Gegenvorschlag zu SP-Initiative Parlament will Kantone zu mehr Prämienverbilligungen zwingen

SDA, gbi

12.9.2023 - 16:16

Der Gegenvorschlag des Parlaments geht der SP-Spitze Mattea Meyer und Cédric Wermuth zu wenig weit: Sie hält darum an ihrer Prämienverbilligungsinitiative fest. (Archivbild)
Der Gegenvorschlag des Parlaments geht der SP-Spitze Mattea Meyer und Cédric Wermuth zu wenig weit: Sie hält darum an ihrer Prämienverbilligungsinitiative fest. (Archivbild)
Bild. Keystone

Die Kantone sollen mehr Geld in die Prämienverbilligungen stecken müssen, darauf haben sich National- und Ständerat geeinigt. Damit steht der indirekte Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative der SP.

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  • Die Kantone sollen neu mindestens 3,5 bis 7,5 Prozent der Kosten der obligatorischen Grundversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden müssen.
  • Das haben National- und Ständerat entschieden. Sie haben damit einen indirekten Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative der SP ausgearbeitet.
  • Links-grün ist mit dem Vorschlag nicht zufrieden, genauso wenig die GLP. Die Kantone könnten mehr tun. 
  • Die SP will ihre Initiative daher auch nicht zurückziehen.

Der Nationalrat hat am Dienstag über die Gesundheitskosten diskutiert. Bei der Frage, wie die Prämienverbilligungen für die Bevölkerung ausgebaut werden können, ist er dabei auf die Linie des Ständerats eingeschwenkt.

Mit 104 zu 86 Stimmen bei 2 Enthaltungen stimmte der Nationalrat für den Antrag seiner vorberatenden Kommission. Die bürgerliche Mehrheit bezeichnete den Vorschlag als «grossen Schritt». Die Ratslinke sprach dagegen mit der GLP von einer «ungenügenden Lösung».

Der nun gefundene Kompromiss beim indirekten Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative der SP bedeutet für die Kantone Mehrkosten von etwa 356 Millionen Franken. Ursprünglich hatte der Nationalrat über zwei Milliarden Franken für zusätzliche Prämienverbilligungen verlangt – davon zusätzlich rund 800 Millionen Franken zulasten der Kantone.

«Das ist ein schlechter Witz»

Die Ratslinke versuchte zusammen mit der GLP vergeblich, mehr Gelder für die Prämienverbilligungen herauszuholen. Sie argumentierten: Manche Kantone würden ihren Spielraum seit Jahren zu wenig nutzen, um den Prämienschock für ihre Bevölkerung abzufedern.

Eine vierköpfige Familie zahle im kommenden Jahr voraussichtlich über 1000 Franken mehr für die Krankenkassenprämien, rechnete die Zürcher Nationalrätin und SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer vor. «Das ist ein schlechter Witz.»

Es sei nicht hinnehmbar, noch einmal einen Kompromiss zulasten der tieferen Einkommen zu machen, sagte Manuela Weichelt (Grüne/ZG). Und für Melanie Mettler (GLP/BE) ist der Vorschlag des Ständerats «kein Anpacken des Problems, sondern nur ein freundliches Zuwinken».

Auch Christian Lohr (Mitte/TG) fand es zwar «irritierend», dass einige Kantone ihre Beiträge für die Prämienverbilligungen reduziert haben. «Das geht nicht so.» Trotzdem könne es nicht sein, die volle finanzielle Verantwortung an die Kantone zu delegieren. Auch aufgrund der schwierigen Lage der öffentlichen Finanzen sei der Kompromiss des Ständerats «der einzige machbare Weg» und «eine austarierte Lösung».

Mitte-Partei schwenkt um

Weil die Mitte-Partei dieses Mal nicht mehr mit der Ratslinken, sondern zusammen mit der SVP- und der FDP-Fraktion stimmte, setzte sich schliesslich die Lösung des Ständerats durch. Dieser zufolge sollen die Kantone neu – abhängig von der Prämienlast – zwischen 3,5 und 7,5 Prozent der kantonalen Bruttokosten der obligatorischen Krankenversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden.

Direkter Gegenentwurf vs. indirekter Gegenvorschlag

  • Beim direkten Gegenentwurf stellt das Parlament einer Initiative einen anderen Verfassungsartikel gegenüber. Ziehen die Initiant*innen ihr Anliegen nicht zurück, kommen Initiative und Gegenentwurf gleichzeitig zur Abstimmung.
  • Beim indirekten Gegenvorschlag erarbeitet das Parlament statt einer Verfassungsänderung eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz. Ziehen die Initiant*innen ihr Anliegen nicht zurück und gibt es ein Nein an der Urne, tritt der Gegenvorschlag in Kraft. 

Das Konzept sieht weiter vor, dass weiterhin die Kantone die Kompetenz für die Berechnung des genauen Prämienverbilligungsbetrags haben werden. Die Mehrheit der Nationalratskommission wollte diese Kompetenz beim Bundesrat ansetzen, damit die Sozialziele zwischen den Kantonen verglichen werden könnten. Auch in diesem Punkt setzte sich schliesslich aber die bürgerliche Mehrheit aus SVP, FDP und Mitte-Partei durch.

Die Vorlage ist nun bereit für die Schlussabstimmungen. Der Ständerat entscheidet am morgigen Mittwoch noch über die Abstimmungsempfehlung zur Prämienentlastungsinitiative der SP. Diese verlangt, dass Versicherte höchstens zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien ausgeben müssen.

Der Nationalrat empfiehlt die Initiative zur Ablehnung, auch im Ständerat ist von einem Nein auszugehen. Dass das Volksbegehren zur Abstimmung kommen wird, ist derweil sicher. Die SP teilte am Dienstag mit, dass sie ihre Initiative nicht zurückziehen werde.

Die Mitte stimmte dieses Mal mit dem bürgerlichen Lager. Im Bild: Die Parteichefs von Mitte und FDP, Gerhard Pfister (l.) und Thierry Burkart, an einem Anlass in Zürich.
Die Mitte stimmte dieses Mal mit dem bürgerlichen Lager. Im Bild: Die Parteichefs von Mitte und FDP, Gerhard Pfister (l.) und Thierry Burkart, an einem Anlass in Zürich.
Keystone

Kantone sparen bei der Prämienverbilligung

Gemäss einer kürzlich in den Tamedia-Zeitungen veröffentlichten Studie des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) haben die meisten Kantone im vergangenen Jahr ihr Budget zur Verbilligung der Krankenkassenbeiträge nicht ausgeschöpft. 21 Kantone hätten Versicherten 2022 demnach mehr Mittel zur Verfügung stellen können.

Der Bund hatte in der Vergangenheit seinen Beitrag für verbilligte Prämien jährlich erhöht. Zehn Kantone reduzierten hingegen nominal ihre Prämienverbilligung in den vergangenen zehn Jahren.

Die Prämienverbilligung wird durch Bundes- und Kantonsbeiträge finanziert. Die Bundesbeiträge sind im Gesetz vorgeschrieben und belaufen sich heute auf 7,5 Prozent der Bruttokosten, wie es auf der Webseite des Bundesamts für Gesundheit (BAG) dazu heisst.

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