Das grosse Hitze-ABC – Teil 1Schon mal überlegt, welche Art von Wetter-Jammeri du bist?
Von Gil Bieler
18.8.2023
An der Hitze kommt im Sommer niemand vorbei. Grund genug, nützliche und unnütze Fakten zur Hitze zusammenzutragen. Teil 1 zu Temperaturrekorden, Irrtümern und körperlichem Hitzestress – voilà.
Von Gil Bieler
18.08.2023, 19:53
13.08.2024, 15:24
Gil Bieler
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der Schweiz steht ein heisses Wochenende bevor. Der Bund warnt vor einer Hitzewelle mit Temperaturen von lokal bis zu 35 Grad.
Alles, was du zum Thema Sommer und Hitze wissen musst, erklärt dir blue News in einem zweiteiligen Hitze-ABC – mit Augenzwinkern.
Den zweiten Teil mit den Buchstaben N bis Z findest du hier.
Die höchste Temperatur wurde hierzulande im Hitzesommer 2003 erreicht: Damals wurden 41,5 Grad gemessen, und zwar an der Wetterstation in Grono in Südbünden.
B wie Berge
Abkühlung in den Bergen suchen? Generell immer eine gute Idee, wie Roger Perret, Meteorologe beim Wetterdienst Meteonews, zu blue News sagte. In der Höhe ist es meist ein paar Grad frischer als im Flachland.
Es gibt aber eine Einschränkung: «Die Sonneneinstrahlung ist um diese Jahreszeit natürlich sehr intensiv», sagte Perret. «Die Temperatur fühlt sich darum an der Sonne deutlich wärmer an.» (siehe auch >> Gefühlte Temperatur)
In der Schweiz wird die Temperatur in Grad Celsius gemessen. Logo, oder? Ist ja auf der ganzen Welt der Standard. Nur nicht in den USA: Dort gilt nach wie vor das Fahrenheit-System aus dem 18. Jahrhundert, von dem sich der Rest der Welt längst wieder verabschiedet hat.
Das Celsius-Messsystem hat einige Vorteile, denn der Gefrier- und Siedepunkt von Wasser sind so leicht zu merken: Bei null Grad gefriert es, bei 100 Grad kocht es.
In den USA dagegen gefriert Wasser bei 32 Grad und kocht bei 212 Grad. Kann man machen.
D wie Dom
Die Hitze, die die Schweiz dieser Tage erfasst, bringt auch den Begriff des «Hitzedom» mit sich. Was ist darunter zu verstehen? Vereinfacht gesagt bildet sich ein Hitzedom, wenn ein Hochdruckgebiet die Hitze wie ein Deckel in einer Region gefangen hält.
Hoher Druck drückt die Luftmasse grossräumig zu Boden, trocknet sie aus und erwärmt sie, heisst es bei Meteoschweiz, dem Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie. Gleichzeitig werde von Frankreich und Spanien her Warmluft aus der Sahara herangeführt. Das Hoch werde so zunehmend mit warmer und schliesslich heisser Luft gefüllt, und gleiche damit «immer mehr einer grossen Warmluft- oder Heissluftkuppel».
Wenn ein Hitzedom entstehe, führe das häufig zu einer markanten >> Hitzewelle. Aber das konntest du dir ja schon denken.
Wenn wirklich nichts mehr anderes nützt, dann bringt womöglich ein Eisbad die erhoffte Abkühlung. Aber der Preis dafür ist hoch, wie der Selbstversuch von blue News Redaktor Bruno Bötschi zeigt.
Bötschis Mutprobe: Er weint, aber zieht es eiskalt durch
Manche suchen beim Eisbaden den Nervenkitzel, andere erhoffen sich eine positiven Effekt auf die Gesundheit. blue News-Redaktor Bruno Bötschi hat es ausprobiert – und hat geweint vor Angst und gelacht vor Glück.
24.02.2022
F wie Fische
Nicht nur der Mensch, auch die Tiere leiden unter der Hitze. Fische sind dabei in einer besonders ungemütlichen Lage: Trocknen Bäche und Flüsse aus, können sie nicht fliehen. Im ebenfalls heissen Sommer 2022 mussten darum zum Beispiel im Zürcher Tösstal Fische umgesiedelt werden. Wie die Experten dabei vorgingen, siehst du in der Reportage unten.
Unterwegs mit der Hitze-Ambulanz für Fische
Hitze und austrocknende Gewässer machen den Tieren das Leben schwer. Die Fischereiaufsicht des Kantons Zürich muss ausrücken, um Forellen und andere Fische zu retten – regelmässig. Ein Augenschein im Tösstal.
19.07.2022
G wie gefühlte Temperatur
Oft stimmen die Temperatur, die das Thermometer anzeigt, und das eigene Körperempfinden nicht überein. Der Grund: Nicht jede und jeder empfindet Wärme oder Kälte gleich.
Die Meteorolog*innen kennen deshalb die gefühlte Temperatur: eine konstruierte Messgrösse, mit der versucht wird, «dieses Empfinden in einer Zahl wiederzugeben», wie es bei SRF-«Meteo» heisst.
Nebst dem Wind wirken sich auch Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Bewölkung, Aktivitätsgrad, Körpergrösse, Gewicht und Bekleidung auf die gefühlte Temperatur aus.
H wie Hitzetag
Ins Schwitzen kommst du natürlich auch bei 29 Grad. Von einem Hitzetag ist aber offiziell erst dann die Rede, wenn die Temperatur die Schwelle von 30 Grad übersteigt.
Möglichst kalte Getränke trinken, um sich rasch abzukühlen? Stimmt nicht, sagt Ernährungswissenschafterin Christine Brombach von der Hochschule ZHAW bei SRF: «Kalte Getränke kühlen zwar im ersten Moment, aber der Körper braucht dann wieder Energie, um die Flüssigkeit auf Körpertemperatur zu wärmen.» Der erhoffte Effekt verpufft also.
Auch der gut gemeinte Rat, auf Kaffee zu verzichten, da dieser dem Körper Wasser entziehe, stimme nicht: «Besser Kaffee trinken, als gar nichts trinken», so Brombach. Wichtig sei vor allem, dass die Getränke ungesüsst seien, weil der Körper sonst Wasser brauche, um den Zucker wieder auszuschütten.
Auf die Streitfrage, ob denn jetzt lange oder kurze Kleidung besser ist bei Hitze, gebe es dagegen keine eindeutige Antwort: Entscheidend sei vielmehr der Stoff. Geeignet seien hierbei Baumwolle, Seide und Leinen, aber auch ganz dünne Schafwolle. Diese Stoffe nehmen die Schweissflüssigkeit auf und geben sie schnell wieder an die Luft ab.
J wie Jammern
Jammern nützt nichts, das ist allen klar. Und dennoch stimmen wir gern ein Klagelied an, wenn es uns zu heiss ist.
Das Jammern gehört zum Menschsein dazu, erklärte der Psychologe Michael Thiel vor einigen Jahren der «Süddeutschen Zeitung». Und gerade beim Wetter sei es einfach zu verlockend, darauf zu verzichten: Es gebe schlicht keine Wetterlage, über die es sich nicht beschweren lasse.
Der Fachmann unterscheidet vier Typen von Wetter-Jammeris:
Da wären zum einen Entlastungs-Jammerer: «Die implodieren innerlich wegen der Hitze und müssen das mitteilen. Das ist dann ein seelischer Druckabbau.»
Ausserdem gebe es Solidaritäts-Jammerer, die einfach Freude daran hätten, wenn sie mit anderen «mal eine Runde losjammern können».
Aufmerksamkeits-Jammerer hingegen wollten einfach im Mittelpunkt stehen: «Das sind jene, bei denen alles noch viel schlimmer ist, und denen es noch schlechter geht als allen anderen.»
Und zu guter Letzt gebe es die Gewohnheits-Jammerer. «Die haben einen Jammer-Automatismus und echauffieren sich bei jeder Wetterlage – und auch eigentlich über alles andere.»
Ja, die Klimakrise beschert der Schweiz auch mehr Hitze. Daran besteht für die Wissenschaft kein Zweifel. Die Jahre 2013 bis 2022 waren bereits 2,5 Grad wärmer als der Durchschnitt der vorindustriellen Zeit (1871 bis 1900), hält Meteoschweiz fest. Jedes Jahrzehnt seit den 1960er-Jahren war wärmer als das davor. Und: «Die sieben wärmsten Jahre wurden zudem allesamt nach 2010 gemessen.» Die kältesten Jahre dagegen datieren allesamt auf die Zeit vor 1900.
Der 3. Juli 2023 war der weltweit heisseste je gemessene Tag, der Juli war ohnehin der heisseste Monat seit Messbeginn. Die Klimakrise ist real.
Und die Schweiz gehört zu jenen Ländern, die sich gemäss Prognosen auch noch überdurchschnittlich stark erwärmen. Nämlich mehr als doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt.
Hitze global: Die Erwärmung des Mittelmeers spüren wir bis in die Schweiz
Hitzerekord: In den Ozeanen wurde im April 2023 eine durchschnittliche Temperatur von 21,1 Grad gemessen – so warm war es noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen.
Bild: Keystone
Diese Unterwasser-Hitzewelle hat schädliche Auswirkungen auf die Fauna und Flora, erklärt der Klimaforscher Thomas Frölicher von der Uni Bern. Korallen bleichen aus ...
Bild: Keystone
... und die Bildung von Algenteppichen wird begünstigt, wie hier vor der Küste des norddeutschen Bundeslands Schleswig-Holstein.
Bild: DPA
Doch auch an Land gibt es spürbare Folgen: Die Hitzewelle, die im Juli die Temperaturen im Mittelmeerraum auf über 40 Grad hochtrieb, hänge mit der Unterwasser-Hitzewelle vom April zusammen, sagt Thomas Frölicher. Im Bild: Eine Frau schwitzt in Rom.
Bild: AP
Denn normalerweise habe das Meer einen kühlenden Effekt auf die Temperaturen an Land. Dieser fällt nun weg. Im Bild: Menschen kühlen sich in Rom ab.
Bild: AFP via Getty Images
In Spanien gilt im Juli verbreitet Hitze-Alarmstufe Rot: Ein Tourist kühlt sich in einem Brunnen auf der Plaza Virgen de los Reyes in Sevilla.
Bild: Eduardo Briones/DPA
40 Grad und mehr in Südosteuropa, das sei «das neue Normal», warnt der Chef der UNO-Meteorologieorganisation, Petteri Taalas. Im Bild: Touristenmassen beim Parthenon-Tempel auf der Akropolis in Athen.
Bild: Angelos Tzortzinis/dpa
Auch in der Schweiz bekommen wir die Klimaerhitzung im Mittelmeer zu spüren: In Form von vermehrten heftigen Niederschlägen, so der Klimaforscher Thomas Frölicher.
Bild: Keystone
Und: Auch Waldbrände werden nur noch zunehmen. Im Bild: Am 17. Juli bricht in Bitsch im Oberwallis ein Feuer aus.
Bild: Keystone
Für den Forscher ist klar: Auch mit Anstrengungen, die Klimaerhitzung einzudämmen, werden wir künftig im Sommer nur noch mehr schwitzen.
Bild: Wolfgang Kumm/dpa
Hitze global: Die Erwärmung des Mittelmeers spüren wir bis in die Schweiz
Hitzerekord: In den Ozeanen wurde im April 2023 eine durchschnittliche Temperatur von 21,1 Grad gemessen – so warm war es noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen.
Bild: Keystone
Diese Unterwasser-Hitzewelle hat schädliche Auswirkungen auf die Fauna und Flora, erklärt der Klimaforscher Thomas Frölicher von der Uni Bern. Korallen bleichen aus ...
Bild: Keystone
... und die Bildung von Algenteppichen wird begünstigt, wie hier vor der Küste des norddeutschen Bundeslands Schleswig-Holstein.
Bild: DPA
Doch auch an Land gibt es spürbare Folgen: Die Hitzewelle, die im Juli die Temperaturen im Mittelmeerraum auf über 40 Grad hochtrieb, hänge mit der Unterwasser-Hitzewelle vom April zusammen, sagt Thomas Frölicher. Im Bild: Eine Frau schwitzt in Rom.
Bild: AP
Denn normalerweise habe das Meer einen kühlenden Effekt auf die Temperaturen an Land. Dieser fällt nun weg. Im Bild: Menschen kühlen sich in Rom ab.
Bild: AFP via Getty Images
In Spanien gilt im Juli verbreitet Hitze-Alarmstufe Rot: Ein Tourist kühlt sich in einem Brunnen auf der Plaza Virgen de los Reyes in Sevilla.
Bild: Eduardo Briones/DPA
40 Grad und mehr in Südosteuropa, das sei «das neue Normal», warnt der Chef der UNO-Meteorologieorganisation, Petteri Taalas. Im Bild: Touristenmassen beim Parthenon-Tempel auf der Akropolis in Athen.
Bild: Angelos Tzortzinis/dpa
Auch in der Schweiz bekommen wir die Klimaerhitzung im Mittelmeer zu spüren: In Form von vermehrten heftigen Niederschlägen, so der Klimaforscher Thomas Frölicher.
Bild: Keystone
Und: Auch Waldbrände werden nur noch zunehmen. Im Bild: Am 17. Juli bricht in Bitsch im Oberwallis ein Feuer aus.
Bild: Keystone
Für den Forscher ist klar: Auch mit Anstrengungen, die Klimaerhitzung einzudämmen, werden wir künftig im Sommer nur noch mehr schwitzen.
Bild: Wolfgang Kumm/dpa
L wie Lethargie
Die Hitze erschlägt einen förmlich, das ist bekannt. Doch woher kommt diese Schlappheit eigentlich? Ganz einfach: Dein Körper leistet einen Extra-Effort, um dich abzukühlen. Und das laugt dann eben aus.
«Der Körper muss, besonders in der Sonne, hart arbeiten, um eine konstante, normale Innentemperatur aufrechtzuerhalten», erklärt der Mediziner Michele Casey bei «Scientific American».
Zum Beispiel erweitert der Körper bei Hitze die Blutgefässe, wodurch mehr Blut gleich unterhalb der Hautoberfläche fliessen kann. So könne warmes Blut sich abkühlen, erklärt Casey. Das erklärt übrigens auch, warum dein Gesicht sich rötet, wenn dir heiss ist.
Auch das Schwitzen beansprucht den Körper. Um all dies zu bewältigen, muss das Herz schneller schlagen und der Stoffwechsel wird angekurbelt. All das macht dich dann so richtig müde.
M wie Mittagshitze
Noch so ein >> Irrtum, der sich aber hartnäckig hält: Am Mittag sei die Hitze am grössten. Stimmt nicht, denn in unseren Breitengraden werden die höchsten Temperaturen im Sommer jeweils zwischen 16 und 18 Uhr erreicht, wie Meteoschweiz festhält.
Der Grund: Auch wenn die Sonneneinstrahlung am Mittag am stärksten ist, heizt die sinkende Sonne den ganzen Nachmittag über den Erdboden weiter auf, der wiederum die Luft aufheizt.
Erst gegen Abend hin ist dann jener Punkt erreicht, an dem die Einstrahlung kleiner ist als die Abstrahlung, und die Lufttemperatur beginnt sich abzukühlen. Fazit Meteoschweiz: «Man müsste hier also von der Abendhitze sprechen.»