St. Galler Boutique nach Diebstahl am Ende«Der Laden war mein Baby, jetzt ist alles zerstört»
Lea Oetiker
14.1.2025
Ein Einbruch legt eine St. Galler Secondhand-Boutique lahm. Das Geschäft ist seit zwei Monaten geschlossen. Kundinnen sind verärgert und die Polizei ermittelt.
Lea Oetiker
14.01.2025, 16:44
Lea Oetiker
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Anfangs Juli 2024 wurde in einer St. Galler Secondhand-Luxusboutique eingebrochen.
Beim Diebstahl wurde Ware im Wert von mehreren zehntausend Franken gestohlen.
Seit zwei Monaten ist die Boutique nun geschlossen. Die Kundinnen sind verärgert und die Polizei ermittelt.
In der Boutique am Burggraben in St. Gallen konnte man über 37 Jahre lang edle Secondhand-Mode kaufen – von Gucci Taschen bis Max Mara Kleider. Aufgebaut hat der Laden Erika Bruderer. «Der Laden war mein Baby. Mein Lebenswerk. Jetzt ist alles zerstört», sagt die 63-Jährige zum «Tagblatt».
Am 8. Juli 2024 wurde eingebrochen. Taschen von Gucci, Prada und Chanel geklaut. Seit zwei Monaten ist die Tür zu. Kundinnen fühlen sich betrogen.
Bruderer ist die ehemalige Inhaberin der Boutique. Nach über drei Jahrzehnten suchte sie eine Nachfolge für ihre Boutique. Schliesslich verkaufte sie im Jahr 2019 den Laden an ihre ehemalige Lehrtochter, für 140'000 Franken. Damals war diese gerade einmal 20 Jahre alt. «Ich dachte, sie sei die Richtige», sagt Bruderer der Zeitung.
Und anfangs war sie es auch. Die ehemalige Lehrtochter brachte frischen Wind ins Geschäft, baute die Online-Präsenz auf und pflegte den Kundinnenstamm. Kundinnen gaben ihre Kleidung auf Kommission.
Fokus auf mehr Luxusgüter wie Rolex-Uhren
Doch dann begann sich der Fokus zu verschieben. Immer mehr Luxusgüter wurden verkauft. Ende 2021 übertrug die ehemalige Lehrtochter die Geschäftsführung an ihren Mann. Er setzt vermehrt auf Designertaschen und Rolex-Uhren. Einmal sogar einen Rolls-Royce.
Den Kundinnen gefielen diese Veränderungen gar nicht. Eine sagte zum «Tagblatt»: «Es war, als würde der Laden seine Seele verlieren.»
Am 8. Juli 2024 sollen die unbekannten Täter über 50 Taschen im Wert von mehreren zehntausend Franken gestohlen haben. Die ehemalige Lehrtochter und ihr Mann veröffentlichten ein Überwachungsvideo auf Instagram und setzten eine Belohnung von 10'000 Franken aus. Ohne Erfolg.
Die Kundinnen sollen erst durch Eigeninitiative vom Einbruch erfahren haben. «Ich wollte meine Bottega Veneta Tasche im Wert von 4400 Franken zurück, doch plötzlich war sie weg», sagt eine Kundin. Die ehemalige Lehrtochter habe sie monatelang mit laufenden Versicherungsabklärungen vertröstet.
«Sehr dubioses und unseriöses Geschäft»
Seit zwei Monaten ist der Telefonanschluss tot und die Boutique geschlossen. Die Kundinnen sind verärgert. Auch Anschuldigungen wegen Betrugs machen die Runde: «Sehr dubioses und unseriöses Geschäft. Gehen via Instagram einen verbindlichen Kaufvertrag ein, aber liefern die Ware nie. Finger weg!» Eine weitere Kundin warnt: «Betrügergeschäft! Ware wurde bezahlt und kam NIE an.»
Die Kantonspolizei hat den Fall noch nicht abgeschlossen. Sie ermitteln gegen unbekannt und haben keine Hinweise auf eine Inszenierung des Einbruchs. Keine Kundin hat Anzeige erstattet.
Erika Bruderer erhält täglich E-Mails und verzweifelte Anrufe von Kundinnen. Sie leidet unter der Last. Doch tun, kann sie nichts. Auch sie wartet noch auf die letzte Kaufpreisrate.
Mietvertrag läuft im Februar aus
Das «Tagblatt» hat im Restaurant angerufen, welches dem Ehemann der ehemaligen Lehrtochter gehört. Vor einem halben Jahr habe er es eröffnet. Er erzählt, dass die Boutique nach dem Überfall nicht mehr gut gelaufen sei. Darum habe er sie geschlossen. Im Februar läuft der Mietvertrag aus.
Zu den Gerüchten, den Überfall vorgetäuscht zu haben, sagt er: «Was sind das für dumme Leute, die eifersüchtig auf mich sind, weil ich mehrere Geschäfte in der Stadt habe?»
Die Zeitung spricht auch mit der ehemaligen Lehrtochter. Sie treffen sie in der Boutique. Die 26-Jährige gibt gerade einer Kundin ein paar Säcke Kleider zurück. Sie sagt, dass sie nach dem Einbruch, einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Doch jetzt wolle sie täglich acht Kundinnen ihre Modesachen zurückgeben.
Einen Einbruch inszenieren würden sie und ihr Ex-Mann jedoch niemals «Da hätten wir uns ja selber ins Bein geschossen», sagt sie. Die Versicherung zahle ihnen nichts. Grund dafür: Sie hätten damals die Versicherung gewechselt. Ein paar Wochen war der Laden unversichert. In dieser Zeit geschah dann der Überfall. Die Betroffenen müssten selbst mit ihrer Versicherung abklären, ob sie ihr Geld zurückbekommen.