Recycling-Revolution Wie eine Schweizer Fabrik Autobatterien neues Leben einhaucht

Jenny Keller

30.7.2024

Eine ausgediente Batterie eines Elektroautos wird recycelt. Hier bei VW in Salzgitter. (Archivbild)
Eine ausgediente Batterie eines Elektroautos wird recycelt. Hier bei VW in Salzgitter. (Archivbild)
Julian Stratenschulte/dpa

Im Oktober wird in Biberist SO eine Recyclingfabrik für E-Auto-Batterien eröffnet. Die Anlage ist ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Abfallwirtschaft und Ressourcenschonung.

Jenny Keller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • In Biberist SO werden E-Batterien entladen, demontiert und geschreddert. Die gewonnene Energie teilweise für den Eigenbedarf genutzt wird.
  • Jede Batterie wird separat gelagert, um das Ausbreiten von Bränden zu verhindern.
  • Ab Ende Oktober soll die Fabrik jährlich 12'000 Tonnen Batterien verwerten.

Wie das «Echo der Zeit» berichtet, steigt die Zahl der Elektroautos stetig an. Mit dieser wachsenden Flotte elektrischer Fahrzeuge stellt sich eine dringende Frage: Wohin mit den Batterien, wenn die Autos ausgedient haben?

Anstatt diese wertvollen Energieträger im Müll zu entsorgen oder ins Ausland zu exportieren, öffnet in Biberist SO diesen Herbst die erste grosse Recyclingfabrik für Autobatterien ihre Tore.

Die neue Fabrik steht auf historischem Boden: Bereits ab 1860 wurde auf dem Areal der heutigen Recyclingfabrik Papier produziert. Diese Ära endete 2011, als die «Papieri» den Betrieb einstellte und 550 Mitarbeitende ihre Jobs verloren. Bis heute stehen grosse Teile des riesigen Areals leer, doch neue Betreiber haben sich angesiedelt.

«Einen grossen Schritt weitergekommen als Menschheit»

Die Firma Librec hat zum Beispiel eine der Hallen übernommen. Librec steht für Lithium-Ionen-Batterie-Recycling und wird von Jodok Reinhardt geleitet.

Als Gründer und Geschäftsführer der Firma hat Reinhardt eine klare Vision: «Stellen Sie sich vor, wir können zukünftig vollständig elektrisch fahren mit dem Strom der Sonne und des Wassers. Gleichzeitig rezyklieren wir die Batterie fast zu 100 Prozent. Wenn wir diese beiden Ziele erreichen, dann sind wir einen grossen Schritt weitergekommen als Menschheit.»

Reinhardt sieht in der neuen Anlage die Möglichkeit, den Bedarf an Öl zu reduzieren, die Notwendigkeit von Bohrinseln im Meer zu verringern und den CO2-Ausstoss zu senken. Eine bessere Welt, zu der er mit seinem Unternehmen beitragen will.

Rezyklierung ab Oktober

Ab Oktober wird seine Firma Antriebsbatterien von Elektroautos rezyklieren. «Das Recycling der Lithium-Ionen-Antriebsbatterien für Elektromobilität ist so absolut gelöst. Wir sprechen von einer Rückgewinnungsrate von 97 Prozent. Wir haben hier in Biberist eine industrielle Anlage, die das Problem löst», erklärt Reinhardt.

Obwohl die neue Fabrik noch nicht vollständig fertiggestellt ist, soll der eigentliche Recyclingbetrieb im Herbst mit 14 Mitarbeitenden starten.

Und wie genau funktioniert dieses Recyclingverfahren?

Effiziente Recyclingprozesse

Nach der Anlieferung werden die 400 Kilo schweren Antriebsbatterien entladen: «Die Batterie wird geöffnet, an Entladetechnik angeschlossen und alle übrige Energie wird aus ihr ausgesaugt», erklärt Jodok Reinhardt.

Die verbleibende Energie wird für den Eigenbedarf der Fabrik genutzt. Ein Drittel des Strombedarfs soll so gedeckt werden, hofft Reinhardt. Anschliessend erfolgt die Demontage der Batterien, die je nach Hersteller unterschiedlich komplex ausfallen kann.

Librec will Batterien aller Hersteller recyceln, egal ob Tesla oder Renault, Volkswagen oder BYD aus China. Die Batterien werden zerkleinert und getrocknet, wobei aus dem entstehenden Pulver – der sogenannten Schwarzmasse – neue Batterien produziert werden können. «Diese Recyclinganlage ist das Ergebnis jahrelanger Forschung», erklärt Jodok Reinhardt.

Hohe Sicherheitsvorkehrungen

Angesichts der potenziellen Brandgefahr von E-Auto-Batterien legt die Fabrik grossen Wert auf Brandschutz. Jede Batterie wird in einen separaten Brandabschnitt platziert, um im Falle eines Brandes die Ausbreitung zu verhindern. «Das Lager ist das sicherste Batterielager der Welt», sagt Jodok Reinhardt.

Wirtschaftliche und ökologische Vorteile

Die Recyclingfabrik kann jährlich bis zu 12'000 Tonnen Autobatterien verarbeiten. Dies entspricht dem aktuellen Bedarf, doch mit dem prognostizierten Anstieg der Elektrofahrzeuge könnte eine Expansion notwendig werden. Aktuell ist der Anteil von Elektroautos im Vergleich zu Benzinern und Diesel nach wie vor klein.

Eine Batterie für ein Elektroauto ist eine komplexe Konstruktion. Sie besteht aus einer Vielzahl von Metallen. Durch das Recycling werden wertvolle Metalle wie Aluminium, Grafit, Nickel, Kupfer, Mangan, Kobalt und Lithium zurückgewonnen.

Kritiker*innen von Elektroautos verweisen darauf, dass für die Gewinnung dieser Metalle Landschaften zerstört werden und prekäre Arbeitsbedingungen herrschen, manchmal sogar mit Kinderarbeit. Durch Recycling wird nun weniger Rohstoffabbau nötig, was die damit verbundenen ökologischen und sozialen Probleme verringert.

Konkurrenzfähige Technologie

In ganz Europa werden derzeit neue Batterierecycling-Anlagen geplant, gebaut oder sind bereits in Betrieb. Dabei sind sowohl neu gegründete Unternehmen als auch Automobilhersteller an diesen Recyclingprojekten beteiligt.

Die Anlage in Biberist hebt sich durch ihre hohe Rückgewinnungsrate von 97 Prozent hervor, die sie auch im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig macht. «Damit lassen wir die internationale Konkurrenz hinter uns», sagt Jodok Reinhardt.

Fabrik trägt zum Umweltschutz bei

Sogar in der Schweiz gibt es bereits kleinere Recyclinganlagen, doch keine erreicht die Effizienz und Kapazität der neuen Fabrik von Librec.

Die Eröffnung der Recyclingfabrik markiert einen wichtigen Schritt im Umgang mit den Herausforderungen der Elektromobilität und für die nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Land.