Diktator und DrogenbaronWie Assad mit der «Dschihad-Droge» Millionen scheffelte
Andreas Fischer / Agenturen
11.12.2024
Captagon: Wie Syrien zum Drogenstaat wurde
Captagon hat Syrien zum weltweiten jüngsten Drogenstaat werden lassen. 80 Prozent des weltweiten Angebots der Droge stammen aus Syrien, heisst es in Sicherheitskreisen.
19.05.2023
Captagon hat Syrien zum Drogenstaat werden lassen. 80 Prozent des weltweiten Angebots des Aufputschmittels stammten zuletzt aus Syrien. Mit dem Drogengeld hat Assad sein Terrorregime finanziert.
Andreas Fischer / Agenturen
11.12.2024, 22:25
11.12.2024, 22:33
Andreas Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Captagon trug massgeblich dazu bei, das Überleben des Assad-Regimes zu sichern.
Seit 2018 war die Droge eine wichtige finanzielle Lebensader für die Herrschenden in Syrien und ihre internationalen Verbündeten.
Die Rebellenmiliz will das Geschäft mit den Drogen beenden und geht dabei rigoros vor.
Die Rebellen fackelten nicht lange – und fackelten die Drogen einfach ab. Riesige Mengen Captagon gingen auf dem syrischen Militärflughafen Mezzeh in Flammen auf. Mit dem illegalen Aufputschmittel hatte der gestürzte Herrscher Baschar al-Assad jahrelang sein Terrorregime in Syrien finanziert.
Levant24 Gains exclusive access to a Captagon factory that belonged to the Assad regime and Hezbollah in Douma, Damascus. pic.twitter.com/OCFOlHWp6b
Assad war nicht nur Diktator, er war auch einer der grössten Drogenbarone im Nahen Osten. Wie aus dem Weltdrogenbericht 2023 hervorgeht, ist Captagon die Droge, die das Regime in Damaskus aufrechterhalten hat. Als «Kokain der Armen» und «Dschihad-Droge» bezeichnet, unterdrückt Captagon Schmerzen und Angst. Nutzer verspüren keine Müdigkeit und bleiben über lange Zeit konzentriert.
Weil die Droge auch die Dopamin-Konzentration im Gehirn steigert, steigert sich das Selbstbewusstsein und Risiko-Bereitschaft, während die Aggressionsschwelle sinkt. Die Terroristen bei den Attentaten von Paris 2015 hatten Captagon im Blut, auch bei den Hamas-Terroristen, die am 7. Oktober 2023 Israel überfielen, wurde die Droge gefunden
Assads brutaler Bruder kontrollierte das Geschäft
80 Prozent des weltweiten Captagon-Angebots wurde zuletzt in Syrien hergestellt. Der globale Handel mit den Amphetamin-Tabletten zählte zu den Haupteinnahmequellen der syrischen Regierung. Beteiligt am Schmuggel waren den Angaben zufolge auch Personen aus dem engsten Kreise Assads und dem Anführer der libanesischen Hisbollah. Deren Miliz kämpfte im syrischen Bürgerkrieg an der Seite der Regierungstruppen.
#Syria: Rebels did not only overthrow one of the most oppressive Regimes on Earth, they also took down Assad's narco-State. Millions of Captagon pills were found inside Mazzeh Airbase. Geolocated in the Air Force Intelligence section: https://t.co/O8LAKWVL2jpic.twitter.com/Sx8IGARIhA
Schon seit den 2000er Jahren wird Captagon in Syrien hergestellt, zunächst in kleinerem Stil. Doch mit dem Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 brach die Wirtschaft zusammen. Warlords und bewaffnete Gruppen gewannen an Einfluss, die in dem Chaos des Konflikts nach Einnahmequellen suchen und sie in der Drogenproduktion finden.
Mit militärischen Gewinnen der Regierung übernahmen mehr und mehr Assad-treue Personen dieses illegale, aber lukrative Geschäft. Mitglieder der Regierung wurden schnell «Hauptakteure des Captagon-Handels», schlussfolgern die Autoren einer Studie des in Washington ansässigen New Lines Institute. Recherchen der «New York Times» ergaben, dass ein Grossteil der Produktion und des Vertriebs von der 4. Division überwacht wird – einer berüchtigten Eliteeinheit unter dem Kommando von Maher al-Assad, dem brutalen Bruder des Präsidenten.
Bricht das Milliardengeschäft wirklich zusammen?
Laut britischer Regierung war der weltweite Captagon-Markt im Jahr 2023 rund 50 Milliarden Franken schwer. Wobei der Name der Droge irreführend ist. Ursprünglich kam Captagon in den 1960er-Jahren in Deutschland als Medikament gegen Narkolepsie und ADHS auf den Markt. Es wird aber nicht mehr legal produziert. Was heute unter dem Namen Captagon geschmuggelt wird, enthält normalerweise nicht den Originalwirkstoff Fenetyllin, sondern Amphetamin.
Die Herstellung ist vergleichsweise einfach. Die Produktionskosten für eine Tablette liegen im 10-Cent-Bereich. Verkauft werden kann sie – je nach Qualität und Absatzmarkt – für bis zu 25 US-Dollar. Es geht also um ein Milliardengeschäft, das für Assad nicht zuletzt wegen der internationalen Sanktionen und Syriens brachliegender Wirtschaft interessant war.
Wie gross das Geschäft mit dem Captagon in Syrien tatsächlich war, wird sich erst in den nächsten Wochen herausstellen. Die Rebellen haben Produktionsstätten erobert und Vertriebswege stillgelegt. Ob der lukrative Handel mit der Droge tatsächlich zum Erliegen kommt, bleibt abzuwarten und wird vor allem davon abhängen, wie schnell es die neuen Machthaber in Syrien schaffen, die Wirtschaft anzukurbeln.