«Inflation würde steigen» Warum Ökonomen Trumps Wirtschaftspläne zerreissen

dpa

18.10.2024 - 04:30

Trumps Pläne für die Wirtschaft sorgt bei Experten für Kopfschütteln.
Trumps Pläne für die Wirtschaft sorgt bei Experten für Kopfschütteln.
Bild: Keystone/AP/Alex Brandon

Hohe Importzölle, Massenabschiebungen von Immigranten, Mitsprache bei Zinsentscheidungen für die Notenbank: Trump hat grosse Pläne für eine etwaige zweite Amtszeit. Ökonomen aber warnen vor schweren Folgen.

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  • Wie eh und je verspricht Trump auch in der Wirtschaftspolitik das Blaue vom Himmel hinunter.
  • Er will hohe Zölle auf importierte Waren einführen, Millionen Fremdarbeiter abschieben und bei der Zinspolitik der Notenbank Fed mitreden können.
  • Ökonomen jedoch warnen vor seinen Plänen. Statt der in Aussicht gestellten Eindämmung der Inflation würde diese hingegen weiter steigen.
  • Ausserdem müssten bei Trumps vollmundig verkündeten Zollplänen am Ende der Verbraucher die Rechnung zahlen.

Mit charakteristischer Vollmundigkeit hat der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump versprochen, dass die «Inflation völlig verschwinden wird», sollten ihn die Wähler ins Weisse Haus zurückschicken. Diese Botschaft ist auf Amerikaner zugeschnitten, die weiter aufgebracht über den steilen Anstieg der Verbraucherpreise sind, der vor dreieinhalb Jahren einsetzte.

Aber die meisten etablierten Ökonomen sagen, dass Trumps wirtschaftliche Pläne die Inflation nicht auslöschen, sondern sie vielmehr neu anheizen würde.

Die Volkswirtschaftler beziehen sich hauptsächlich auf drei Punkte in Trumps Agenda: Er will, so sagt er, hohe Zölle auf importierte Waren einführen, Millionen Fremdarbeiter abschieben und bei der Zinspolitik der Notenbank Fed mitreden können.

16 Wirtschaftsnobelpreisträger haben im Juni einen Brief unterzeichnet, in dem vor einem «Wiederanfachen» der Inflation im Fall einer Verwirklichung von Trumps Vorhaben gewarnt wird. Sie hatte 2022 9,1 Prozent erreicht und ist seitdem fast auf die Fed-Zielmarke von 2 Prozent gesunken. Im September hat das Peterson Institute for International Economics – eine Denkfabrik in Washington – vorausgesagt, dass die Verbraucherpreise bei einer Umsetzung von Trumps Agenda 2026 einen Stand zwischen 6 Prozent bis 9,3 Prozent erreichen würden, während es andernfalls zu diesem Zeitpunkt nur 1,9 Prozent wären.

Auch Harris kommt nicht gut an

Viele Ökonomen sind zwar auch nicht begeistert von dem, was der Demokratin Kamala Harris vorschwebt, halten etwa das von ihr angestrebte gesetzliche Verbot von Wucherpreisen für ein unwirksames Mittel gegen hohe Lebensmittelkosten. Aber sie glauben nicht, dass sich ihre Wirtschaftspläne sonderlich auf die Inflation auswirken würden. Dagegen erwartet beispielsweise das Analyse- und Beraterunternehmen Moody's Analytics, dass die Preise unter Trump 2025 um 1,1 Prozentpunkte und 2026 um weitere 0,8 Prozentpunkte höher liegen würden, sofern er seine Pläne ungehindert durch die Mehrheitsverhältnisse im Kongress umsetzen könnte. 

Verbraucher zahlen Preis für höhere Zölle

Steuern auf Importe – also Zölle – sind Trumps wirtschaftliches Lieblingsrezept. Er argumentiert hauptsächlich, dass sie die Jobs in US-Fabriken vor ausländischer Konkurrenz schützten. So hat er in seiner ersten Amtszeit einen Handelskrieg mit China gestartet, hohe Zölle für die meisten chinesischen Waren verfügt und zudem die Importsteuern auf Stahl und Aluminium, Waschmaschinen und Solarpaneelen aus dem Ausland angehoben.

Für seine etwaige zweite Amtszeit hat er noch grössere Pläne, spricht von 60-prozentigen Zöllen auf sämtlichen chinesischen Waren und einen «Universalzoll» von 10 oder 20 Prozent auf allem Anderen, das in die USA kommt.

Trump beharrt darauf, dass die Kosten der Besteuerung von Importwaren von den ausländischen Staaten absorbiert werden. Aber die Wahrheit ist, dass die US-Importeure den Zoll bezahlen – und die Kosten dann üblicherweise in der Form höherer Preise an die Verbraucher weiterzugeben. Kimberly Clausing und Mary Lovely vom Peterson Institute haben beispielsweise errechnet, dass eine 60-prozentige Steuer auf chinesische Einfuhren und ein 20-prozentiger Zoll auf alles Andere typischen US-Haushalten nach Abzug von Steuern zusammengenommen einen Verlust von jährlich 2600 Dollar (rund 2250 Franken) bescheren würden.

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Wie sich Trumps Abschiebungspläne auswirken würden

Trump hat die «grösste Abschiebungsoperation» in Sachen illegale Einwanderung in der US-Geschichte in Aussicht gestellt. Viele Volkswirtschaftler sagen indes, dass die starke Immigrationswelle in den jüngsten Jahren geholfen habe, die Inflation zu zähmen und zugleich eine Rezession zu verhindern. Der Zustrom im Ausland geborener Arbeiter hat es leichter gemacht, offene Arbeitsplätze zu besetzen – und damit den Druck auf Arbeitgeber verringert, die Löhne stark anzuheben und die hohen Arbeitskosten durch Preiserhöhungen auf die Verbraucher zu verlagern.

Die Netto-Immigration – Ankünfte minus Abgänge – lag 2023 bei 3,3-Millionen, und Arbeitgeber benötigten die Neuankömmlinge. Die Wirtschaft erholte sich in rasantem Tempo von der Corona-Epidemie, und Firmen hatten Mühe, genügend Arbeiter zu finden, um der massiven Nachfrage entsprechen zu können. Immigranten füllten die Lücke.

Wendy Edelberg und Tara Watson von der Denkfabrik Brookings Institution ebenfalls in Washington sagen, dass es der Zustrom von Fremdarbeitern den USA ermöglicht habe, Jobs zu schaffen, ohne die Wirtschaft zu überhitzen. In der Vergangenheit schätzten Ökonomen, dass US-Arbeitgeber nicht mehr als 100'000 Arbeitsplätze im Monat hinzufügen könnten, ohne Inflation anzufachen. Jetzt, so die Expertinnen, könnten es 160'000 bis 200'000 sein, ohne einen Aufwärts-Preisdruck zu erzeugen.

Trumps Massenabschiebungen würden alles ändern. Das Peterson Institute hat errechnet, dass die Inflationsrate 2026 um 3,3 Prozentpunkte höher liegen würde, wenn er es hinbekäme, alle 8,3 Millionen Fremdarbeiter ohne Papiere, die schätzungsweise in den USA Jobs ausüben, aus dem Land zu verweisen.

Einmischung bei Zinsen würde Inflationsbekänpfung erschweren

Die Notenbank Fed bekämpft hohe Inflation mit Zinserhöhungen, um Ausgaben zu bremsen und die Wirtschaft zu verlangsamen. Forschungen haben ergeben, dass sie und anderen Zentralbanken die Inflation nur angemessen managen können, wenn sie unabhängig von politischem Druck bleiben. Denn Zinserhöhungen können wirtschaftlich schmerzhaft sein, vielleicht sogar eine Rezession erzeugen, und so sind sie Politikern, die wiedergewählt werden sollen, ein Gräuel. 

Entsprechend hat Trump viele Ökonomen im August alarmiert, als er sagte, dass er versuchen würde, bei Fed-Zinsentscheidungen «ein Wort mitzureden». Dem Peterson Institute zufolge würde ein Eingriff in die Unabhängigkeit  – sprich, politischer Druck, die Zinsen niedrig zu halten – die Inflation um 2 Prozentpunkte im Jahr erhöhen. 

dpa