesamtweltcup-Klassement mit 533 Punkten an. Und das ist alles andere als selbstverständlich. Denn die 25-Jährige hat in ihrer Karriere schon einige Rückschläge hinnehmen müssen.
Der steinige Weg
Sie, die einst so fulminant in den Weltcup gestartet war und als Teenager vor acht Jahren im Riesenslalom in Kronplatz im Südtirol, bei ihrem erst fünften Start auf höchster Ebene, mit Rang 9 geglänzt hatte, hat viel erdulden müssen, um nunmehr mit Leistungen aufzuwarten, die von ihr, der Hochtalentierten, schon früher erwartet worden waren – wenn denn der Weg an die Spitze nicht derart viele Hindernisse beinhaltet hätte.
Camille Rast war erst 18 Jahre alt, als ihr die Gesundheit ein erstes Mal einen dicken Strich durch die Rechnung machte. Das Pfeiffersche Drüsenfieber hielt sie nicht nur lange von den Rennpisten fern, es nagte auch an ihrer Psyche. Sie war in jener Phase nicht nur körperlich, sondern auch mental in eine veritable Krise geschlittert.
Die Depression sorgte dafür, dass sie die Freude an ihrem Tun als Spitzensportlerin verlor. Das seelische Loch war so tief, dass sie im Skirennenfahren keinen Sinn mehr sah. Ihre Eltern hatte sie gebeten, die Ski und sämtliches Material zu verkaufen.
2022 sprach Rast beim Magazin «Sportlerin» über die dunklen Zeiten. Es ging um existenzielle Fragen: «Warum lebe ich? Wofür lebe ich? Was soll ich auf dieser Welt eigentlich machen? Und: Braucht es mich überhaupt hier?»
Rast: «Ich fühlte mich nutzlos. Ich hatte keine Energie. Es war ein schrecklicher Zustand, den ich nicht mehr aushielt.» Rückblickend hielt Rast fest: «Man vergisst es ein Leben lang nicht, wenn man nicht mehr leben wollte.» Man lebe immer mit der Unsicherheit, ob diese dunklen Gedanken nicht wieder zurückkommen würden. Aber sie habe keine Angst mehr.
Die schwere Verletzung und der Weg zurück
Dann war da auch der Kreuzbandriss, den sie vor bald sechs Jahren am rechten Knie bei einem Sturz im ersten Lauf des Slaloms an den Schweizer Meisterschaften in Hoch-Ybrig erlitt. Die folgende Saison verpasste sie, die wegen des Drüsenfiebers schon einmal im Winter vorzeitig kapitulieren musste, wegen der schweren Verletzung vollends.
Doch das Talent wurde zur Kämpferin. Sie begann auf ihren Körper zu hören, sie alleine wusste, was für sie gut war – und bestimmte ihren Einsatzplatz entsprechend. Nach dem Kreuzbandriss etwa verlängerte sie die übliche Rekonvaleszenz um mehr als zwei Monate, weil sie sich zuvor noch nicht bereit gefühlt hatte, auf die Skipiste zurückzukehren.
Das neuerliche Umdenken
Der Aufstieg in den Kreis der Besten liess aber noch auf sich warten, bedingt auch durch einen auf die vorletzte Saison hin vollzogenen Ausrüsterwechsel. Weil die erhofften Ergebnisse ausblieben, kehrte Camille Rast nach einem Winter wieder von Salomon zu Head zurück.
Das neuerliche Umdenken sollte sich lohnen. Im vergangenen Winter näherte sich Camille Rast der Spitze immer mehr an, und in diesem Winter kam sie nun endgültig oben an. Die nächsten Vergleiche mit Mikaela Shiffrin und Petra Vlhova können kommen.
Suizid-Gedanken? Hier findest du Hilfe:
- Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da.
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefonnummer 143 oder www.143.ch
- Beratungstelefon Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefonnummer 147 oder www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
- Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben:
Refugium: Verein für Hinterbliebene nach Suizid
Nebelmeer: Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils