Übermüdete GesellschaftSchlecht geschlafen? Darum sind Frauen anfälliger auf Schlafstörungen
dpa/kd
2.7.2018
Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. Stimmt. So manche andere Weisheit finden Schlafforscher aber schlichtweg falsch – vor allem das Lob aufs frühe Aufstehen.
Der frühe Vogel fängt den Wurm? Nicht für Schlafforscher Hans-Günter Weess. «Wir sind eine Gesellschaft, die den Schlaf nicht schätzt», kritisiert der Psychologe, Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Im Ergebnis sei Deutschland im Vergleich zu Nachbarländern eine übermüdete Nation.
Auch in der Schweiz zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Laut der Gesundheitsbefragung 2012 des Bundesamts für Statistik haben 32,7 Prozent aller Schweizer schwache bis starke Einschlaf- oder Durchschlafstörungen. Die aktuellen Resultate der letztmals 2017 durchgeführten Befragung stehen noch aus, doch die Zahlen dürften weiter ansteigen.
Schlaflosigkeit in Zahlen
Wenn ein Mensch in einem Monat an mindestens drei Nächten in der Woche kaum einschlafen oder durchschlafen kann, braucht er nach Ansicht von Schlafforschern Hilfe. «Entscheidend ist, ob es am nächsten Tag zu Beeinträchtigungen kommt, zum Beispiel bei Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung», sagt Weess.
«Deutliche Anzeichen für Übermüdung sind auch Gereiztheit, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Probleme.» Nach Studien der DGSM leiden in Deutschland sechs Prozent der Bevölkerung an chronischen Schlafstörungen – das sind rund 4,8 Millionen Menschen.
Lerche oder Eule?
Für Forscher geben bei jedem Menschen die Gene vor, wie viel Zeit er im Bett verbringt. Für die meisten Erwachsenen liege das zwischen sechs und acht Stunden. Bei Jugendlichen sind etwas mehr (rund neun Stunden).
Einige Menschen brauchen aber noch mehr, andere weniger Schlaf. Freiwillige Frühaufsteher, im Fachjargon Lerchen genannt, und überzeugte Nachteulen folgen ihrer inneren Uhr.
«Solche Anlagen können wir uns nicht abtrainieren», berichtet Wissenschaftler Weess. Der individuelle Biorhythmus lasse sich nicht austricksen. Ein erzwungenes Leben gegen die innere Uhr münde meist in Erschöpfung. Und ein Mittagsschlaf helfe nur, wenn er nicht länger als 15 bis 20 Minuten dauere.
Nachteile beginnen bereits in der Schulzeit
Ein früher Schulbeginn stellt nicht nur den öffentlichen Verkehr vor unlösbare Probleme, wie in der Schweiz diskutiert wurde, er führt auch zu deutlich schlechteren Leistungen. Studien hätten belegt, dass vor allem Teenager Mathematik-Aufgaben um neun oder zehn Uhr deutlich besser lösten als um acht Uhr.
Bei Primarschülern gebe es bei der Konzentrationsleistung einen belegten Zusammenhang zwischen der Entfernung der Schule zum Wohnort. Wer früh um sieben das Haus verlassen muss, hat nach Studien deutlich schlechtere Karten.
Unserem Nachbarland Deutschland, wo schon die Primarschule zwischen 7 und 8 Uhr beginnt, empfiehlt der Schlafforscher das Bildungssystem zu reformieren.
Flexible Arbeits-Modelle
Laut Umfragen in Deutschland sprechen sich zwei Drittel der Eltern gegen einen späteren Schulbeginn aus, weil sie in ihren Berufen keine flexiblen Arbeitszeiten haben. «Daran sehen wir, dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist», sagt Weess. «Dabei brauchen wir alle mehr Schlaf. Wir müssen die Arbeitswelt anpassen.»
Im Moment passiere aber eher das Gegenteil: Statt flexibler Acht-Stunden-Tage dehne sich die Arbeitszeit durch Internet und mobile Medien immer weiter aus. «Wir sind bald eine 24-Stunden-Non-Stop-Gesellschaft», kritisiert Weess. «Es ist die Frage, ob Supermärkte oder Fitnessstudios rund um die Uhr offen sein müssen.»
Es gebe laut Studien pro Jahr etliche Fehltage auf Grund von Schlafstörungen. So kostet der Schlafmangel die Volkswirtschaft mehrere Milliarden Franken.
Schlafmangel birgt Gefahren
Zu wenig Schlaf ist Gift hinterm Steuer. Das relative Risiko, einen Unfall zu bauen, potenziere sich allein schon beim Fahren zwischen zwei und fünf Uhr nachts um das Fünffache, sagt Maritta Orth, Schlafmedizinerin und Lungenfachärztin. Denn in dieser Zeit liege das absolute Leistungstief.
Weniger als fünf Stunden Schlaf in der Nacht zuvor können aber auch tagsüber zu deutlich mehr Crashs führen. Denn Übermüdung kann einen ähnlichen Effekt auf den Körper haben wie Alkohol am Steuer - Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit lassen nach. Krankheiten wie eine Schlafapnoe erhöhen das Unfallrisiko jederzeit um das Zwei- bis Dreifache.
Schlafapnoe und andere Schlafstörungen
Die Apnoe ist die bekannteste Schlafstörung und oft mit heftigem Schnarchen verbunden. Patienten kommen durch mehr als 15 Atemaussetzer pro Stunde nachts nicht in den nötigen Tiefschlaf hinein, bei dem sich der Körper erholt. Zusätzlich fehlt ihnen der Traumschlaf für die seelische Erholung.
Dieser Schlafmangel wird am Tag nachgeholt – Betroffene nicken dabei auch gegen ihren Willen ein. Goldstandard für eine Therapie ist eine Nasenmaske, die an einen Druckgenerator angeschlossen ist. Sie sorgt im Schlaf dafür, dass die Zunge an den Mundboden gedrückt wird und den Kehlkopf nicht verschliessen kann. «Die Maske macht nicht schöner, aber für operative Massnahmen wie Schrittmacher sind nicht alle Patienten geeignet», sagt Orth. Der Schrittmacher wirkt auf die Muskulatur der Zunge.
Rund 80 verschiedene Schlafstörungen sind bekannt. Ihr Zusammenhang mit anderen Krankheiten werde zu häufig noch nicht gesehen, berichtet Orth. Schlafstörungen wie Apnoe können erhöhten Blutdruck, erhöhte Neigung zum Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod begünstigen, weil sie Schäden an Gefässen verursachen.
Erholsamer Schlaf ist erlernbar
Gemäss Suchtmonitoring hat in der Schweiz jede zehnte Person ab 15 Jahren zumindest einmal in den letzten zwölf Monaten ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingenommen. Rund jede 14. Person ab 15 Jahren hat in den letzten 30 Tagen mindestens einmal ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingenommen.
Die Tabletten haben aber keine heilende Wirkung. Werden sie abgesetzt, ist die Störung sofort wieder da. «Wir müssen Menschen beibringen, ihre eigene Schlaftablette zu sein – also das erholsame Schlafen zu lernen», rät Weess.
Eine grosse Rolle spielt die Psyche. Aber es gibt auch Geschlechterunterschiede: Frauen schlafen länger als Männer. Allerdings gelten sie durch hormonelle Schwankungen, Schwangerschaften und Menopause im Lauf ihres Lebens als anfälliger für Schlafstörungen.
Zudem haben Frauen dünnere Grenzen, sagt Weess. «Sie lassen Probleme dichter an sich heran und nehmen sie leichter mit ins Bett.» Anspannung aber gilt als Hauptfeind des Schlafs.
Warum Sie schlecht schlafen – und was Sie dagegen tun können
Zum Glücklichsein brauchen Sie Schlaf, und das nicht zu wenig. Doch was können Sie tun, wenn Ihre Schlaflosigkeit zu einer dauerhaften Insomnie wird? Woher stammt Ihre Schlafstörung und wie werden Sie sie wieder los? In der folgenden Galerie finden Sie mögliche Gründe für Ihren schlechten Schlaf und was Sie dagegen tun können.
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Falls Sie ein schlechter Schläfer sind, dann könnte es unter anderem daran liegen, dass Sie sich nicht genug bewegen. Zahlreiche Studien und Umfragen belegen, dass Sie mit ein bisschen Sport in Ihrem Alltag zu besserem Schlaf finden. Zugegeben, wenn Sie in der Nacht schlecht schlafen, dann ist Ihre Bereitschaft zum Sporttreiben womöglich geringer. Sie brauchen also eine ordentliche Portion Anfangsmotivation.
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Wenn Sie zu der Sorte Sportaholics gehören und selbst am späten Abend noch lieber schwitzen als auf der Couch sitzen wollen, dann aber Vorsicht ... Sport erhöht Ihre Herzfrequenz, was Sie wach hält. Wenn das der Fall bei Ihnen ist, dann versuchen Sie Ihre Sportroutine zu verändern. In der Früh auf leeren Magen verbrennen Sie sowieso mehr Fett, also überlegen Sie vor Ihrer nächsten nächtlichen Sport-Session, ob es nicht doch bis zum nächsten Morgen warten kann.
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Fünf Tassen Kaffee am späten Abend werden Sie womöglich wach halten – das sollte wirklich keine Überraschung sein. Was viele jedoch unterschätzen ist der Koffeingehalt in Schokolade. Etwas Süsses vor dem Schlafengehen mag verführerisch sein, aber sicherlich nicht schlaffördernd. Zu viele Kalorien, zu wenig nährstoffreiche Ernährung und zu wenig Bewegung führen zu noch weniger Schlaf.
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Manchmal ist es unser emotionaler Zustand, der uns vom Schlafen abhält oder uns nachts immer wieder wach macht. Innere Unruhe, Ängste und ein depressiver Zustand können auch dafür verantwortlich sein, dass Sie Ihre Gedanken zur Schlafenszeit nicht abschalten können. Es ist nur natürlich, dass Sie vor einer wichtigen Prüfung oder einem Bewerbungsgespräch nachts schlecht schlafen. Wenn allerdings das nächtliche Grübeln zum Dauerzustand wird, dann sollten Sie vielleicht mit Ihrem Hausarzt reden,.
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Sie sind vor Kurzem Mutter geworden und können seitdem nicht mehr schlafen? Sie werden bei jeder Kleinigkeit sofort wach? Dann leiden Sie unter dem bei Müttern weit verbreiteten Phänomen «Ammenschlaf». Dieses intuitive Schlafverhalten ist in der Regel temporär und sollte mit dem Älterwerden Ihrer Kinder abklingen. Oder auch nicht, wenn Sie Pech haben - manche Mütter werden nie wieder so gut schlafen wie vor dem Kinderkriegen.
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Hormone haben einen starken Einfluss auf unser Schlafverhalten. Vor allem das weibliche Geschlechtshormon Östrogen mischt kräftig mit bei der Qualität Ihres Schlafes. Schwangerschaft, Zyklus und die Wechseljahre wirken sich letztlich auf den Schlaf aus. Die hormonellen Veränderungen können auch die Temperaturregler des Körpers stören und Hitzewallungen auslösen, die Frauen regelmässig aus den Träumen reissen.
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Sie verbringen viel Zeit vor Ihrem Laptop, Ihrem Tablet oder Ihrem Handy? Dann ist das schon eine mögliche Quelle für Ihre Schlaflosigkeit. Das blaue Licht der LED-Displays kann Sie wach machen. Forscher vermuten, dass der abendliche Konsum von Handys und Co. sich negativ auf Ihr Schlafverhalten auswirkt. Zusätzlich könnten Sie aber auch die «aufregenden» Inhalte, die Sie auf Ihrem Display sehen, vom Schlafen abhalten.
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Nun kennen Sie mögliche Gründe für Ihre Schlafstörung. Doch was können Sie konkret tun, wenn Sie mal wieder wach in Ihrem Bett liegen und der Sandmann nicht kommt? Bevor Sie stundenlang im Dunkeln die Decke anstarren, machen Sie ein gedämpftes Licht an und lesen Sie ein Buch oder eine Zeitung. Wenn Sie Glück haben, klatscht die Zeitung nach einer Weile nicht allzu fest auf Ihr Gesicht, und Sie schlafen friedlich Ihren Schlummerschlaf.
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Eine wirksame Hilfe bei Schlaflosigkeit kann eine Meditation vor dem Schlafengehen sein. Meditation braucht etwas Übung, also lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie nach dem ersten Versuch immer noch schlecht schlafen. Ausserdem stellt sich der stressabbauende und beruhigende Effekt erst nach ungefähr 20 Minuten ein.
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Wenn Ihnen der Antrieb zum Erlernen von Meditationstechniken fehlt, dann versuchen Sie es mal mit einer geführten Schlafhypnose auf CD oder über ein YouTube-Video. Unter Hypnose können Sie einen Trancezustand erreichen. Unter Trance nimmt Ihr Unterbewusstsein Anweisungen, sogenannte Suggestionen, leichter an. Durchschlafen ist eine typische Suggestion einer Schlafhypnose.
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Wenn Ihnen Schlafhypnosen zu viel Gequatsche sind, dann versuchen Sie es doch mal mit Musik. Es gibt beruhigende Meditationsmusik, die für Entspannung in Ihrer Seele sorgt. Doch jeder hat einen anderen Zugang zu Musik, lassen Sie Ihren persönlichen Geschmack entscheiden: Ob Helene Fischer oder Rammstein - Hauptsache, Sie schlafen endlich ein.
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Manche Kräuter haben den Ruf, sich positiv auf Ihren Schlaf auszuwirken. Eines der bekanntesten Kräuter, die für einen erholsamen Schlaf sorgen, ist Baldrian. Als Tropfen, Dragees oder Tee bekommen Sie Baldrian aus der Apotheke. Hopfen, Johanniskraut und Kamille sorgen ebenfalls für Ruhe. Empfehlenswert ist auch ein Lavendelbad oder ein mit Lavendel gefülltes Kissen. Der angenehme Duft führt Sie sanft ins Land der Träume.
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Wenn Sie alles versucht haben und zu keinem besseren Schlafergebnis gekommen sind, dann haben Sie den Mut und suchen Sie einen Arzt auf. Eine Schlafstörung wird sich mit der Zeit dauerhaft negativ auf Ihr Leben auswirken. Hilfe anzunehmen ist genau der richtige Weg, wenn Sie alleine nicht mehr aus Ihrer Situation herausfinden.
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