Während sich Novak Djokovic selber mit öffentlichen Auftritten zurückhält, sucht seine Familie das Rampenlicht. Das würde sie besser bleiben lassen.
Das Informationsbedürfnis rund um Novak Djokovic ist in diesen Tagen gross. Es geht längst nicht mehr nur darum, ob die Weltnummer 1 nächste Woche in Melbourne seinen 21. Grand-Slam-Titel in Angriff nimmt. Vielmehr geht es um Corona-Richtlinien und Impfdiskussionen. Es geht um Einreisebestimmungen und im weitesten Sinn um Freiheitsfragen, die längst das politische Parkett erreicht haben und jetzt mit Djokovic die perfekte Personifizierung gefunden haben.
Insofern wird jeder Informationshappen rund um die Causa Djokovic in Windeseile über den halben Planeten verbreitet. Umso mehr, weil Novak Djokovic sich selber mit Äusserungen zurückhält. Es scheint ganz so, als wolle der Serbe die ohnehin schon sehr emotional geführte Diskussion nicht weiter aufladen. Selbst über die Hintergründe seiner Sonderbewilligung schwieg er sich aus und rückte mit seinem positiven Covid-Test von Mitte Dezember erst im Rahmen der Gerichtsanhörung raus.
Zwei Pole
Der ganze Fall beinhaltet so schon gehörig Zündstoff. Sollte Djokovic nächste Woche tatsächlich auf dem Platz stehen, muss man mit gellenden Pfeifkonzerten und lauten Buh-Rufen einiger Fans rechnen. Diese versucht Novak Djokovic, soweit überhaupt noch möglich, einzudämmen, indem er sich mit öffentlichen Auftritten zurückhält.
Umso überraschender ist es, dass seine Familie das genaue Gegenteil macht. Schon letzte Woche äusserten sich Vater Srdjan, Mutter Dijana und Bruder Djordje in verschiedenen Medien zum Einreise-Fiasko in Melbourne. Dies, wie man es schon aus der Vergangenheit kennt, mit viel Heroismus und Nationalstolz. Der Vater scheut dabei auch keinen Vergleich zu Spartakus und der Bruder geht mit einem Jesus-Gleichnis gleich noch einen Schritt weiter.
Als wäre man in einer Kirche
Am Montagnachmittag nun entschied sich die Familie, eine Medienkonferenz in Belgrad zu geben, in welcher sie über den gerichtlichen Ausgang informieren wollte. Das Rednerpult liess dabei schon eine Vorahnung aufkommen, was einen erwarten würde. Der Tisch glich einem Altar, welcher mit Büsten von Novak und diversen Pokalen geschmückt war.
Stolz eröffnet Bruder Djordje die Konferenz mit den Worten: «Es ist ein Moment, den wir feiern können. Wir sind sehr froh, dass die Wahrheit ans Licht gekommen ist. Novak ist ein ausserordentlicher Mann. Danke an den Richter, dass er das neutral untersucht hat und eine faire, wenn auch nicht leichte Entscheidung getroffen hat. Die Gerechtigkeit hat gesiegt!»
Falsche Botschaft im falschen Moment?
Dass man den Sieg vor Gericht als engste Vertraute bejubelt, ist verständlich. Doch die anschliessenden Lobpreisungen auf Novak Djokovic finden kein Ende. Gleich mehrfach sprachen Vater und Bruder vom «besten Tennisspieler aller Zeiten». Sie beschreiben ihn als Messias, welcher erfolgreich gegen das System und die Regierung angekämpft hat, alles im Sinn der Freiheit und Gerechtigkeit. Gleichzeitig lehnt man sich auch noch gegen den gesamten Tennis-Zirkus auf, indem man diesem Chancenungleichheit unterstellt, nur weil Djokovic in einem ärmlichen Dorf aufgewachsen ist.
Wirklich informativ war die Konferenz nicht. Das ganze glich mehr einer kleinen Familienfeier, die dann auch abrupt beendet wurde, als die erste wirklich kritische Frage gestellt wurde. Eine Journalistin wollte genauer wissen, was Novak am Tag nach dem erhaltenen Testergebnis gemacht habe. Für Bruder Djordje ging das zu weit (s. Video am Anfang des Artikels).
Die Familie sieht sich selber als Sprachrohr von Djokovic, wie sie an der Medienkonferenz selber nochmal betonen. Die Wortwahl allerdings müsste Novak zumindest nachdenklich machen. Denn solche Auftritte rücken nicht nur seine Familie, sondern auch ihn immer wieder in ein fragwürdiges Licht. Dass man die Sympathien der Fans dann nicht zurückgewinnt, indem man in Paris ein Herz in den Sand zeichnet, wird ihm inzwischen bewusst sein. Vielmehr sollte die Weltnummer 1 seine Familie vielleicht mal zu etwas mehr Demut inspirieren.