FDP-Vorstoss zum EigenbedarfVermieter sollen Mieter einfacher vor die Tür stellen können
Von Stefan Michel
6.3.2023
Mieter*innen raus, Flüchtlinge rein: Dieser Plan befeuert Diskussionen in der Schweiz. Dabei sind Kündigungen wegen Umbaus oder Eigenbedarfs des Vermieters gang und gäbe. Die FDP will nun die Hürden dafür senken.
Von Stefan Michel
06.03.2023, 05:35
06.03.2023, 09:17
Stefan Michel
Mieter*innen, denen ihre Wohnung gekündigt wird, damit Geflüchtete einziehen können, haben in den vergangenen Tagen Schlagzeilen gemacht. Im Fall von Windisch AG hat sich gezeigt, dass es der private Eigentümer war, der seinen Mieter*innen gekündigt hat, weil er die Liegenschaft abreissen lassen will.
Dabei geht vergessen, dass in der Schweiz laufend Mietverträge durch die Eigentümer*innen aufgelöst werden. Wie oft das passiert, können weder der Mieter- und Mieterinnenverband der Schweiz (SMV) noch das Bundesamt für Wohnungswesen beziffern.
Einen Hinweis liefert eine Befragung der Stadt Zürich von 2015. Dort geben 10 Prozent von 1955 Befragten an, dass ihre letzte Wohnung von den Eigentümern gekündigt worden sei. Mehr als die Hälfte von ihnen verlor die Wohnung wegen Umbaus oder Abbruchs der Liegenschaft, 20 Prozent wegen Eigenbedarfs des Eigentümers.
Eigenbedarf ist gegeben, wenn die Inhaberin oder ein naher Verwandter die Wohnung oder das Haus beziehen will. Kann die Eigentümerschaft begründen, wieso sie oder das Familienmitglied die Wohnräume dringend braucht, ist die Kündigung rechtens.
Die Regeln für Eigenbedarfskündigungen diskutiert der Nationalrat am kommenden Dienstag. Christa Markwalder (FDP/BE) hat eine Motion eingereicht, die inzwischen von ihrem Fraktionskollegen Giovanni Merlini (FDP/TI) übernommen worden ist.
Der parlamentarische Vorstoss verlangt zweierlei: Die «zu strengen» Voraussetzungen müssten gelockert werden, die für die Anerkennung der Dringlichkeit des Eigenbedarfs gelten. Ein Urteil des Bundesgerichts präzisiert, dass der dringende Eigenbedarf «ernst, konkret und aktuell» sein muss. Die Motion will die Hürden senken, sodass Eigentümer*innen Mietverträge einfacher kündigen können.
Die zweite Forderung betrifft das Rechtsverfahren, das oft auf Eigenbedarfs-Kündigungen folgt. Dieses müsse so vereinfacht und beschleunigt werden, dass es innert «einiger Monate» abgeschlossen werden könne. Aktuell dauere es bis zu vier Jahre, bis Eigentümer*innen ihre Liegenschaft in Besitz nehmen könnten.
Dies sei der Fall, weil Mieter*innen die Kündigung bis vor Bundesgericht anfechten können. Auch wenn Instanz für Instanz die Dringlichkeit des Eigenbedarfs anerkenne, verkürze dies das Verfahren nicht. Dies sei ein Widerspruch, wenn doch die Dringlichkeit bestätigt sei.
Carlo Sommaruga: «Viele Eigenbedarfskündigungen sind missbräuchlich»
Eine andere Sicht auf Eigenbedarfskündigungen hat Ständerat Carlo Sommaruga (SP/GE), der auch Präsident des SMV ist. «Wir stellen immer wieder fest, dass der Neffe oder die Cousine die Wohnung doch nicht braucht, nachdem die Mieter ausgezogen sind. Darauf wird sie dann zu einem höheren Zins vermietet.»
Gegen Eigenbedarfskündigungen sei schwer anzukommen, findet Sommaruga. Wie oft auf diesem Weg Mietverträge aufgelöst werden, kann er nicht sagen. «Aber immer, wenn Wohnraum knapper wird, haben wir mehr solche Fälle in der Beratung des SMV.»
Die Motion Merlini (Markwalder) kommt am 7. März als dritte Mietvorlage zur Debatte. Der Bundesrat empfiehlt dem Parlament, diese abzulehnen. Seine Begründung: Die Praxis der Rechtsprechung habe sich bewährt, ein gesetzgeberisches Eingreifen sei nicht gerechtfertigt. Zudem sehe der Bundesrat keinen Anlass, in das Gleichgewicht zwischen Vermieter*innen und Mieter*innen einzugreifen.
Noch vor den Regeln der Eigenbedarfskündigungen diskutiert der Nationalrat eine Motion, die missbräuchliche Untermietverhältnisse vermeiden will und eine weitere, die verlangt, dass Mietzinserhöhungen vom Vermieter nicht mehr handschriftlich unterzeichnet werden müssen.