Paar mit Zweijährigem auf Everest-Tour Evelyne Binsack: «Das ist reine Sensationshascherei»

Von Vanessa Büchel

30.1.2024

Ein Zweijähriger wurde von seinen Eltern zum Basiscamp am Mount Everest geschleppt. (Archivbild)
Ein Zweijähriger wurde von seinen Eltern zum Basiscamp am Mount Everest geschleppt. (Archivbild)
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Ein schottisches Ehepaar ist mit seinem zweijährigen Sohn zum Basecamp am Mount Everest «gewandert». Bergsteigerin Evelyne Binsack findet es «übergriffig», dass sie mit der Geschichte an die Medien gingen. 

Von Vanessa Büchel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein schottisches Ehepaar ist zum Basecamp des Mount Everest auf 5'364 Metern über Meer marschiert – in Turnschuhen. Auf dem Rücken des Vaters mit dabei: der zweijährige Carter. 
  • Die Schweizer Extrembergsteigerin Evelyne Binsack findet es «übergriffig», dass die Eltern die Geschichte an Medien verkaufen.
  • Bereits der Flug von Grossbritannien nach Kathmandu sei eine Zumutung für einen Zweijährigen.

Neuer Weltrekordhalter: Mit gerade einmal zwei Jahren ist Carter Dallas der jüngste Gast im Basecamp am Mount Everest. Zurückgelegt hat der kleine Junge den Weg auf bis 5'364 Metern Höhe natürlich nicht selbst, sondern wurde von Vater Ross Dallas in einem Tragerucksack transportiert. 

Seine Geschichte verkauft das schottische Ehepaar an britische Medien. Die «Wanderung», wie Ross Dallas es bezeichnet, sei aus einer Laune heraus entstanden. Und wurde von allen drei in Turnschuhen absolviert.

«Auf dem Bergweg zum Basislager werden die Steine durch Regen- oder Schneefall rutschig. Es kann zu einem Kälteeinbruch kommen, in diesem Gebirge herrschen extreme Wetterwechsel. Und in Turnschuhen werden die Füsse dann einfach nass und kalt», sagt Evelyne Binsack, Schweizer Extrembergsteigerin, Berufsbergführerin, Referentin und Bestsellerbuchautorin, zu blue News. 

Für sie hat die Aktion des Ehepaars aus Schottland viele Aspekte, die sie als problematisch einordnet. Vor allem aber fände sie es «schrecklich», dass Eltern ihren zweijährigen Sohn vermarkten. «Das Kind kann sich ja nicht wehren. Es könnte zwar mit Worten Ja oder Nein sagen, hat aber noch kein Verständnis für Privatsphäre vor der Öffentlichkeit. Somit handeln die Eltern hier übergriffig bezüglich der Unversehrtheit des Kleinkindes», so Binsack. 

Es handle sich dabei um eine von den inzwischen vielen Storys rund um den Mount Everest, die gar nichts mehr mit Alpinismus, Bergsteigen oder der Ethik am Berg zu tun hätten. Die erfahrene Bergsteigerin meint: «Hier geht es um reine Sensationshascherei.»

Bereits Flug von Europa nach Kathmandu ist «Zumutung»

Wichtig aber: die Einordnung des Basecamps. «Das Basislager ist noch unterhalb der sogenannten Todeszone, wo sich der Körper nicht mehr regenerieren kann.» Dennoch sei es ja schon nicht ganz unproblematisch, mit einem Zweijährigen in ein Flugzeug zu steigen. In Binsacks Augen sei bereits der Flug von England nach Kathmandu eine «Zumutung» für das Kind.

Höhen wie beim Mount-Everest-Baisislager können ausserdem durchaus kritisch werden, wenn sich das Kind vorher nicht akklimatisiert hat. Ross und Jade Dallas haben die Reise angeblich ohne Akklimatisierungszeit mit dem Zweijährigen absolviert. 

Ohne Akklimatisierung ist «richtig schlecht»

Die Schweizer Bergsteigerin sieht noch weitere Problempunkte im Unterfangen von Ross und Jade Dallas: «Ein zweijähriges Kind hat noch kein Ich-Bewusstsein entwickelt und befindet sich noch in der Symbiose mit der Mutter und dem Vater.» Diese Bindung müsse eigentlich im Vordergrund stehen und dafür brauche es keine Ausflüge zum Mount Everest oder Reisen nach Teneriffa. 

Eine Reise nach Kathmandu könne laut Binsack eine totale Überladung an Unbekanntem für einen Zweijährigen darstellen.

Ein Kleinkind brauche noch «den Kokon», die vertraute Gegend, um zu lernen, sich selber darin zu entfalten und auszudehnen. «Das ist einer der wichtigsten Prozesse in der psychischen Entwicklung eines Kleinkindes. Wahrscheinlich mache ich mich bei vielreisenden Eltern unbeliebt mit dem Statement, dass ein heranwachsender Mensch in dieser wichtigen Phase weder einen Flug nach Kathmandu noch sonst wohin braucht.»

Schlussendlich käme es aber auch auf viele Faktoren an, ob der Zweijährige Schaden an einem solchen Ausflug nehmen könnte. Binsack führt aus: «Wie lange hatten sie zum Basislager? Wie haben sie sich akklimatisiert? Hat das Kind Kopfweh bekommen und sind sie nach Lukla, der offizielle Ausgangspunkt des Trekkings, geflogen?» Lukla liege auf über 2800 Metern über Meer und viele Leute würden auf dieser Höhe bereits Beschwerden spüren.

Binsack findet die Umstände, wie das Elternpaar die Everest-Tour angeht, unpassend. Dass sie auf Kosten der Unversehrtheit des Kleinkindes Reisegeld einsacken, sei zutiefst bedauerlich.


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