Presse spart mit Lob für Bundesrätin Viola Amherd hat «den Laden auch nicht in den Griff bekommen»

tl, sda

16.1.2025 - 06:08

Viola Amherd verlässt die Landesregierung per Ende März

Viola Amherd verlässt die Landesregierung per Ende März

Verteidigungsministerin Viola Amherd hat am Mittwoch ihren Rücktritt aus der Landesregierung angekündigt. Sie stelle ihr Amt per Ende März nach gut sechs Jahren zur Verfügung, sagte sie in Bern vor den Medien. Über einen Rücktritt war seit Längerem spekuliert worden. Die Rücktrittsankündigung erfolgt wenige Wochen, nachdem Amherd ihr Präsidialjahr beendet hat. Der Rücktritt von Mitte-Präsident Gerhard Pfister Anfang dieser Woche befeuerte die Gerüchte über einen Rücktritt Amherdvon Neuem. Nun herrscht Klarheit. Die 62-jährige Mitte-Politikerin aus Brig-Glis VS ist seit 2019 Mitglied der Landesregierung und folgte auf Doris Leuthard.

15.01.2025

Die Deutschschweizer Medien haben nach der Bekanntgabe ihres Rücktritts aus dem Bundesrat mit Lob an Viola Amherd gespart. Zwar habe sie Bewegung in ihr Verteidigungsdepartement VBS gebracht und auch «Pflöcke eingeschlagen», zu viele Dinge seien ihr aber auch aus dem Ruder gelaufen, war am Mittwoch der Tenor.

Keystone-SDA, tl, sda

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Deutschschweizer Presse spart mit Lob für Viola Amherd, die am Mittwoch  mit ihrer Rücktrittsankündigung überrascht hat.
  • Die Bundesrätin habe zwar Bewegung in ihr Verteidigungsdepartement VBS gebracht und auch «Pflöcke eingeschlagen», zu viele Dinge seien ihr aber auch aus dem Ruder gelaufen, lautete das Fazit.
  • Angesichts der geopolitischen Lage hätte Amherd laut der NZZ als Verteidigungsministerin eine Schlüsselrolle einnehmen können, da die Armee vor der grössten Herausforderung seit dem Kalten Krieg stehe.
  • Amherd sei es nicht gelungen, eine starke Führung mit einem klaren Plan zu schaffen, der es gelingt, Mehrheiten zu schaffen.

NZZ: «Missverständnisse, Pleiten, Pech und Pannen»

«Angesichts der geopolitischen Lage hätte Amherd als Verteidigungsministerin eine Schlüsselrolle einnehmen können», schreibt die «Neue Zürcher Zeitung». Schliesslich stehe die Armee vor der grössten Herausforderung seit dem Kalten Krieg. Doch das erweise sich in Zeiten drohender struktureller Defizite als Kraftakt, die Finanzierungsfrage zersplittere das bürgerliche Lager bis in den Bundesrat.

«Gefragt wäre daher eine starke Führung mit einem klaren Plan, der es gelingt, Mehrheiten zu schaffen», so die «NZZ» weiter. Amherd sei das nicht gelungen. Stattdessen seien während des Jahres 2024 immer wieder Missverständnisse, Pleiten, Pech und Pannen im Verteidigungsdepartement nach aussen gedrungen, «während die Chefin in der Welt herumjettete».

SRF: Moment grossen Drucks

Viola Amherd habe ihren Rücktritt als Bundesrätin in einem Moment grossen Drucks angekündigt, schreibt das Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Mit der SVP habe die grösste Partei ihren Rücktritt gefordert, mehrere Grossprojekte aus ihrem Departement seien in Schieflage, die Ruag sorge für Skandale und die Diskussionen um eine reale oder fiktive Finanzlücke in der Armee klängen nach.

Doch Amherd habe in ihrer sechsjährigen Amtszeit «durchaus auch Pflöcke einschlagen» können. So habe sie es im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Ueli Maurer im Herbst 2020 geschafft, das Stimmvolk von neuen Kampfjets zu überzeugen.

«Blick»: Laden nicht in den Griff bekommen

Viele Probleme habe Amherd schon von ihren SVP-Vorgängern geerbt, schreibt der «Blick». Aber auch sie habe «den Laden nicht in den Griff bekommen». Hinzu komme, dass die Fehlerkultur im VBS nicht sehr ausgeprägt zu sein scheine. Probleme würden klein- oder gleich ganz weggeredet, gegen aussen und innen.

Kritiker würden Amherd zudem vorwerfen, statt Probleme im eigenen Departement zu lösen, sich lieber ins internationale Schaufenster zu stellen und parallel dazu die Armee immer weiter in Richtung Nato zu rücken.

Viola Amherd (r.) mit Ursula von der Leyen, der mächtigsten Frau Europas, bei einer Medienkonferenz in Bern zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen mit der EU. (20. Dezember 2024)
Viola Amherd (r.) mit Ursula von der Leyen, der mächtigsten Frau Europas, bei einer Medienkonferenz in Bern zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen mit der EU. (20. Dezember 2024)
Bild: Keystone/Alessandro della Valle

«Watson»: Die Nase voll

«Der Abgang so kurz nach dem Ende ihres Präsidialjahres lässt einen Verdacht aufkommen: Sie hat die Nase gestrichen voll», schreibt «Watson» in seinem Kommentar zu Amherds Rücktritt.

Die Verteidigungsministerin habe genug gehabt von den Pannen im VBS, genug von den Querelen mit Karin Keller-Sutter um das Militärbudget, «genug vom Genöle der Bürgerlichen wegen der angeblich fehlenden Strategie zur Aufrüstung der Armee».

Obwohl sie zuvor nichts mit Sicherheitspolitik am Hut gehabt habe, habe Amherd mehrere Gelegenheiten zu einem Departementswechsel ungenutzt verstreichen lassen. Als Höhepunkte ihrer Amtszeit liessen sich das knappe Ja des Stimmvolks zum Kampfjet F-35 sowie die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock im letzten Jahr einstufen, urteilt «Watson».

CH Media: Partei vor einer Zerreissprobe

Die Rücktrittsankündigung von Amherd hat nach Auffassung der CH-Media-Zeitungen nichts mit den Rücktrittsaufforderungen der SVP vom vergangenen Wochenende zu tun. «Amherd hat ihren Entscheid angeblich allein – um nicht zu sagen: einsam – gefällt», kommentiert CH Media.

Damit stelle sie die Partei vor eine Zerreissprobe, «bei der mithin die Zukunft der Partei auf dem Spiel steht». Für die Mitte sei Amherds Nachfolge «eine Richtungswahl, die für die Zukunft der Partei insgesamt eine wegweisende Bedeutung hat», schreibt CH Media.

«Tages-Anzeiger»: Die Ausnahme der Regel

«Ausnahmefälle. Sie prägten – ja dominierten – Viola Amherds Zeit als Verteidigungsministerin», schreibt der «Tages-Anzeiger». Die erste Ausnahme ihrer Amtszeit sei sie selbst gewesen. Als erste Frau überhaupt habe sie das Verteidigungsministerium übernommen. Und auch die letzte Ausnahme bilde Amherd selbst: «So unprätentiös und unspektakulär hat noch kaum jemand seinen Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt gegeben.»