Late Night USA«Als ich gegangen bin, war die Pandemie quasi vorbei»
Von Philipp Dahm
21.8.2021
Mögen Sie sich noch an einen gewissen Donald Trump erinnern? Er war US-Präsident, als die Pandemie losschlug. Die war quasi schon besiegt, doch dann hat Biden alles kaputtgemacht. Angeblich. Seth Meyers widerspricht.
Von Philipp Dahm
21.08.2021, 00:00
Philipp Dahm
Donald Trump hat Nerven! Da sagt er doch tatsächlich am 18. August bei einem Anruf beim Sender «Fox»:
«Ich bin geimpft. Ich bin sehr, sehr stolz auf den Impfstoff. Trotzdem gibt es einige, die ihn nicht nehmen wollen. Wissen Sie, als ich noch Präsident war, gab es das Problem nicht, dass Leute ihn nicht nehmen wollen. Sie nehmen ihn nicht, weil sie Biden und der Biden-Administration nicht trauen. Als ich noch Präsident war, haben die Leute nicht gegen den Impfstoff protestiert. Denken Sie doch mal zurück: Jeder wollte es nehmen, und wir haben über eine Million Dosen pro Tag gegeben. Wir haben die Nummer gerockt.»
«Der Auftakt der Impfungen unter deiner Präsidentschaft war ein Desaster«, antwortet Seth Meyers in seiner Late-Night-Show in Richtung Trump. «Du hast wiederholt deine eigenen Ziele verfehlt, Dosen mussten weggeworfen werden und die Leute standen Schlange für die Impfung stundenlang Schlange. Und du hast einfach desertiert, weil du deine Zeit damit verbracht hast, zu versuchen, die Wahl umzudrehen.»
Zur unschönen Erinnerung spielt Late Night with Seth Meyers einen Bericht vom 18. November 2020 ein, in dem die Reporterin berichtet, Trump habe seit fünf Monaten kein Task-Force-Meeting mehr besucht. Ein zweiter Clip vom 15. Januar 2021 zeigt, wie Trump-Verehrer und Kissen-Millionär Mike Lindell das Weisse Haus verlässt: Fotografien zeigen, dass er in seinen Notizen die Ausrufung des Kriegsrechts mit dem Noch-Präsident besprach.
Carlson flasht sich selbst
Es gibt für Meyers nur eines, das noch absurder als Trumps Aussage ist, er habe die Impfung gerockt: seine «groteske Lüge», dass Covid vorbei war, als er das Weisse Haus geräumt hat. Ja, auch das hat der Ex-Präsident vorgestern beim Fox-Anruf behauptet: «Als ich gegangen bin, war es quasi vorbei.» Meyers kontert: «Wir können uns an den Januar noch erinnern. An Trumps letzten Tag im Amt gab es 180'000 neue Fälle.»
Es sei eine Sache, dass Fox lüge – es sei eine andere, dass nun auch versucht werde, die Geschichte umzuschreiben – in Goerge-Orwell-Manier, wie es der Gastgeber nennt. Und das, nachdem 400'000 Amerikaner der Seuche erlegen sind, als Trump an Biden übergeben hat. Es sei nicht so wie in «Man in Black», dass einfach jemand mit einem Neuralyser das Gedächtnis auslöschen könne.
«Aber sie würden es versuchen, wenn sie könnten», ätzt Meyers. «Tucker Carlson sieht immer so aus, als hätte er sich versehentlich selbst mit einem Neuralyser geblitzt. Rugy [Guliani] hingegen sieht aus, als hätte er sich auf einen raufgesetzt. ‹Oh nein, in meinem Arsch bewahre ich all meine Erinnerungen!›»
«Ich kann es einfach nicht begreifen»
Das Problem im heutigen Amerika ist, dass Trumps unstete Covid-Politik Schule macht. Gerade diejenigen Gouverneure, die als besonders glühende Verehrer gelten, kämpfen in ihren Bundesstaaten mit epidemischen Zahlen. So explodieren gerade in Texas die Fallzahlen, während die Spitäler ob der Überbelegung Alarm schlagen.
Ted Cruz ist dennoch gegen jedwede Verpflichtungen für die Bevölkerung – und zwar nicht nur, was Impfungen angeht, sondern auch bei Masken. Sogar Gesetze gegen solche Vorschriften wollte der Republikaner erlassen. Meyers Kommentar: «Ich kann einfach nicht begreifen, was in einem vorgeht, der glaubt, es geht um Freiheit oder Tod, wenn man ein Stück Stoff im Gesicht tragen muss, wenn man im [Migros] Klopapier kauft.»
Late Night USA – Amerika verstehen
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Zu den Corona-Zweiflern gehören auch Trump-Jünger wie Madison Cawthorn oder Rand Paul. «Und das ist die republikanische Partei. Seit eineinhalb Jahren kämpfen wir gegen ein tödliches Virus, um so viele Menschen zu retten wie möglich.» Doch Politiker wie Floridas Gouverneur Ron de Santis, verdeutlicht der 47-Jährige.
Dein Gesicht und mein A...
«Sein Staat bricht Rekorde bei Hospitalisierungen und Patienten, und trotzdem hat DeSantis nicht nur persönlich was gegen Masken, sondern hat Lokalregierungen und Schulbezirken sogar verboten, selbst Maskenpflicht einzuführen», führt Meyers aus. DeSantis unterlegt seine populistische Politik mit einem Satz, den man nicht übersetzen kann – nicht zuletzt, weil er keinen Sinn macht, wie der Meyers festhält:
»Politicians want to force you to cover your face as a way for them to cover their own asses.»
Fazit: Die Pandemie, das Thema Impfung und die Zweifler werden die USA und den Rest der Welt wohl leider noch eine Weile beschäftigen. Schade, eigentlich.