Leben mit dem Virus VPlötzlich Pfarrer ohne Publikum – «das ist auch eine Chance»
Aufgezeichnet von Anna Kappeler
10.4.2020
Das Coronavirus zwingt allen einen neuen Alltag auf. Doch wie fühlt es sich an, dieses neue Leben? «Bluewin» lässt in einer Serie eine Woche lang jeden Tag jemanden davon erzählen. Zum Karfreitag: der Pfarrer des Zürcher Grossmünsters.
«Ich bin seit 17 Jahren Pfarrer am Grossmünster. Mich treibt vor allem eine Frage um: Was tun, da wegen der Corona-Krise keine Gottesdienste mehr stattfinden können? Dieser Entscheid des Bundesrats hat den Kirchen ganz schön den Boden unter den Füssen weggezogen. Auch wenn ich den Entscheid nachvollziehen kann.
Ja, und jetzt bin ich plötzlich ein Pfarrer ohne Publikum. Wie damit umgehen? Ich habe für mich drei Antworten auf diese Frage gefunden. Erstens: Ich orientiere mich am Zürcher Reformator Huldrych Zwingli. Zwingli hat vor 500 Jahren die Pest erlebt, welche einen Drittel der Zürcher Bevölkerung ausradierte.
Zur Person
Christoph Sigrist ist Pfarrer am Zürcher Grossmünster. Daneben ist der 57-Jährige Dozent für Diakoniewissenschaft an der Universität Bern. Früher war er auch Armeeseelsorger im Schweizer Militär. Sigrist ist verheiratet und Vater zweier Söhne.
Verglichen damit relativiert sich die Corona-Krise. Zwingli war offen für neue Kommunikationsmittel – namentlich den Buchdruck. Analog dazu streame ich nun meine Gottesdienste live ins Netz.
Zweitens: Der Stream ist nicht der Tod des physischen Gottesdienstes. Im Gegenteil: Er ist eine Ergänzung. Ich freue mich über diese neue Möglichkeit, so mehr Leute zu erreichen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Da halte ich es ganz nach dem Berner Pfarrer und Poeten Kurt Marti: ‹Gottes Sein blüht gesellig.›
Der heutige Karfreitags-Gottesdienst zum Thema ‹Schweigen und Staunen› findet ab 10 Uhr als Live-Stream-Aufzeichnung bei geschlossener Kirche statt.
Drittens: Die Sprache der Religion muss sich stetig ändern, das ist bei Zwingli so gewesen, das ist jetzt so. Ich sehe die aussergewöhnlichen aktuellen Umstände auch als Chance, ‹schöpferisch› zu sein, Neues zu wagen.
Existenzbedrohende Engpässe – das ist neu
Als Pfarrer halte ich nicht nur Gottesdienste, sondern bin auch Seelsorger, kümmere mich um Hilfsbedürftige. Das ist eine Herausforderung. Ich kann die Leute nicht mehr physisch besuchen und ihnen Trost zusprechen, sondern spreche nun telefonisch mit ihnen.
Besonders berührt hat mich die Geschichte eines Kleinunternehmers, der bis Ostern 15'000 Franken verloren hat. Das ist neu: Leute, die stets gearbeitet haben, geraten plötzlich in finanzielle, ja existenzbedrohende Engpässe. Daraus resultierten Scham und Ängste.
Hier sehe ich die Gefahr einer neuen, versteckten Einsamkeit, weil sich diese Menschen ausser einem Pfarrer niemanden anzuvertrauen wagen.
Scheinbar erinnern sich die Menschen in Krisenzeiten an die Kirche. Die Kirche steht noch immer für Nächstenliebe – schön, dass sich die Leute daran erinnern.
Auch ich halte mich selbst ohne Gottesdienst abends oft im Kirchenraum des Grossmünsters auf. Der Ort gibt mir Ruhe und Kraft.
Verzichte nicht auf Sterbebegleitung
Ich persönlich habe gar keine Angst vor dem Virus. Ich versuche, die Situation mit Humor zu nehmen. Genau wie sich Zwingli nicht vor der Pest ängstigen liess, sehe auch ich es als innere Berufung, jetzt zu helfen.
Meine Berufung als Pfarrer wird nicht tangiert, sondern vielmehr werde ich herausgefordert, neue Wege zu finden. Deshalb verzichte ich nicht auf Hausbesuche, wenn mich jemand für eine Sterbebegleitung ruft. Wenn ich helfen kann, helfe ich.
Werte Arbeit aus – Arbeit im stillen Kämmerlein
Ich habe noch einen zweiten Job. Ich bin Dozent für Diakoniewissenschaft an der Universität Bern. Dafür werte ich gerade eine wissenschaftliche Arbeit aus und kommentiere diese. Das ist ohnehin Arbeit im stillen Kämmerlein, das kommt sehr gelegen gerade.
«Ich verzichte nicht auf Hausbesuche, wenn mich jemand für eine Sterbebegleitung ruft. Wenn ich helfen kann, helfe ich.»
Und privat? Ich bin verheiratet und Vater zweier Söhne (24 und 20 Jahre). Ein Sohn wohnt in einer WG, der andere noch zu Hause. Der eine Sohn ist gerade an der Berufsmatur und vollzieht diese nun halt online. Das geht erstaunlich gut. Der andere Sohn studiert und schreibt seine Arbeiten von daheim aus. Man arrangiert sich.
Im Alltag zählt nicht nur Corona
Am Familien-Esstisch ist die Corona-Krise sehr präsent. Nur schon deshalb, weil meine Frau Lehrerin ist und sich auch für sie sehr viel ändert durch die Corona-Krise.
Aber das Thema ist eines von vielen, im Alltag zählt nicht nur Corona. Davon muss man sich auch bewusst manchmal abgrenzen. Gerade, da meine Frau und ich ‹helfende Berufe› haben.»
Serie zum Thema «Leben mit dem Virus»
Wie tickt die Schweiz in Zeiten von Corona? Eine Woche lang lässt «Bluewin» in einer Artikelserie jeden Tag eine andere Person über ihren neuen Alltag erzählen. Die Porträtierten haben dabei gänzlich unterschiedliche Berufe, um einen vielschichtigen Blick in unterschiedliche Leben zu erhaschen. Wir schliessen die Serie hiermit mit dem Blick von aussen, mit demjenigen einer Auslandschweizerin.
Evakuierungsaktion bei der Seilbahn Lungern-Turren in Lungern im Kanton Obwalden: Wegen einer technischen Panne mussten rund 27 Personen mit dem Helikopter gerettet werden.
Bild: KEYSTONE
Zu zweit durch dick und dünn – und durch heiss und eiskalt: Dieses Liebespaar sprang am Valentinstag in Hamburg ins kalte Wasser.
Bild: Georg Wendt/dpa
Fasnächtliche und farbenfrohe Puppen zieren das Dorf Seelisberg im Kanton Uri über die Fasnachtstage. Die Fasnacht 2021 ist im Kanton Uri aufgrund der Corona-Ppandemie praktisch verboten, es duerfen maximal nur 5 Personen unterwegs sein, aber als einer der wenigen Kantone ist in Uri das Spielen von Musikinstrumenten erlaubt. (13.02.2021)
Bild: KEYSTONE/Urs Flueeler
Die Pandabären-Geschwister Paule (r) und Pit (l) spielen in ihrem Gehege im Zoo Berlin im Schnee. (13.02.2021)
Bild: Kira Hofmann/dpa-Zentralbild/dpa
Halb Euroopa friert. Diese Heidschnucken in Braunschweig jedoch lassen sich von den frostigen Temperaturen nicht beeindrucken. (13.02.2021)
Bild: Stefan Jaitner/dpa
Sahara-Sand färbt Schnee und Himmel orange im Skigebiet Anzère in der Schweiz.
Bild: Keystone/Laurent Gillieron
Menschen drängen sich in der Einkaufsstrasse Via del Corso in Rom nachdem die Corona-Massnahmen gelockert wurden.
Bild: Cecilia Fabiano/dpa
Irgendwo dort versteckt sich die A7: Nahe Hannover herrscht dichtes Schneetreiben auf der Autobahn.
Bild: Julian Stratenschulte/dpa
Eine Replik der Saffa-Schnecke fotografiert vor der Schweizer Nationalbank während einer Jubiläumsaktion organisiert von Bern Welcome, zu 50 Jahren Frauenstimm- und -wahlrecht. (06.02.2021)
Bild: Anthony Anex/Keystone
Ein Porträt von Elisabeth Vischer-Alioth wartet darauf, an eine Hauswand geklebt zu werden, während der Vorbereitungen zur Ausstellung «Hommage 2021: Porträts von mutigen Frauen in der Berner Altstadt». (06.02.2021)
Bild: Anthony Anex/Keystone
Abgeschirmte Speisekuppel. So geht es auch. Im israelischen Jerusalem speisen Restaurantbesucher abgeschirmt von anderen Gästen in einer Kuppel. Israel plant trotz anhaltend hoher Infektionszahlen erste Lockerungen einleiten. (06.02.2021)
Bild: Muammar Awad/XinHua/dpa
Ein überfluteter Platz beim Flussufer in Saint-Ursanne. Der Fluss Doubs trat nach starken Regenfällen über die Ufer. (31.1.2021)
Bild: Keystone
Während einer Demonstration gegen die Inhaftierung von Kremlkritiker Nawalny führen russische Polizisten einen Mann ab. (31.1.2021)
Bild: Aleksander Khitrov/AP/dpa
Imposante Kulisse: In Los Angeles können sich die Menschen unter anderem auf dem Parkplatz des Dodger Stadium gegen Corona impfen lassen. (31.1.2021)
Bild: Damian Dovarganes/AP/dpa
Mehr als zwei Kilometer durch den eiskalten Bodensee: Der Extremschwimmer Paul Bieber hat mit seinem Versuch den deutschen Rekord im Distanz-Eisschwimmen gebrochen. Der 37-Jährige schwamm bei unter fünf Grad Wassertemperatur 2210 Meter weit. 43,03 Minuten brauchte er dafür. (30.1.2021)
Bild: Felix Kästle/dpa
Gleich zwei Mal binnen 48 Stunden gab es in Raron im Kanton Wallis infolge der Schlechtwettersituation in den letzten Tagen Felsstürze. (30.1.2021)
Bild: KEYSTONE/Laurent Gillieron
Vor einem pittoresken Wolkenhimmel zeigt Max Ross auf einer Slackline im Hillcrest Park im kalifornischen Fullerton sein Können. (30.1.2021)
Bild: Mark Rightmire/The Orange County Register/dpa
Ein internationales Forscherteam hat auf Madagaskar eine neue Chamäleonart entdeckt, bei der das Männchen lediglich 13,5 Millimeter lang ist. Obwohl das männliche Tier das kleinste unter rund 11‘050 Reptilienarten ist, verfügt es in Relation zur Körpergrösse über die die grössten Genitalien. Der Grund: Eine erfolgreiche Paarung mit den bedeutend grösseren Weibchen wäre sonst nicht möglich. (28.1.2021)
Bild: Frank Glaw/SNSB-ZSM/dpa
Und dann hatte Hamburg eine Mülldeponie mehr: Im Stadtteil Norderstedt der Hansestadt türmt sich in einem Gewerbegebiet bis zu sechs Meter Müll wie Bauschutt, Teerpappe, Dämmstoffe, Asbest und anderes. Der Unternehmer, der dort bestimmte Stoffe nur zwischenlagern durfte, ist verschwunden. Die Staatsanwaltschaft sucht nun nach ihm. (27.1.2021)
Bild: Christian Charisius/dpa
«Minor Canyon»: Schwere Regenfälle haben im kalifornischen Monterey County zu Schlammlawinen, Überschwemmungen und zu dieser beeindruckenden Mini-Schlucht geführt. (28.1.2021)
Bild: Noah Berger/AP/dpa
Gedenken: Die New Yorker Verkehrsbetriebe ehren 136 Mitarbeiter, die am Coronavirus gestorben sind, mit einer digitalen Gedenkstätte an 107 U-Bahn-Stationen – wie hier in der Moynihan Train Hall im New Yorker Stadtteil Manhattan. (29.1.2021)
Bild: John Minchillo/AP/dpa
Schlange an der Notaufnahme: Rettungssanitäter warten vor dem Santa Maria Krankenhaus in Lissabon, um Covid-19-Patienten zu übergeben. Portugal gehört momentan zu den Ländern mit den weltweit höchsten Neuinfektionszahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl. (28.1.2021)
Bild: Armando Franca/AP/dpa
Feuer an der Tankstelle: Die deutsche Rastanlage Hunsrück Ost an der Autobahn A61 ist einer nur knapp einer Katastrophe entgangen, nachdem hier ein Kleintransporter beim Betanken in Vollbrand geriet. Erst die Feuerwehr konnte das Feuer löschen – zuvor hatte der Kassier allerdings richtig reagiert und per Notschalter die ganze Tankanlage ausser Betrieb genommen. (28.1.2021)
Bild: Keystone
Strand ohne Leben: Ein Bademeister arbeitet am leeren Strand von Palma auf Mallorca. Derzeit gibt es Corona-bedingt kaum Touristen auf der Ferieninsel. (28.1.2021)
Bild: Mar Granel Palou/dpa
Da kann man auch grosse Augen machen: Auf einer österreichischen Landstrasse ist eine Waldohreule mit einem Auto zusammengestossen. Der Vogel überstand den Crash mit dem Bruch eines Flügels und wird derzeit auf einer Greifvogelstation aufgepäppelt. (28.1.2021)
Bild: APA/Keystone
Phantompatienten: An der Universität Leipzig warten Dummys mit einem Metallkopf, in den künstliche Gebisse hineingeschraubt werden können, auf Zahnmedizinstudenten. (28.1.2021)
Bild: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Winston hat das Coronavirus besiegt: Der Gorilla erholt sich im Zoo von San Diego nach einer umfangreichen medikamentösen Behandlung von einem schweren Verlauf seiner Corona-Infektion. Bei dem 48-jährigen Silberrücken Winston waren im Zuge der Infektion eine Lungenentzündung und Herzprobleme aufgetreten. Er wurde daraufhin mit einer Antikörper-Therapie, Herzmedikamenten und Antibiotika behandelt. (26.1.2021)
Bild: Ken Bohn/San Diego Zoo Global/dpa
Auf glühenden Kohlen: Ein Mann produziert im Gaza-Streifen beim dort grössten Produzenten Holzkohle. Als bestes und teuerstes Holz für diesen Zweck gilt das von Zitrusbäumen, aber auch das von Olivenbäumen wird gerne verwendet. (26.1.2021)
Bild: Keystone
Von Ruhe auf einer Parkbank kann hier nicht die Rede sein: Möwen und Tauben schwirren und fliegen um eine Frau in Tokio umher. (26.1.2021)
Bild: Eugene Hoshiko/AP/dpa
Schnack beim Snack: Fischer Willy Rivas scherzt im peruanischen Lima mit einem Freund beim Essen in der Fischerbucht in Chorrillos. (26.1.2021)
Bild: Rodrigo Abd/AP/dpa
Banger Blick zum Horizont: Ein freiwilliger Helfer benutzt sein Walkie-Talkie, während er den Vulkan Mount Merapi während einer Eruption überwacht. Der Vulkan, der als einer der gefährlichsten der Welt gilt, ist erneut ausgebrochen und spukte mehrere Stunden glühende Asche und Gestein. (27.1.2021)
Bild: Slamet Riyadi/AP/dpa
Stausee verkommt zu «fliessenden Müllhalde: Ein Mann geht an Tonnen von Müll vorbei, die am Fusse des Wasserkraftwerks am Potpecko-Stausee in Serbien schwimmen. Vor allem Plastikabfälle gelangen durch Nebenflüsse in den Stausee und sammeln sich hier an. Eine serbische Zeitung schrieb bereits von einer «fliessenden Müllhalde». (26.1.2021)
Bild: Darko Vojinovic/AP/dpa
Dickschädeltest: Stirn an Stirn messen zwei Rinder im deutschen Naturschutzgebiet Boberger Niederung ihre Kräfte. (25.1.2021)
Bild: Daniel Bockwoldt/dpa
Nasskaltes Ende: Zwischen Frauenfeld und Matzingen ist eine 33-jährige Wagenlenkerin bei Glatteis von der Strasse abgekommen und im Murgkanal gelandet. Die Frau wurde mit leichten Verletzungen ins Spital gebracht. (26.1.2021)
Bild: Kapo TG
Opfer der Zerstörungswut: Ein Mann räumt in einem Fast-Food-Restaurant in Rotterdam auf. Die Niederlande sind erneut von sogenannten Corona-Krawallen erfasst worden. Hunderte gewaltbereite Jugendliche hatten nach Polizeiangaben in mehreren Städten randaliert und dabei auch die Polizei angegriffen. (25.1.2021)
Bild: Peter Dejong/AP/dpa
Auf den Hund gekommen: Vierbeiner der Indian Railway Protection Force zeigen anlässlich des indischen Nationalfeiertags ihre Kunststückchen.
Bild: KEYSTONE
Galionsfigur mit Kettensäge: Im ungarischen Szilvásvárad streckt sich ein Feuerwehrmann auf dem Dach eines Zugs, um einen Ast abzusägen, der unter der Schneelast heruntergebrochen ist und die Bahnstrecke blockiert. (25.1.2021)
Bild: Keystone
Und sie tun es immer noch: In Rio De Janeiro tummeln sich grosse Menschenmengen auf engem Raum am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro. Und das obwohl Brasilien nach wie vor sehr hohe Corona-Fallzahlen hat.
Bild: Bruna Prado/AP/dpa
Himmlische Hilfe: Feuerwehrfrau Tegan Rayner von der Belair Brigade CFS freut sich über den Regen, während sie nach Löscharbeiten der Buschbrände in Cherry Gardens in der Nähe von Adelaide, Australien, steht. (25.1.2021)
Bild: Brenton Edwards/ADELAIDE ADVERTISER/AAP/dpa
Winterfest: Stammrosen sind im Rosenpark Dräger in Steinfurth, Deutschland, mit Folie kältesicher verpackt. (25.1.2021)
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