Leben mit dem Virus IV «Unsere Kläranlage ist ein systemkritischer Betrieb»

Aufgezeichnet von Tobias Bühlmann

9.4.2020

Dreckwasser zu reinigen, geht nicht aus dem Homeoffice heraus: Ein Klärbecken der Abwasserreinigungsanlage Oberes Kiesental.
Dreckwasser zu reinigen, geht nicht aus dem Homeoffice heraus: Ein Klärbecken der Abwasserreinigungsanlage Oberes Kiesental.
Bild: zVg

Das Coronavirus zwingt allen einen neuen Alltag auf. Doch wie fühlt es sich an, dieses neue Leben? «Bluewin» lässt in einer Serie eine Woche lang jeden Tag jemanden davon erzählen. Heute: ein Klärwart.

Ich bin Betriebsleiter der Kläranlage Oberes Kiesental. Die Coronakrise trifft auch uns – aber wir können unsere Arbeit nicht einfach von daheim erledigen. Zudem sind wir als kritischer Betrieb eingestuft worden. Weil wir im Betrieb nur zu dritt sind, mussten wir ein eigenes Konzept erstellen, wie wir die Arbeit doch noch sicherstellen können, auch falls jemand krank werden sollte.

«Wir stehen alle vor dem gleichen Problem»

Zur Person

Ivan Cammarere (43) ist Betriebsleiter der Abwasserreinigungsanlage Oberes Kiesental in Freimettigen/BE. Der eidg. diplomierte Klärwerkfachmann arbeitet seit 2009 an seinem jetzigen Arbeitsort.

Wir finden keine Leute, die wir einfach von heute auf morgen anstellen und einsetzen können. Für Vertretungen sprechen wir uns sonst mit anderen Kläranlagen ab, die uns dann ihr Personal ausleihen. Aber das geht im Moment nicht, wir stehen alle vor dem gleichen Problem. Darum haben wir unseren Betrieb nun so organisiert, dass immer nur eine Person im Betrieb ist, damit möglichst nicht alle aufs Mal krank werden.

Wir haben in der ARA Oberes Kiesental nun Sitzungen, Projekte und Ähnliches erst mal zurückgestellt. Aber die Routinearbeiten und damit der tägliche Betrieb sind sichergestellt. Für Arbeiten, die nur zu zweit gehen, haben wir ein Backup-System eingerichtet. Dann kommt ein zweiter in den Betrieb und packt mit an – natürlich mit genügend Abstand.

Chronologie der Coronakrise

Ich selber war zwei Wochen nicht mehr dort, der Betrieb wird durch meine zwei Mitarbeiter aufrechterhalten. Ich mache stattdessen Home Office, wo es geht. Und sonst bin ich genug gefordert damit, dass unsere drei schulpflichtigen Söhne zu Hause sind und wir zu ihnen schauen müssen.

«Die Produktion geht weiter»

Wenigstens aus der Ferne habe ich bisher nicht bemerkt, dass sich am Zufluss etwas geändert hätte, jetzt wo mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten. Aber bei uns macht das Abwasser aus den Siedlungen nur etwa die Hälfte des Volumens aus. Die andere Hälfte kommt von Industriebetrieben, zu uns fliessen beispielsweise auch die Abwässer aus dem Nestlé-Werk in Konolfingen, der ehemaligen Stalder. Und dort geht die Produktion weiter.

Aber so nach all den Tagen zu Hause fällt mir schon etwas die Decke auf den Kopf. Darum bin ich vor einigen Tagen zu meinen Eltern in der Nähe gegangen und habe ihren Hund ausgeführt. So kriege ich wenigstens mal etwas frische Luft zwischendurch.


Serie «Leben mit dem Virus»

Wie tickt die Schweiz in Zeiten von Corona? Eine Woche lang lässt «Bluewin» in einer Artikelserie jeden Tag eine andere Person über ihren neuen Alltag erzählen. Die Porträtierten haben dabei gänzlich unterschiedliche Berufe, um einen vielschichtigen Blick in unterschiedliche Leben zu erhaschen.

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