Leben mit dem Virus III «Die Coronavirus-Pandemie wirft uns zurück auf Feld 1»

Von Tobias Bühlmann

8.4.2020

Gähnende Leere: Auch das Restaurant Freibank in Bern darf derzeit keine Gäste bewirten.
Gähnende Leere: Auch das Restaurant Freibank in Bern darf derzeit keine Gäste bewirten.
Bild: zVg

Das Coronavirus trifft die Gastro-Branche hart. Wie fühlt es sich an, nun plötzlich zu Hause zu sitzen, statt Gäste zu bewirten? Ein Wirt erzählt – als Teil der «Bluewin»-Serie, in der Krisenbetroffene zu Wort kommen.

«Ich wirte im Restaurant Freibank im Berner Wankdorf, zusammen mit drei Gesellschaftern gehört mir der Betrieb auch. Mit der Coronakrise habe ich schnell gemerkt, dass das nicht nur ein Job, sondern ein Lebensstil ist. Das war mir vorher schon irgendwie bewusst, aber mit der Schliessung wurde es mir dann so richtig klar. Ich habe in den letzten Wochen gemerkt, wieso mein Herz so für diese Arbeit schlägt.

«Jetzt machen wir eine Zwangspause»

Anstatt zu arbeiten und mich um das Wohlbefinden meiner Gäste zu kümmern, sitze ich nun die meiste Zeit daheim und halte mich an die Empfehlung, das Haus möglichst nicht zu verlassen. Um Kinder muss ich mich noch nicht kümmern, unser erstes ist erst unterwegs. Meine Freundin arbeitet noch rund 50 Prozent ausser Haus, da sie in einem Geschäft mit Werkstatt tätigt ist, die immer noch in Betrieb ist.

Zur Person

Adrian Wittwer (37) ist seit 20 Jahren im verschiedenen Gastrobetrieben tätig. Er ist Mitgründer und Co-Geschäftsleiter des Berner Restaurants Freibank.

Das Restaurant Freibank befindet sich im Waaghaus des früheren Schlachthofs Bern, der aber schon vor über zwanzig Jahren geschlossen und schliesslich abgebrochen wurden. Früher verkaufte hier der Schlachthof jenes Fleisch, das nicht Detailhandels-Qualität hatte. Und entsprechend bieten auch wir eher die weniger beliebten Fleischstücke an und setzen stattdessen darauf, alles Fleisch vom Tier zu verwerten.

Das Haus gehört der Stadt. Wir haben uns 2014 auf eine Ausschreibung gemeldet und nach dem Zuschlag Konzepte geschmiedet und den Umbau in Angriff genommen. Eröffnet haben wir dann im August 2017, sind also seit zweieinhalb Jahren im Geschäft. Und jetzt machen wir Zwangspause.

Versicherung deckt einen Teil des Ausfalls

Unser Restaurant ist stark auf den Mittagsservice ausgelegt, weil in unserer Nachbarschaft viele Büros stehen. In der Wankdorf City liegen unter anderem die Hauptsitze von Post und SBB. Normalerweise arbeiten hier in der Umgebung 7'000 Leute, aber jetzt kommen vielleicht noch 70 davon an ihren Arbeitsplatz. Und abends setzen wir sonst auf Apéros oder veranstalten auch immer mal wieder eine Metzgete oder andere Events. Darum würde sich auch Take Away für uns nicht lohnen.

Ein Blick auf die Freibank, wenn Gäste da sind.
Ein Blick auf die Freibank, wenn Gäste da sind.
Bild zVg

Wir haben Glück, dass unsere Betriebsversicherung einen Teil des Ausfalls deckt – das machen ja nicht alle Gesellschaften gleich im Pandemiefall. Also haben wir so zusätzliche Liquidität erhalten. Zudem haben wir auch einen Covid-19-Kredit, für die der Bund ja nun bürgt, erhalten. Wir hoffen, dass wir das geliehene Geld nach der Krise dann problemlos wieder zurückzahlen können.

«Wir können unser Personal halten»

All unseren Angestellten konnten wir im März noch den vollen Lohn zahlen, ab April erhalten sie dann noch 80 Prozent – auch diejenigen, die im Stundenlohn angestellt sind. Wir haben Kurzarbeitsentschädigung beantragt und können so unser Personal halten.

Finanziell hätte es uns schlimmer erwischen können. Wir haben in den zweieinhalb Jahren, die es uns nun gibt, viel Aufbauarbeit geleistet, und nun hätten wir zum ersten Mal etwas Schnauf gehabt, um wieder in den Betrieb zu investieren – wir wollten zum Beispiel neues Mobiliar für die Terrasse kaufen. Aber das müssen wir nun wieder streichen, das liegt jetzt halt nicht mehr drin.

Es ist ein wenig wie beim Leiterlispiel, finanziell wirft uns die Coronavirus-Pandemie wieder zurück auf Feld 1. Aber ganz so hart wie bei der Eröffnung wird es hoffentlich nicht mehr. Immerhin haben wir uns schon einen guten Ruf und eine Stammkundschaft erwirtschaftet. Wir hoffen schwer, dass die Leute dann auch wieder zu uns kommen, wenn sie zurück im Büro sind.»


Serie zum Thema «Leben mit dem Virus»

Wie tickt die Schweiz in Zeiten von Corona? Eine Woche lang lässt «Bluewin» in einer Artikelserie jeden Tag eine andere Person über ihren neuen Alltag erzählen. Die Porträtierten haben dabei gänzlich unterschiedliche Berufe, um einen vielschichtigen Blick in unterschiedliche Leben zu erhaschen.

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