Late Night USADer Facebook-Absturz und was QAnon und Schwurbler daraus machen
Von Philipp Dahm
6.10.2021
Für die einen war es ein Server-Problem, für QAnon – mal wieder – der Beginn der Endzeit. Deutsche Schwurbler waren dagegen uneins, was der Ausfall von Facebooks «Deep-State-Netzwerken» zu bedeuten hat.
Von Philipp Dahm
06.10.2021, 15:55
08.10.2021, 13:59
Philipp Dahm
Eigentlich heisst diese Kolumne ja «Late Night USA», doch heute verschlägt es uns dennoch in den deutschsprachigen Raum – auch wenn die Wurzel des im Folgenden beschriebenen Übels in den Vereinigten Staaten liegt.
Denn es geht einerseits um Facebook – und andererseits um die Anhänger der QAnon-Verschwörungstheorien und andere Schwurbler: Das soziale Netzwerk ist nicht nur von einer Whistleblowerin vorgeführt worden, sondern war am Montag auch stundenlang komplett ausgefallen. Neben Facebook waren auch Instagram und Google Mail betroffen.
«Das Einzige, was gestern am Laufen war, waren zum ersten Mal seit Jahren die Amerikaner», lästert der Late-Night-Host von «Jimmy Kimmel Live». Grund dafür sei eine Störung der Kommunikation zwischen internen Facebook-Servern gewesen. «Aber die QAnon-Gruppe hat das anders gesehen.»
«Hey, schaut auf meinen Aluhut»
Kimmel erklärt: Sie «glauben, es war der Start vom dem, was sie den Blackout nennen». Ein lange erwarteter, zehn Tage dauernder nationaler Blackout: «Ich weiss nicht, ob das heisst, dass die Lichter ausgehen werden oder die Medien offline gehen. Ich weiss es nicht, aber sie glauben, dass jeder – von Tom Hanks bis Joe Biden – währenddessen verhaftet wird.»
Kimmel kann das nicht verstehen. «Warum Tom Hanks? Also wenn du schon einen Schauspieler nimmst, warum nicht Charlie Sheen?» Irgendwer, bei dem man denken könnte: «Na ja, es ist möglich»? «Was ist bloss aus den vernünftigen Verrückten geworden?», fragt der Moderator. «Hey, schaut auf meinen Aluhut, der die Mikrowellen blockiert?»
Und nun springen wir einmal über den grossen Teich und von ABC zu SWR, der für die ARD und auch für Youtube die Sendungen «Walulis Daily», «Walulis Woche» und «Walulis Story» produziert, die von dem Deutschen Philipp Walulis moderiert werden. Warum? Weil dort die Redaktion beleuchtet, wie sich deutschsprachige Schwurbler in die Nesseln gesetzt haben, als sie in das überschaubare technische Problem grosse gesellschaftliche Hintergründe hineininterpretierten.
«10 Hours of Dummheit»
Denn auch deutsche Fans von Verschwörungstheorien haben in der Unterbrechung quasi die «Apokalypse» gesehen, weiss Walulis. «Die Befreiung startet», hat etwa die umstrittene deutsche Abgeordnete Eva Rosen verbreitet. «Totalausfall der Deep-State-Netzwerke, danach Blackout für mindestens zehn Tage. Es kommt die Wahrheit ans Licht!»
Late Night USA – Amerika verstehen
Blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
«Die Schwurbler prophezeien die von ihnen viel beschworenen 10 Day of Darkness, die aber eigentlich gestern Abend zu 10 Hours of Dummheit geworden sind», erklärt der Moderator, bevor er eine Tonaufnahme von Attila Hildmann abspielt. Der Verschwörungstheoretiker hat sich in die Türkei abgesetzt, seit die deutsche Justiz Ermittlungen gegen ihn eingeleitet hat.
«Dieses Schlafschaf-Social-Network fällt jetzt aus, aber es wird früher oder später auch Telegram ausfallen», will der Berliner wissen. Jetzt ist die Zeit der Abrechnung gekommen, suggeriert er. Die Folge: «Blackouts, Stromausfälle, Ausfälle von der Internetstruktur und natürlich auch Ausfall von Social Media.»
Dumm nur, wenn es gute Gründe gibt
Das Ganze sei allerdings von langer Hand geplant. Nicht von jenen, die Joe Biden angeblich verhaften wollen, sondern von der deutschen Regierung, meint Hildmann und verweist auf einen Werbespot, den angeblich das Bundesinnenministerium gedreht hat und in dem sich eine Seniorin «selber mit Teelichtern einen Ofen baut».
Dumm nur, dass sich der 40-Jährige nun von Moderator Walulis erklären lassen muss, dass es besagten Clip zwar gebe, aber auch einen guten Grund dafür. Wenige Tage zuvor sei im Bundesland Nordrhein-Westfalen nämlich der «Katastrophenschutz-Tag» gewesen, was der wahre Anlass für den Werbespot gewesen sei. Anschliessend unterlegt die Redaktion den Clip nochmal lustig mit der Musik der TV-Serie «MacGyver».
Tatsächlich sind sich die Schwurbler in der Deutung des Ausfalls uneinig. «Facebook, Instagram und WhatsApp klauen eure Daten mit dem neuen Update und so wird der neue soziale Schufa-Wert eingetragen», posaunt etwa der «Wunderheiler» Dr. C alias Bernd Klein in die Welt hinaus. «Wer nicht geimpft ist und wer kritisch ist, wird nicht mehr in der Lage sein, Häuser zu kaufen, ein Konto aufzumachen.»
«Der deutscheste Begriff für Karma, den ich je gehört habe»
Konter Walulis: «Sozial-Schufa ist der deutscheste Begriff für Karma, den ich je gehört habe.» Zur Erklärung: Die Schufa ist die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung und das deutsche Pendant zum Auszug aus dem Betreibungsregister.
Die deutsche Impfskeptikerin und Sängerin Sara Bennet teilt nach dem Ausfall mit: «Sie rasseln mit den Ketten und wollen uns Angst machen. Bleibt gut bei euch, es gibt nichts, wovor ihr euch fürchten müsst. Ich stehe wie eine deutsche Eiche mit euch fest verwurzelt im Sturm.»
«Eine Dame des Dramas», lästert Walulis. «Jetzt mal ehrlich, da ist eine Website für sieben Stunden nicht verfügbar und schon labert sie von rasselnden Ketten und der bedrohten deutschen Eiche. Aber sie schwurbeln alle tapfer weiter.» Weil Telegram noch online ist – und das, obwohl die Firma laut Attila Hildmann in Dubai sitzt.
Der Kontext? «Habt ihr mal die Impfquote in Dubai angeschaut? Die machen doch komplett die Agenda mit. Es wird früher oder später auch Telegram ausfallen.» Na ja, und nun sind Facebook und Co. wieder online, Telegram funktioniert immer noch, und wenn die Fans von Verschwörungen noch nicht gestorben sind, dann schwurbeln sie noch heute: Der nächste Weltuntergang kommt bestimmt.