Beben bei Volkswagen Autoriese wankt und will erstmals Werke in Deutschland schliessen

tafi / Agenturen

2.9.2024

VW-Sparkurs: Werksschliessungen und Entlassungen möglich

VW-Sparkurs: Werksschliessungen und Entlassungen möglich

Wolfsburg, 02.09.2024: Volkswagen schliesst im Rahmen des Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werkschliessungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger aus. Wie das Unternehmen nach einer Führungskräftetagung mitteilt, kündigt es zudem die bisher geltende Beschäftigungssicherung auf, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschloss. Aus Sicht des Vorstands müssen die Marken innerhalb der Volkswagen AG umfassend restrukturiert werden, heisst es. Auch Werkschliessungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten könnten in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden. Zudem reiche der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen nicht mehr aus, um die angepeilten Einsparziele zu erreichen.

02.09.2024

Der Volkswagen-Konzern verschärft seinen Sparkurs. Erstmals werden auch Werksschliessungen in Deutschland nicht mehr ausgeschlossen. Wie schlimm steht es um Europas grössten Autobauer?

tafi / Agenturen

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Situation bei Europas grösstem Autobauer Volkswagen spitzt sich zu.
  • Im Rahmen seines Sparprogramms schliesst die Kernmarke VW jetzt auch Werkschliessungen nicht mehr aus.
  • Die Gewerkschaft vermutet hinter den Massnahmen «kurzfristige Rendite-Rambos».

Die Ankündigung trifft Deutschland hart: Der Volkswagen-Konzern erwägt, erstmals Werke im Heimatland zu schliessen. Auch Entlassungen sind möglich. Dabei gilt zwischen Management und Gesamtbetriebsrat eigentlich noch bis 2029 eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung. Doch diese wurde nun von der Konzernführung aufgekündigt. Damit sind betriebsbedingte Kündigungen und eben auch Werksschliessungen in Deutschland kein Tabu mehr.

Grund für die harten Massnahmen: Die finanzielle Situation bei Europas grösstem Autobauer Volkswagen spitzt sich zu. Ein 2023 aufgelegtes Sparprogramm hat bislang nicht die erhofften Verbesserungen gebracht. Unter anderem sollen die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent sinken. Beim Personalabbau setzte VW bisher auf Altersteilzeit und Abfindungen, entsprechende Programme wurden im Frühjahr noch einmal Abfindungen für besonders lang gediente Mitarbeiter ausgeweitet.

Doch vom Ziel, das Ergebnis bis 2026 um zehn Milliarden Euro zu verbessern, ist der Konzern weit entfernt. Ein harter Schnitt sei unausweichlich, teilte das VW-Management nach einer Führungskräftetagung mit.

Arbeitnehmende kündigen erbitterte Gegenwehr an

Aus Sicht des Vorstands müssen die Kernmarken VW umfassend restrukturiert werden, hiess es. «Auch Werkschliessungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden.»

Gewerkschaft und Betriebsrat kündigten umgehend massiven Widerstand an. Die Pläne seien «ein Angriff auf unsere Beschäftigung, Standorte und Tarifverträge», erklärte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Dagegen werde man sich erbittert zur Wehr setzen. «Mit mir wird es keine VW-Standortschliessungen geben!»

Gewerkschafter wähle markige Worte: «Wir brauchen keine kurzfristigen Rendite-Rambos. Das Missmanagement der vergangenen Jahre darf nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen ausgetragen werden.»

Erste Werksschliessung nach 30 Jahren droht

Konkreten Zahlen, wie viele der rund 120’000 Stellen in Deutschland wegfallen könnte, nannte VW auf Nachfrage bisher nicht. Auch zu möglichen Standorten, die geschlossen werden könnten, gab es noch keine Angaben. Nach Angaben des Betriebsrats hält der Markenvorstand aber mindestens ein Fahrzeugwerk und eine Komponentenfabrik in Deutschland für entbehrlich.

Die letzte Schliessung eines Produktionsstandorts liegt bei VW mehr als 30 Jahre zurück: 1988 hatte VW seine Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen. Neben dem Stammwerk in Wolfsburg unterhält VW Fabriken an neun weiteren Standorten.

«Die europäische Automobilindustrie befindet sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage. Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nochmals verschärft», begründete Konzernchef Oliver Blume den harten Kurs. Die Kosten müssten stärker als bisher geplant sinken. «Der Gegenwind ist deutlich stärker geworden», sagte Markenchef Thomas Schäfer laut Mitteilung. «Wir müssen deshalb jetzt noch mal nachlegen und die Voraussetzungen schaffen, um langfristig erfolgreich zu sein.»

Trend verschlafen, Konkurrenz wächst

Volkswagen hat seit Jahren mit hohen Kosten zu kämpfen und liegt bei der Rendite weit hinter Konzernschwestern wie Skoda, Seat und Audi zurück. Ein weiteres Kernproblem ist der stockende Hochlauf der Elektromobilität. Volkswagen hat den Trend zu E-Autos verschlafen und hinkt bei der Entwicklungen neuer Technologien hinterher.

Dazu kommen sinkende Verkaufszahlen und neue Konkurrenz aus China, die der Branche in Deutschland insgesamt zu schaffen machen. Bei VW brach der Konzerngewinn nach Steuern im ersten Halbjahr um 14 Prozent ein, bei Mercedes-Benz sogar um fast 16 Prozent. BMW verdiente im zweiten Quartal acht Prozent weniger.

Dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei VW ihre Jobs behalten können, ist nach den angekündigten Sparmassnahmen mehr als fraglich.
Dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei VW ihre Jobs behalten können, ist nach den angekündigten Sparmassnahmen mehr als fraglich.
KEYSTONE/DPA/Julian Stratenschulte