Ukrainer in Bern «Man kann die Menschen nicht zwingen, in den Krieg zu ziehen»

tafi

10.1.2024

Ukraine: Besuch an der Front bei frostigen Temperaturen

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Die Soldaten, die hier seit der russischen Invasion die Stellung halten und einen Durchbruch verhindern sollen, nehmen die Situation relativ gelassen.

07.01.2024

Für die Verteidigung gegen Putins Armee braucht die Ukraine mehr Soldaten. Deswegen sollen geflüchtete Männer zurückkehren. Doch die wollen sich nicht zwingen lassen, sagt ein Betroffener in Bern.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Soldaten der ukrainischen Armee sind erschöpft: Kiew braucht dringend neue Kämpfer.
  • Doch im Ausland lebende Ukrainer wollen nicht in den Krieg ziehen. Ein Betroffener, der jetzt in Bern lebt, erklärt die Gründe.
  • In der Heimat ist das Verständnis für die Wehrdienstverweigerung gering.

Die Ukraine braucht mehr Soldaten, doch zu Tausenden versuchen Männer, sich durch Flucht ins Ausland dem tödlichen Einsatz an der Front entziehen. Derzeit wird diskutiert, wie die Armee mehr Kämpfer gewinnen kann. 450’000 bis 500’000 Mann seien zusätzlich nötig, heisst es.

Schon vor einigen Wochen hat daher das Verteidigungsministerium in Kiew an die geflüchteten Ukrainer im Ausland appelliert, zurückzukehren und ihre Heimat zu verteidigen. Konkrete Pläne, Männer unter Druck aus dem Ausland zurückzuholen und einzuberufen, gibt es aber nicht.

Das wäre auch schwierig, sagt ein in Bern lebender ukrainischer Geflüchteter gegenüber «20 Minuten»: «Man kann die Menschen nicht zwingen, in den Krieg zu ziehen, wenn sie es nicht wollen. Viele sind für den Militärdienst nicht gemacht», so der 29-jährige Anwalt.

Die Stimmung an der Front ist zunehmend angespannt: Die ukrainische Armee braucht dringend neue Soldaten, um ihre Kämpfer zu entlasten.
Die Stimmung an der Front ist zunehmend angespannt: Die ukrainische Armee braucht dringend neue Soldaten, um ihre Kämpfer zu entlasten.
EPA

Stimmung an der Front wird schlechter

«Seinen Dienst zu leisten, sollte keine Frage des Wollens sein. Wir haben eine gewisse Verantwortung unserer Heimat gegenüber», entgegnet Frontsoldat Illya Zaikin ebenfalls bei «20 Minuten».

Der 26-Jährige ist seit neun Monaten in der Nähe von Charkiw stationiert. Die Stimmung sei angespannt, weshalb er den Vorstoss des Kiewer Verteidigungsministeriums begrüsst, Ukrainer im Ausland zum Wehrdienst aufzufordern. «Wir sind viel zu wenige Männer im Militär. Die Stimmung der Soldaten wird immer schlechter. Wir brauchen definitiv weitere Unterstützung.»

«Verantwortung kann man auch im Ausland übernehmen»

Für den in Bern lebenden Ukrainer ist eine Verpflichtung von im Ausland lebenden Männern aus gesetzlicher Sicht nicht machbar. Zudem gäbe es in der Ukraine genügend Männer, die sich zum Dienst in der Armee gemeldet hätten.

Es sei für ihn und seine Partnerin eine schwierige Entscheidung gewesen, «unsere Familien, unser Leben und unsere Heimat zu verlassen». Verantwortung seinem Land gegenüber könne er mit seinen Fähigkeiten und seiner Ausbildung auch aus der Schweiz übernehmen, dies sogar besser als an der Front.

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