«Tatort» im Check Wie viele Schweizer*innen haben mit Schulden zu kämpfen?

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5.1.2025

Im «Tatort: Restschuld» treffen Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf die verzweifelten Schuldner eines Inkasso-Unternehmens. Wie viele Menschen in der Schweiz sind überschuldet?

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein «Tatort» ohne Leiche? Ein verschwundener Inkasso-Berater hielt Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) auf Trab.
  • An Verdächtigen mangelte es nicht. Bei vielen Schuldnern hatte der Inkasso-Berater zuvor versucht, Geld einzutreiben.
  • In der Schweiz sind etwa 5,7 Prozent der Bevölkerung verschuldet. Besonders hoch ist die Quote in Biel.

Verschuldet zu sein, ist noch immer schambehaftet. Dabei können Szenarien, die im Kölner «Tatort: Restschuld» anhand dreier Geschichten durchgespielt werden, jeden treffen: Man trennt sich, erkrankt, verliert den Job oder hatte mit beruflichen Investitionen Pech. Vielleicht bürgte man für einen Angehörigen oder Partner. Plötzlich geraten die Finanzen in Schieflage.

Was noch schlimmer ist: Trotz bester Absichten und drastischem Sparen kommen viele Schuldner danach nicht mehr auf die Beine. Ihre Schuldenspirale führt in Richtung Abgrund. Wie viele Menschen in der Schweiz haben massive Probleme mit Schulden?

Worum ging es?

Fabian Pavlou (Thomas Hauser) von «Correct Incasso» machte sich zum Feierabend auf den Heimweg, als er angegriffen wurde. Die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) fanden am Tatort eine Menge Blut von Pavlou, aber keine Leiche. Wurde der Inkasso-Manager entführt? Die Kölner ermittelten unter seinen Kunden.

Das Ehepaar Jost (Roman Knižka) und Monika Lehnen (Tilla Kratochwil) hatte sehr viel bessere Tage gesehen. Deshalb lebten die beiden auch – noch – in einem grossen Haus, das Pavlou kurz vor Feierabend aufgesucht hatte. Weil die Lehnens ihre Jobs als Lehrer und Musikerin krankheitsbedingt nicht mehr ausüben konnten, sparten sie verzweifelt an Essen, Heizung und gingen kaum noch vor die Tür.

Genauso verschämt betrachtete die zweifache Mutter Stefanie Schreiter (Katharina Marie Schubert) ihr Leben. Als Steuerfachangestellte stand sie kurz vor der Gehaltspfändung. Auch der junge Physiotherapeut Timo Eckhoff (Ben Münchow) litt unter massiven Geldsorgen. Er arbeitete zusätzlich zum Day-Job als mobiler Masseur. Doch trotz Dauerschuften wurden seine Schulden mehr statt weniger. Musste Inkasso-Manager Pavlou die Verzweiflung eines der Schuldner ausbaden?

Worum ging es wirklich?

Hier weiss eine «Tatort»-Drehbuchautorin, wovon sie erzählt: Karlotta Ehrenberg («Tatort: Marlon») hat sich mit ihrem Beitrag fürs Kölner Revier nicht zum ersten Mal mit Schulden und den Eintreibepraktiken selbiger beschäftigt.

Die 1979 geborene Journalistin ist Autorin des 2022 erschienenen Sachbuches «Ich mach mich fertig. Vom ewigen Schuften am persönlichen Glück». Für ihr Sachbuch und den «Tatort: Restschuld» hat sie intensiv unter verschuldeten Menschen, aber auch Inkasso-Unternehmen recherchiert.

«Viele Praktiken, die hierzulande angewendet werden dürfen, sind moralisch höchst zweifelhaft», sagt sie. «Auch haben die Deutschen ein besonders emotionales Verhältnis zu Schulden, die Schuld an den Schulden wiegt ebenso schwer wie die Scham darüber.» Krankheit, Arbeitsplatzverlust, Trennung und dauerhaftes Niedrigeinkommen sind die Hauptursachen für Überschuldung, stellte Ehrenberg im Rahmen ihrer Recherchen fest. Lebensereignisse also, die fast jeden Menschen treffen können.

Wie viele Schweizer*innen sind verschuldet?

Im Mai 2024 waren 400'000 Menschen in der Schweiz verschuldet. Dies entspricht etwa 5,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. In der Schweiz sind rund zwei Drittel dieses Personenkreises männlich.

Mit einer Schuldnerquote von 11,9 Prozent führt Biel das regionale Ranking an. Hier ist fast jeder neunte Einwohner verschuldet. Als zweitplatzierte Stadt hat Genf eine Schuldnerquote im zweistelligen Prozentbereich. Jeder zehnte Einwohner kämpft dort mit einer Schuldenlast.

Sind Inkasso-Unternehmen böse?

Als Inkasso bezeichnet man den Einzug fälliger Forderungen. Wer sich nicht selbst mit Rechnungsstellung oder auch dem Eintreiben säumiger Zahlungen beschäftigen will, beauftragt dafür externe Dienstleister, sogenannte Inkasso-Unternehmen. Dies ist völlig legal oder zudem gesetzlich klar geregelt, wer – und wie man – diese Dienstleistung ausüben darf.

Dreh- und Sachbuchautorin Karlotta Ehrenberg stellt der Branche dennoch ein kritisches Zeugnis aus. Sie kritisiert einen «rüden Ton» vieler Inkasso-Eintreiber und deren hohe Gebühren. Natürlich will der Zwischenhändler beim Schuldeineintreiben auch selbst etwas verdienen – zulasten der ohnehin schon gebeutelten Schuldner.

Karlotta Ehrenberg dazu: «Das System Inkasso funktioniert Dank des Schreckens, den es bewusst erzeugt. Ist die Inkassomaschinerie einmal in Gang gesetzt, wird das Problem immer schlimmer. Die meisten Leute zahlen einfach, sie prüfen gar nicht nach, ob Forderung und Verfahren rechtmässig sind bzw. können das auch gar nicht einschätzen. Oft zahlen sie sogar jahrelang, ohne dass sich die Forderung wegen der hohen Inkassokosten spürbar verringert.»

Wie geht es beim Kölner «Tatort» weiter?

Zwei weitere Köln-«Tatorte» sind bereits abgedreht. Fall 93, «Tatort: Colonius» führt die Kommissare in den 253 Meter hohen Fernsehturm ihrer Stadt. Der zweistöckige Besucherbereich ist längst nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich. Seit 1994 findet sich kein Pächter für das Drehrestaurant und die darüber liegende Diskothek. Die Aussichtsplattform ist seit 1999 geschlossen. Zu sehen ist der Krimi vermutlich auch noch im ersten Quartal 2025.

Im September 2024 endeten die Dreharbeiten zu «Tatort: Die Schöpfung», dem 94. Fall. Gedreht wurde an der Kölner Oper. Mitten in den Proben für die erste Premiere der neuen Spielzeit wird die Rüstmeisterin der Produktion dort erschossen aufgefunden. Und bei dieser Leiche bleibt es nicht.