Spezialist «sehr besorgt»Putins neue Waffe: Kreml setzt Super-Drohne an der Front ein
Von Philipp Dahm
10.1.2024
Wie Drohnen den Krieg verändern, zeigt sich auf den Schlachtfeldern der Ukraine. Während Kiew wie auch Moskau die Produktion hochfahren, überrascht Russland nun mit neuer Technik, die Potenzial hat.
Von Philipp Dahm
10.01.2024, 00:00
11.01.2024, 08:38
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Laut einem ukrainischen Spezialisten nutzt Russland an der Front eine neue Technik: eine Art «fire and forget»-Drohne.
Die Drohne verfolgt zugewiesene Ziele automatisch: Das Training von Piloten wird damit obsolet. Zudem ist die Drohne weniger anfällig für eine elektronische Bekämpfung.
Die Drohne soll auch mit einer Wärmebild-Kamera ausgestattet sein, was ihren Einsatz auch bei Nacht zulässt.
Der ukrainische Spezialist ist ob der Innovation «sehr besorgt».
Drohnen verändern die Kriegsführung immer stärker.
Er sei «sehr besorgt», schreibt Sergei «Flash» Beskrestnow auf Telegram. Der Ukrainer ist Spezialist für militärische Kommunikation und elektronische Kriegsführung – und er berichtet von einer neuen russischen Waffe, die ihm offenbar Kopfzerbrechen bereitet.
«Zum ersten Mal sah ich ein abgefangenes Video einer russischen FPV-Drohne, die maschinell sehen und selbst Ziele verfolgen kann. Zudem war sie im Wärmebild-Modus», fährt «Flash» fort. Was bedeutet das? EFPV steht für «First Person View»: Der Drohnen-Pilot steuert das Gefährt also aus der Ich-Perspektive.
Mit maschinellem Sehen oder machine vision ist die industrielle Bildverarbeitung gemeint: Die Drohne kann also Bilder erfassen und verarbeiten. Wird ihr ein Ziel zugewiesen, braucht sie keinen weiteren Input: Sie verfolgt das entsprechende Objekt, auch wenn es mobil ist. Dank der Wärmekamera kann sie das auch in der Nacht tun.
Laut «Flash» steckt die Technik noch in den Kinderschuhen, doch sie soll bereits auf dem Schlachtfeld in der Ukraine im Einsatz sein. Und das sind äusserst schlechte Nachrichten für Kiew, denn diese Neuerungen haben weitreichende Folgen.
Training von Piloten entfällt
Erstens sind diese Drohnen deutlich unempfänglicher für elektronische Gegenmassnahmen: Der russische Drohnen-Pilot muss seiner Waffe bloss das Ziel zuweisen. Er kann zum Beispiel in grosser Höhe über ein Objekt fliegen und befiehlt der Drohne, zum Beispiel einen fahrenden Lastwagen anzugreifen.
Sobald das Ziel bestimmt ist, erledigt die Drohne den Rest selbst. Wenn also zum Beispiel elektronische Massnahmen die Verbindung zum Piloten kappen, geht der Angriff dennoch weiter. Selbst wenn der Russe dann nichts mehr sieht, erledigt die Technik die Aufgabe.
Zweitens muss die Armee die Leute nicht mehr ausbilden: Flugstunden, in denen das Manövrieren mit der Drohne geübt wird, gehören der Vergangenheit an, wenn das Flugobjekt den Endanflug ohnehin selbst übernimmt. Das Treffen beweglicher Ziele wird dabei durch die Technik erleichtert. Das Wärmebild, das Angriffe auch bei Nacht erlaubt, ist das Tüpfelchen auf dem i.
Kaum ein Entrinnen vor der Aufklärung
Das erhöht die Möglichkeiten solcher Drohnen «signifikant» und ermöglicht dem Piloten zudem, in kürzerer Zeit einsatzbereit zu sein, stöhnt das ukrainische Fachmagazin «Defense Express». Drohnen werden auf dem Schlachtfeld damit eine noch grössere Rolle spielen als ohnehin schon.
Der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte hat es in seinem viel beachteten Interview mit dem «Economist» im vergangenen November auf den Punkt gebracht: «Die einfache Tatsache ist, dass wir alles sehen, was der Feind macht, und sie sehen alles, was wir machen», erklärte Walerij Saluschnyj mit Blick auf die Drohnen.
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Der «Eiserne General» sagte weiter: «Genau wie im Ersten Weltkrieg haben man ein technologisches Niveau erreicht, das in einer Patt-Situation mündet.» Und: «Es ist wichtig, zu verstehen, dass dieser Krieg nicht mit den Waffen der letzten Generation und veralteten Methoden gewonnen werden kann.»
Kriegsparteien fahren Produktion hoch
Eine neue Generation von Drohnen könnte den Stillstand durchbrechen – auch wenn die unbemannten Flugobjekte Wegwerfware sind: Die Londoner Denkfabrik Royal United Services Institute (Rusi) schätzt, dass allein die Ukraine jeden Monat 10'000 Drohnen verliert. Kein Wunder, dass Kiew in diesem Jahr die Produktion von 200'000 auf eine Million Exemplare hochschrauben will.
Diese Zahl betrifft jedoch nur die kleinen FPV-Drohnen: Wenn es um grössere unbemannte Luftfahrzeuge geht, plant die Ukraine, 2024 11'000 UAVs mittlere und hoher Reichweite zu produzieren. Damit würde Kiew ungefähr auf dem russischen Produktionsniveau liegen.
Doch auch Russland will die entsprechenden Kapazitäten bis 2030 massiv ausbauen: «Die jährliche Produktion von unbemannten Luftfahrzeugen – ohne UAVs für die Ausbildung – soll [dann] bei 32'500 Einheiten [pro Jahr] liegen», wird der stellvertretende Premier Andrei Beloussow zitiert. «Das ist fast dreimal mehr als das aktuelle Produktionsvolumen.»