Lisa Graf schreibt über Schweizer Erfolgsschoggi «Lindt & Sprüngli – zwei Familien aus völlig unterschiedlichen Milieus»

Vanessa Büchel

18.8.2024

Lisa Graf wurde in Passau, Deutschland, geboren, widmet sich in ihrem neuen historischen Roman aber der Geschichte eines Schweizer Erfolgsunternehmens: Lindt & Sprüngli.
Lisa Graf wurde in Passau, Deutschland, geboren, widmet sich in ihrem neuen historischen Roman aber der Geschichte eines Schweizer Erfolgsunternehmens: Lindt & Sprüngli.
Martina Klein

Schreiben tut sie schon ihr Leben lang, der Durchbruch als Autorin hatte Lisa Graf mit Anfang 60, als sie eine Trilogie über Dallmayr veröffentlichte. Jetzt widmet sie sich einem neuen, international bekannten Familienunternehmen – dieses Mal aus der Schweiz: Lindt & Sprüngli.

Vanessa Büchel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am 2. Oktober erscheint der erste Teil von Lisa Grafs neuer Trilogie über die Familien hinter Lindt & Sprüngli.
  • Die deutsche Autorin befasst sich mit historischen Romanen, früher schrieb sie Krimis.
  • Bekannt wurde Graf mit ihren Büchern über die Dallmayr-Familie. 
  • An Lindt & Sprüngli fasziniert sie am meisten, dass die zwei Familien «aus völlig unterschiedlichen Milieus» stammen.

Früher gab es in der Familie von Lisa Graf vor allem Schokolade von Milka oder Suchard zu naschen, wie sich die Autorin im Gespräch mit blue News erinnert. Nur zu besonderen Anlässen stand dann auch einmal eine Schachtel Pralinés von Lindt auf dem Tisch. 

Doch heute hat sich Graf, die in Passau, Deutschland, geboren wurde, dem weltberühmten Schweizer Chocolatiersbetrieb verschrieben. Oder besser gesagt, sie hat einen historischen Roman über die Geschichte hinter Lindt & Sprüngli geschrieben.

Dafür hat sie viel recherchiert, sass lange im Stadtarchiv Zürich, in der Zentralbibliothek sowie der Burgerbibliothek Bern. «Im Stadtarchiv war ich völlig gerührt, als ich dort ankam. Ich hatte mich angemeldet für den Lesesaal, die Bibliothekarin hatte mich im Vorfeld per E-Mail gefragt, was genau mein Interesse ist. Als ich im Haus ankam, stapelten sich die Bücher, Zeitschriften, Archivdokumente an meinem Platz», erzählt Graf.

Sie sei von der Hilfsbereitschaft überwältigt gewesen. «In der Mittagspause kaufte ich ein kleines Geschenk für die Bibliothekarin. Ich war das, offen gesagt, von München, dem Stadtarchiv und der Staatsbibliothek so nicht gewöhnt.»

«Habe das Schreiben immer auf später verschoben»

Ihren grossen Durchbruch hatte Graf mit einer Trilogie über das Münchener Kaffee- und Delikatessenimperium Dallmayr. Ursprünglich widmete sich die Autorin Krimis, entdeckte dann aber ein neues Genre für sich. «Zum historischen Roman bin ich noch vor der Pandemie gekommen und dabei bleibe ich jetzt, solange es mir und meinem Publikum Freude macht.»

Auslöser dazu, sich voll und ganz aufs Autorenleben zu konzentrieren, habe «die übliche weibliche Biografie» gegeben: Heirat, zwei Kinder, Kindererziehung, Landleben.

Graf verschob das Schreiben immer auf später, gab den Gedanken daran aber nie auf. «Nach dem abrupten Ende meiner ersten Ehe habe ich dann in einer persönlichen Krisensituation angefangen mit dem Schreiben von Kriminalromanen. Den Rest kennen wir jetzt schon.»

Hinter Familienunternehmen steckt immer auch ein bisschen Krimi

Am 2. Oktober erscheint nun der erste Teil von Grafs neuer dreiteiligen Saga. «Lindt & Sprüngli – zwei Familien, eine Leidenschaft» erzählt «die Geschichte eines Familienunternehmens, das im 19. Jahrhundert gegründet wurde, über alle Misserfolge, Hindernisse und Rückschläge hinweg ihren Weg zum Erfolg gefunden hat, Kriege und Wirtschaftskrisen überlebt hat und bis heute erfolgreich auf dem Markt ist». 

Erscheint am 2. Oktober: «Lindt & Sprüngli – zwei Familien, eine Leidenschaft» von Lisa Graf.
Erscheint am 2. Oktober: «Lindt & Sprüngli – zwei Familien, eine Leidenschaft» von Lisa Graf.
zVg

Am meisten fasziniert Graf an den Werdegängen von Familienunternehmen wie Lindt & Sprüngli oder Dallmayr, dass manchmal eben auch «ein Krimi dazukommt»: «Denn weder in Familien noch in Firmen gibt es ausschliesslich Heilige und Aufrichtige und die Wege zum Erfolg sind oft krumm.»

Im ersten Teil von «Lindt & Sprüngli» beleuchtet Graf den Werdegang von Rudolf Sprüngli, der davon träumt, einmal Schokolade zu machen. Die Autorin merkt an: «Übrigens als Erster in der Deutschschweiz, und tatsächlich brachte er das 1845 auch zustande.»

Dies gelingt Sprüngli damals noch in bescheidenem Umfang und unter primitiven Bedingungen sowie in ständiger Auseinandersetzung mit seinem Vater, der eher auf der Seite des Althergebrachten stand und nicht für so etwas Neumodisches und Teures wie Schokolade. 

Zwei Familien aus völlig unterschiedlichen Milieus

Was Graf beim Recherchieren für ihren Roman über Lindt & Sprüngli am meisten faszinierte? «Dahinterstecken zwei Familien aus völlig unterschiedlichen Milieus.»

Auf der einen Seite stünden die «klassischen» Handwerker Sprüngli aus Zürich, deren Stammvater David Sprüngli praktisch bei null startete, denn er war ein mittelloses Waisenkind. Dann auf der anderen Seite: der «Aristokrat» Lindt aus Bern, der Vater Apotheker und der Grossvater Arzt.

Die Autorin findet: «Dass sich da auch Spannungen ergeben, kann man sich vorstellen.»

Von Frauen gibt es praktisch keine Aufzeichnungen

Beim Schreiben habe sich Graf vorwiegend an Fakten gehalten. «Ich recherchiere, so viel ich kann, und meine Hintergründe sollten stimmen.»

Doch: «Ich erfinde Figuren dazu, vor allem die weiblichen, weil es über sie praktisch keine Aufzeichnungen gibt.» Aus den Stammbäumen könne man nur schliessen, dass, wenn es Söhne gibt, auch eine Frau, nämlich deren Mutter, im Spiel gewesen sein musste. Aber ausser Namen und Geburtsdaten gebe es nichts über sie, was jemand aufgezeichnet hätte.

«Da ich aber keine reinen Männergeschichten erzählen will, hole ich die Frauen aus der ihnen auferlegten Versenkung und gebe ihnen die Rollen, die ihnen zustehen», so Graf.

Dasselbe gelte auch für Angestellte, Lehrlinge oder Müllersburschen und so weiter.

Lindt & Sprüngli prüft den ersten Teil der Saga noch

Dass sich die Familie Sprüngli 1892 aufgeteilt hat – bis heute steht ein Zweig hinter der Confiserie, ein anderer hinter der Schokoladenfabrik –, befindet Graf als «weise Entscheidung» von Rudolf Sprüngli: «Der ältere Sohn Rudolf erbte die Schokoladenfabrik, der zweite Sohn David war ein begnadeter Konditor wie sein Grossvater und bekam die beiden Confiserien Sprüngli in der Marktgasse und am Paradeplatz. Das hat sich bewährt und die Trennung ist bis heute so geblieben.»

Und wie findet es Lindt & Sprüngli, dass Graf einen Roman über die Hintergründe ihres Unternehmens schreibt? «Sie prüfen das Ganze noch», gesteht die Autorin. Ihr Verlag habe ihnen das Manuskript des ersten Bands und auch die Dallmayr-Bücher zugestellt. «Damit sie sehen können, was ich bisher gemacht habe.»

Lindt Deutschland hat die Einsendung an Lindt Kilchberg weitergereicht. Bei welcher Person es jetzt gerade vorliegt, wisse Graf leider nicht. Aber schliesslich handle es sich ja auch nicht um eine Auftragsarbeit für Lindt, sondern um ein eigenständiges literarisches Werk.

Bei Lindt-Schoggi wird Lisa Graf schwach

Heute wird Graf bei Lindt-Schokolade durchaus mal schwach. «Nur mag ich es nicht mehr ganz so arg süss.» Lieber greift die Schriftstellerin zu dunkler Edelbitterschokolade.

Lindt bekommt man heutzutage überall: «In Deutschland finde ich die Schokolade genauso wie auf La Palma, wo ich im Spätherbst oft für zwei Wochen zum Schreiben bin.» Darauf freue sich Graf jetzt schon wieder.

Dass sie keine Krimis mehr schreibt, findet Graf ganz gut so. Denn jetzt müsse sie «niemanden mehr umbringen», also im Roman. Ihr neues «Salz in der Suppe» seien Familiengeheimnisse, Schweigen, wo geredet werden sollte, kleinere und grössere Boshaftigkeiten, Konkurrenz sowie Neid. «Das kommt in den besten Familien vor», befindet die Autorin.

Für die Zukunft wünscht sich die 65-Jährige, gesund, fit im Kopf und neugierig zu bleiben. Ausserdem fügt Graf an: «Dass ich die Lust am Geschichtenerzählen nicht verliere und mein Publikum mir treu bleibt.»


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