Nach Trumps WahlsiegAmerikaner haben keine Lust mehr auf politische Nachrichten
AP/toko
27.12.2024 - 00:00
Nach dem Wahlsieg von Donald Trump haben viele US-Bürgerinnen und Bürger weniger Interesse an der Medienberichterstattung über Politik. Bei TV-Sendern ist das Phänomen nicht neu.
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27.12.2024, 00:00
dpa
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Das Interesse von US-Amerikanern an politischen Nachrichten ist nach dem Wahlsieg Donald Trumps drastisch zurück gegangen.
Eine Umfrage ist zu entnehmen, dass die Amerikaner allgemein weniger politische Inhalte haben wollen.
Besonders stark ausgeprägt ist das Phänomen unter Demokraten.
Etwa sieben von zehn Demokraten gaben an, sie distanzierten sich von Politik-Nachrichten.
Der Demokrat Ziad Aunallah hatte sich im jüngsten US-Präsidentschaftswahlkampf sehr intensiv mit politischen Nachrichten beschäftigt. Doch jetzt geht es ihm so wie vielen anderen US-Bürgern nach der Wahl vom November: Er hat sein Interesse an den Nachrichten verloren. «Die Leute sind psychisch erschöpft», sagte der 45-Jährige aus San Diego im US-Staat Kalifornien. «Jeder weiss, was kommt und wir machen einfach eine Pause.»
Die Zuschauerzahlen im Fernsehen und eine neue Umfrage veranschaulichen das Phänomen. Etwa zwei Drittel der amerikanischen Erwachsenen geben an, sie hätten in jüngster Zeit das Gefühl, sie müssten ihren Konsum der Medienberichterstattung über Politik und Regierung wegen Überfrachtung begrenzen, wie aus der Erhebung des Zentrums für Forschung zu öffentlichen Angelegenheiten der Nachrichtenagentur AP und der Organisation NORC hervorgeht. Ein kleinerer Prozentsatz der befragten Amerikanerinnen und Amerikaner beschränkt die Menge der Nachrichten, die sie über Konflikte im Ausland, Wirtschaft oder Klimawandel konsumieren, wie der Umfrage zu entnehmen ist. Das Thema Politik dominiert dabei.
Vor der Präsidentschaftswahl hatte der Demokrat Sam Gude für seinen Geschmack zu viel Zeit damit verbracht, sich Nachrichten zur Wahl bei den Fernsehsendern CNN und MSNBC anzusehen. «Das Letzte, was ich mir im Moment anschauen will, ist das Interregnum», sagte der 47-jährige Elektriker aus dem US-Staat Nebraska, der kein Fan des künftigen republikanischen Präsidenten Donald Trump ist.
Der Umfrage zufolge entziehen sich mehr Demokraten als Republikaner den Nachrichten. Etwa sieben von zehn Demokraten gaben demnach an, sie distanzierten sich von Politik-Nachrichten. Bei den Republikanern sind es nicht ganz so viele. Etwa sechs von zehn geben an, sie hätten das Gefühl, eine Nachrichtenpause einlegen zu müssen. Bei unabhängigen Wählerinnen und Wählern ist der Anteil ähnlich.
Zuschauerzahlen gehen deutlich zurück
Für die Fernsehsender, die sich vor allem mit Politik-Nachrichten beschäftigt haben, ist der Unterschied deutlich grösser. Im Zeitraum seit der US-Wahlnacht bis zum 13. Dezember ging die Zahl der Zuschauer bei MSNBC zur Primetime um 54 Prozent im Vergleich zum Zeitraum vor der Wahl in diesem Jahr auf einen Durchschnittswert von 620'000 zurück, wie die Firma Nielsen ermittelt hat. Bei CNN bedeutete der durchschnittliche Wert von 405'000 einen Rückgang um 45 Prozent. Laut Nielsen liegt beim konservativen Nachrichtensender Fox News – bei Trump-Fans beliebt – die durchschnittliche Zahl von 2,68 Millionen seit der Wahl um 13 Prozent höher als davor. Seit dem Wahltag haben 72 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer bei einem der drei Sender abends Fox News eingeschaltet. Vor der US-Wahl waren es den Angaben zufolge 53 Prozent.
Es ist nicht neu, dass Fans des Kandidaten oder der Kandidatin, die bei der Präsidentschaftswahl verloren hat, nach dem Wahltag weniger häufig bei den Fernsehsendern vorbeischauen, deren Zuschauer mehrheitlich entweder zu den Demokraten oder Republikanern tendieren. Bei MSNBC sah sie Lage ähnlich aus nach dem ersten Wahlsieg von Trump 2016. Bei Fox war es 2020 nach der Niederlage von Trump so. Allerdings hatte der Rückgang bei Fox damals auch mit Ärger darüber zu tun, dass der Sender Präsident Joe Biden zum Wahlsieger im US-Staat Arizona erklärt hatte.
«Werde wieder einschalten, sobald die Clown-Show anfängt»
Bei MSNBC waren mehrere Zuschauerinnen und Zuschauer der Sendung «Morning Joe» sauer, dass die Moderatoren Joe Scarborough und Mika Brzezinski Trump kurz nach dessen Wahlsieg im November besucht hatten. Der Fernsehsender kann hoffen, dass es ab Januar wieder bergauf geht mit den Zuschauerzahlen: In vorherigen Jahren war es so, dass sich die Zahlen erholten, wenn die Niedergeschlagenheit unter den Wählerinnen und Wählern wegen einer Wahlniederlage nachlässt.
«Ich werde wieder einschalten, sobald die Clown-Show anfängt», sagte Aunallah. «Du hast keine Wahl. Ob du es hören willst oder nicht, es passiert. Wenn dir dein Land am Herzen liegt, hast du keine andere Wahl als aufzupassen.»
Doch für MSNBC könnte die Erholung holprig sein. Der Rückgang der Zuschauerzahlen bei dem Sender ist stärker als 2016. Zudem stellt sich die Frage, ob Trump-Gegner so engagiert sein wollen wie während dessen erster Amtszeit.
Der Umfrage ist zu entnehmen, dass die Amerikaner allgemein weniger politische Inhalte von Personen des öffentlichen Interesses haben wollen. Im Wahlkampf hatten Wahlempfehlungen von Prominenten wie Taylor Swift für Schlagzeilen gesorgt. Laut der Umfrage sehen die Befragten es eher negativ als positiv, wenn sich Prominente, grosse Unternehmen und Profisportler zur Politik äussern.
Einige der amerikanischen Zuschauer, die sich in jüngster Zeit von politischen Nachrichten abgewandt haben, lassen durchblicken, wie die Sender sie zurückgewinnen könnten. Gude sagte, MSNBC werde immer ein festes Publikum aus Trump-Hassern haben. Doch sollte der Sender seine Zuschauerschaft vergrössern wollen, «dann müsst ihr über Themen reden und ihr müsst damit aufhören, über Trump zu reden».
Die 36-jährige Kathleen Kendrick aus dem US-Staat Colorado sagte, sie bekomme genug von Leuten mit, die ihre politischen Meinungen lautstark auf der Arbeit äusserten. Wenn sie sich die Nachrichten ansehe, wolle sie mehr Substanz, sagte die Frau, die als unabhängige Wählerin registriert ist. Vieles von dem, was sie sehe, sei einseitig und oberflächlich. «Du bekommst eine Story, aber nur Teil einer Story. Es wäre schön, wenn du beide Seiten bekommen könntest, und mehr Recherche.»