Experten über die Folgen Übersteht die Wirtschaft das CS-Debakel wirklich unbeschadet?

Oliver Kohlmaier

21.3.2023

Die dramatische Rettungsaktion zieht ein nicht unerhebliches Risiko für den Schweizer Staatshaushalt nach sich. 
Die dramatische Rettungsaktion zieht ein nicht unerhebliches Risiko für den Schweizer Staatshaushalt nach sich. 
Michael Buholzer/KEYSTONE/dpa

Die erzwungene Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist schon jetzt historisch. Was das Debakel für die Schweizer Wirtschaft bedeuten könnte — und weitere Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Oliver Kohlmaier

Beobachter und Analysten aus aller Welt schreiben sich spätestens seit Sonntagabend die Finger wund. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz wird die Zwangsübernahme der CS durch die UBS wahlweise als Erdbeben, Katastrophe oder Schande bezeichnet — in den sozialen Medien ist das Schlagwort «Debit Suisse» schwer im Trend.

Das Debakel um die Schweizer Grossbank wird mit vielen guten Argumenten als historisch bezeichnet, allein aufgrund der Grössenordnung. Aber was bedeutet der Einschnitt für den Wirtschaftsstandort Schweiz? 

Der Bundesrat beeilte sich am Wochenende, den Deal als alternativlos zu bezeichnen. «Gravierende volkswirtschaftliche Verwerfungen wären sonst die Folge gewesen», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Sonntagabend.

Sind diese nun also nicht mehr zu befürchten? Und hat der Deal Auswirkungen auf den anstehenden Leitzins-Entscheid der SNB? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet die Fusion für den Schweizer Finanzplatz?

Während sich die Schweizerische Bankiervereinigung optimistisch zeigt, unken Beobachter aus aller Welt, dass der ‹Finanzplatz Schweiz› die Ereignisse zumindest kurz- und mittelfristig kaum unbeschadet überstehen wird. Dessen Ansehen hat nicht nur aufgrund der zahlreichen Skandale der CS zuvor schon gelitten.

Und dem Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann zufolge sind die goldenen Zeiten des eidgenössischen Finanzplatzes ohnehin vorbei, wie er dem «Tages-Anzeiger» (kostenpflichtiger Inhalt) sagte.

Unter anderem nach dem Wegfall des Bankgeheimnisses für internationale Kunden seien hiesige Banken voll dem Wettbewerb ausgesetzt, erklärt Straumann und fügt hinzu: «Die Schweizer Bankiers sind nicht besonders geeignet, im internationalen Investmentbanking zu bestehen.»

Welche Folgen drohen für die Schweizer Wirtschaft ingesamt?

Mit dem Deal zwischen Banken, Behörden und Bundesrat scheint die  Gefahr zumindest fürs Erste gebannt. «Wir erwarten derzeit keine starken konjunkturellen Effekte», schreibt Klaus Abberger vom Konjunkturforschungszentrum (KOF) der ETH Zürich auf Anfrage von blue News, fügt jedoch hinzu: «Dazu ist es aber wichtig, dass die Krise keine weiteren Kreise zieht und sich zu einer Finanzkrise auswächst.»

Derzeit wirkt sich das Debakel wohl vor allem psychologisch aus. Erinnerungen werden wach, als die Swissair-Jets nach dem Grounding weltweit am Boden standen. Gleichwohl gehörte die Airline nicht zu den Eckpfeilern der Schweizer Volkswirtschaft, nationales Symbol hin oder her. 

Das ist beim Finanzplatz etwas ganz anderes. Laut dem Basler Wirtschaftsforschungsinstut BAK Economics gab es 2021 «entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Versicherer und Banken» eine Bruttowertschöpfung von 66,7 Milliarden Franken und 230'600 Vollzeit-Stellen. Dies entspreche immerhin 5,5 Prozent aller Arbeitsplätze in der Schweiz. 

Zwar gehen Fachleute davon aus, dass das Personal bei alternativen Arbeitgebern im Finanzwesen oder auch in anderen Branchen tätig werden kann. Dennoch werden im Zuge der Fusion wohl vorerst Tausende ihren Job verlieren. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf Insider davon, dass 10'000 Arbeitsplätze bei der neuen Mega-Bank wegfallen könnten. Rund ein Drittel des weltweiten Personals, also etwa 40'000 Menschen, beschäftigen die beiden Banken in der Schweiz. Dass es nicht zu einem Stellenabbau kommt, glaubt in der Branche niemand.

Sollte sich die Krise verschlimmern, hätte jedoch nicht nur die Schweizer Wirtschaft ein grosses Problem. Darauf deutet auch der enorme Druck hin, der laut verschiedenen Medienberichten auf die Schweiz ausgeübt wurde. So berichtet die «Financial Times» (kostenpflichtiger Inhalt) unter Berufung auf einen UBS-Teilnehmer, vor allem die Amerikaner und Franzosen hätten «die Sch**sse aus den Schweizern getreten»

Was bedeutet die Fusion für den anstehenden Zinsentscheid?

Die Nationalbank hatte in den Wochen und Monaten vor der dramatischen Fusion viel zu tun. So verkaufte sie erstmals seit Längerem wieder im grösseren Stil Devisen, um den Franken zu stützen und damit die Inflation zu bekämpfen. Und am Donnerstag steht auch schon wieder der nächste Leitzins-Entscheid an. 

Die SNB steckt wie viele andere Notenbanken in einem Dilemma. Zur weiteren Inflationsbekämpfung müssten sie eigentlich die Zinsen erhöhen. Um das Bankensystem zu stabilisieren, wäre aber im Gegenteil eine Zinssenkung angebracht. Ein Hauptgrund für den Stress an den Finanzmärkten sind nämlich die zuletzt stark gestiegenen Zinsen.

Den wird das Banken-Beben nach Meinung der meisten Expert*innen nicht beeinflussen. Auch Abberger erwartet eine weitere Erhöhung: «Ich denke, die SNB wird sich in ihrer Zinsentscheidung durch die CS-Übernahme nicht von ihrem Kurs abbringen lassen.» Deshalb werde sie wohl die Zinsen anheben, möglicherweise sogar um 0,5 Prozentpunkte. Die Anhebungen würden sich wohl auch im weiteren Jahresverlauf fortsetzen, so der Konjunkturforscher.

Dass es auch anders kommen könnte, deutet etwa Daniel Lüchinger von der Graubündner Kantonalbank (GKB) an. So hätten die Ereignisse der letzten Wochen vor Augen geführt, dass die Leitzinserhöhungen der Notenbanken nicht spurlos an der Weltwirtschaft vorbeigehen werden. Nach und nach würden nun die Auswirkungen sichtbar. Es spreche daher einiges dafür, dass die Notenbanken aufgrund der jüngsten Ereignisse vorsichtiger werden, erklärt Lüchinger.

Werden die Karten im Schweizer Bankenmarkt jetzt neu gemischt?

Von den einst gleich fünf Schweizer Grossbanken ist nun nur noch eine übrig — die UBS. Dies bleibt auch für Privat- und Firmenkunden nicht ohne Folgen.

Für Hypothekarkunden könnten sich laut Andreas Dietrich, Professor für Finanzdienstleistungen an der Hochschule Luzern, durchaus die Möglichkeiten für die Einholung von Offerten verringern. «In gewissen Regionen hat man früher drei Offerten eingeholt — bei der UBS, der CS und der Kantonalbank.» Nun würde eine Option wegfallen. Das könnte durchaus auch einen Einfluss auf die Margen im Hypothekargeschäft haben.

Ist das Vertrauen in die Schweizer Banken noch intakt?

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Einen spürbaren Einfluss dürfte der Wegfall der CS auch im Firmenkundengeschäft haben. Besonders bedeutend sind die beiden Grossbanken vor allem für die grösseren Unternehmen: Diesen stellen UBS und CS Dienstleistungen zur Verfügung, die ausser ihnen allenfalls noch die beiden grossen Kantonalbanken ZKB und BCV bieten können: «Für grosse Firmen ist es immer wichtig gewesen, zwei Grossbanken zu haben.»

Welche Risiken bestehen für den Staatshaushalt?

Finanzministerin Keller-Sutter sagte am Sonntag: «Die Steuerzahler haben nur ein geringes Risiko.» Ob der Bundesrat mit seinen Garantien ein zu hohes Risiko eingegangen ist, wird sich noch zeigen. ‹Gering› ist es nach Meinung von Expert*innen jedenfalls kaum. Denn es handelt sich bei der konzertieren Aktion immerhin um eine Obergrenze von 209 Milliarden Franken an Garantien, auch wenn dieser Betrag nur im allerschimmsten Szenario fällig würde.

Die UBS-Rettung im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 verlief glimpflich: Die Bank wurde erhalten, Bund und SNB verdienten letztlich sogar am Verkauf der ausgelagerten Ramschpapiere.

Damals hiess es aber auch: Nie wieder sollten die Steuerzahler*innen für das Versagen von Bankern geradestehen müssen.

Mit Material der Nachrichtenagentur AWP.