Politologin ordnet einZwingt Amherds Entscheidung bald schon Cassis zum Rücktritt?
Dominik Müller
15.1.2025
Viola Amherd tritt bereits im März als Bundesrätin zurück. Die Kurzfristigkeit setzt gemäss Politologin Sarah Bütikofer die Mitte-Partei unter Druck – und zwingt möglicherweise Ignazio Cassis zum Handeln.
Dominik Müller
15.01.2025, 17:10
15.01.2025, 17:37
Dominik Müller
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Viola Amherd hat am Mittwoch ihren Rücktritt verkündet.
In der Frühjahrssession im März steht bereits die Ersatzwahl an.
Politologin Sarah Bütikofer sieht in der kurzfristigen Nachfolge-Regelung eine Herausforderung für die Mitte-Partei.
Zudem könnte die Entscheidung Folgen für eine allfällige Rücktrittsplanung von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis haben.
Verteidigungsministerin Viola Amherd hat am Mittwoch ihren Rücktritt aus dem Bundesrat angekündigt. Sie habe «viele Kampagnen erlebt und eigentlich gut überstanden», sagt die 62-Jährige an der Pressekonferenz in Bern.
Über eine baldige Demissionierung Amherds wurde in politischen Kreisen schon länger spekuliert. Die Entscheidung, bereits im Frühling zurückzutreten, kommt gleichwohl überraschend. In den vergangenen Jahren traten Bundesräte meist gegen Ende Jahr zurück, die Ersatzwahlen fanden entsprechend zumeist in der Wintersession im Dezember statt. Nun wird bereits in der Frühjahrssession vom 3. bis 21. März über eine Amherd-Nachfolge abgestimmt.
Die Kurzfristigkeit des Rücktritts überrascht auch Sarah Bütikofer, Politologin und Projektpartnerin beim Meinungsumfrageinstitut Sotomo: «Die Mitte muss nun sehr schnell eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger finden», sagt sie zu blue News.
«Jede Partei hat auch ein Vizepräsidium»
Zumal Gerhard Pfister, dem immer wieder Bundesratsambitionen nachgesagt werden, erst vor knapp einer Woche angekündigt hat, nur noch bis im Sommer als Mitte-Parteipräsident zu amtieren.
Sarah Bütikofer findet es «interessant», dass der Parteipräsident seinen Rücktritt relativ weit vorausschauend ankündigt, und die Bundesrätin daraufhin eine Woche später zurücktritt. «Man kann sicher darüber spekulieren, ob Amherd mit ihrem Timing jemand Bestimmtes als Nachfolger verhindern wollte», sagt die Politologin.
Amherd selbst beschwichtigt an der Pressekonferenz: «Jede Partei hat auch ein Vizepräsidium.» Hinter ihrer Entscheidung, im Frühling zurückzutreten, stehe keine Absicht, die Nachfolge irgendwie zu beeinflussen, beteuerte Amherd.
An Mitte-Kandidat*innen mangelt es nicht
Sie habe Gerhard Pfister unmittelbar vor der öffentlichen Bekanntgabe ihrer Demission informiert, sagte sie auf eine Journalistenfrage. Auf die Frage, ob sie eine Wunschnachfolge habe, sagte sie: «Ich bin wunschlos glücklich».
Per se will Bütikofer eine Bundesratswahl Pfisters nicht ausschliessen: «In diesem Fall müsste aber zwingend auch die Nachfolge im Parteipräsidium bereits früher geregelt sein.»
Die Mitte hat im Stände- und Nationalrat viele mögliche Kandidierende. Von den profilierten Politikerinnen hat Isabelle Chassot zwar schon abgesagt, aber auch mehrere männliche Parlamentarier dürften sich eine Kandidatur überlegen: Etwa die Ständeräte Benedikt Würth (St. Gallen) und Pirmin Bischof (Solothurn) oder die Nationalräte Martin Candinas (Graubünden) und Philipp Matthias Bregy (Wallis).
Mit Viola Amherd tritt eine von derzeit drei Frauen im Bundesrat zurück. Eine Nachfolgerin scheint entsprechend naheliegend, um das Ungleichgewicht in der Geschlechtervertretung nicht zu verstärken.
Diesbezüglich könne man die Mitte aber nicht in die Pflicht nehmen: «Gerade die Mitte hat ihren einzigen Sitz im Bundesrat schon seit langer Zeit mit einer Frau besetzt, vor Amherd war Doris Leuthard im Amt», sagt Bütikofer. Gerade auch als Zeichen an den Parteinachwuchs und an die Basis gäbe es deshalb bei dieser Vakanz gute Argumente, die dafür sprechen, einen Mann zu wählen.
«Bei einem männlichen Nachfolger wäre aber wohl beim nächsten Rücktritt aus dem Bundesrat die betroffene Partei gezwungen, eine Nachfolgerin zu stellen», so Bütikofer.
Tritt auch Cassis demnächst zurück?
Gut möglich, dass diese Diskussion demnächst in der FDP zum Thema wird. Auch bei Aussenminister Ignazio Cassis halten sich die Gerüchte um einen baldigen Rücktritt hartnäckig. Mit Amherds Entscheidung kommt die FDP nun möglicherweise unter Zugzwang: «Der FDP würde es mit Sicherheit einfacher fallen, ihren zweiten Bundesratssitz zu verteidigen, wenn ihr Sitz zeitgleich wie jener der Mitte zu besetzen wäre», sagt Bütikofer.
Damit aber eine allfällige Cassis-Ersatzwahl ebenfalls im März stattfinden könnte, müsste sich der Tessiner schon sehr bald betreffend seiner Zukunft entscheiden. Möglich wäre dies, denn Bütikofer betont: «Jeder Bundesrat und jede Bundesrätin hat das Recht, kurzfristig vom Amt zurückzutreten, ohne jemanden vorher darüber zu informieren.»