Ukraine ermittelt Darum ist Kiews von Frankreich trainierte Brigade desertiert

Philipp Dahm

7.1.2025

Umfrage: Mehrheit für Ukraine-Friedenstruppe bei Waffenruhe

Umfrage: Mehrheit für Ukraine-Friedenstruppe bei Waffenruhe

Berlin, 02.01.24: Der Krieg in der Ukraine dauert an. Frieden ist noch nicht in Sicht. Sollte es aber zum Waffenstillstand kommen, würde eine Mehrheit der Menschen in Deutschland den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe in der Ukraine befürworten. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa sprechen sich 56 Prozent dafür aus. Allerdings mit einer Einschränkung: Nur 23 Prozent unterstützen eine Beteiligung deutscher Soldaten an einer solchen Truppe. Anzeichen dafür, dass die Waffen in absehbarer Zeit schweigen könnten, gibt es allerdings nicht. Bundeskanzler Olaf Scholzhat sich deswegen gegen eine öffentliche Diskussion über eine Friedenstruppe ausgesprochen.

06.01.2025

In Frankreich ist eine insgesamt 5800 Mann starke ukrainische Brigade aufgestellt und mit westlichen Waffen ausgerüstet worden: Warum sind zurück an der Front 1700 Soldaten geflohen? Ein Erklärungsversuch.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • 2024 wurde die Aufstellung der neuen 155. Mechanisierte Brigade öffentlich gemacht.
  • Tausende Soldaten sind in Frankreich ausgebildet und mit westlichen Waffen ausgerüstet worden.
  • Die Einheit wurde im Dezember an die Front bei Pokrowsk in Donezk eingesetzt. 1700 Soldaten sollen dabei desertiert sein.
  • Ein US-Veteran nennt mögliche Gründe für diesen Umstand.
  • Die Brigade hat in Pokrowsk schwere Verluste erlitten, und die Soldaten werden nun auf anderen Einheiten verteilt.

Die 155. Mechanisierte Brigade der ukrainischen Streitkräfte ist eigentlich ein Vorzeigeprojekt. Ihre Aushebung wird am 6. Juni 2024 verkündet: Benannt wird sie nach «Anna von Kiew», die im Jahre 1051 Heinrich I. geheiratet hat und bis 1060 französische Königin war.

Rund 2000 Ukrainer werden im vergangenen Jahr in dem Schweizer Nachbarland trainiert – und erhalten zudem moderne französische Ausrüstung. Kiew freut sich im Herbst auf eine schlagkräftige Truppe, die die ausgedünnten Linien an der Front füllen soll.

Bewaffnet ist die Brigade mit 18 leichten Panzern vom Typ AMX-10 RC, die von 18 selbstfahrenden Haubitzen vom Typ Caesar unterstützt werden. Für den Transport stehen 128 VAB-Truppentransporter zur Verfügung. Abgerundet wird das Paket von Raketen zur Panzer- und Luftabwehr.

Als die 155. Mechanisierte Brigade im November zurück in die Heimat verlegt wird, wird ein ausbildender französischer Oberst mit den folgenden Worten zitiert: «Sie haben sich sehr verbessert. Sie sind jetzt in der Lage zu kämpfen und zu manövrieren. Sie sind in der Lage, verschiedene Spezialisten einzusetzen und verschiedene Ausrüstung zu benutzen, die sie auf dem Schlachtfeld haben werden.»

1700 Soldaten desertieren

Das tönt ermutigend, doch tatsächlich ist es mit dem Mut nicht so weit her: Am Jahreswechsel stellt sich heraus, dass rund 1700 Soldaten der Einheit desertiert sind. Und als die 155. nahe Pokrowsk in Donezk zum Einsatz kommt, fährt sie hohe Verluste ein. Wie konnte es so weit kommen?

Der Youtube-Kanal Combat Veteran Reacts bietet eine plausible Erklärung: Der Macher – ein US-Veteran namens Paul – führt zunächst aus, dass von den 1924 Soldaten der Brigade nur 51 seit mehr als einem Jahr dienen. 459 hätten weniger als ein Jahr Erfahrung – und 1414 der Männer seien weniger als zwei Monate in der Armee. 150 hätten nicht mal die Grundausbildung gemacht.

Veteran Paul hat eine «Vermutung», was vorgefallen ist: «Einheiten an der Front wurde gesagt: ‹Ihr müsst ein paar Soldaten für diese Brigade abtreten.›» Die Kommandeure hätten aber nicht ihre besten Leute verlieren wollen, die ihren Einheiten das Überleben sichern. «Wen schicke ich also? Den ganz neuen Typen – oder den [schlechtesten].»

Auch Leopard-2A4-Panzer können Debakel nicht verhindern

Man könne den Kommandeuren deswegen keine Vorwürfe machen, meint Paul. Dass so viele Mitglieder der Einheit noch nicht einmal den 45-tägigen Grundkurs absolviert hätten, sei ein weiteres Manko der 155. Brigade, die im September und November nochmal um 4000 Mann aufgestockt worden ist. Im Dezember wird die Einheit an die Pokrowsk-Front verlegt, wo sie mit Leopard-2A4-Panzern verstärkt wird.

Dort geschieht es: Von den inzwischen 5800 Mann desertieren rund 1700. «Die oberste politische und militärische Führung des Landes spielte mit der 155. Brigade, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Brigade systematisch vorzubereiten und auszubilden, und ohne den Brigadekommandeuren Zeit zu geben, selbst ein kampffähiges Team zu bilden», kritisiert Jurii Butusow, der den Skandal ans Licht bringt.

Nun wird nach den Schuldigen gesucht. Die ukrainische Behörde zur Strafverfolgung hat die Ermittlungen aufgenommen. Die Militärführung macht Dmytro Riumshin verantwortlich: Der ehemalige Kommandeur der 155. Mechanisierten Brigade war Anfang Dezember entlassen worden. Seine Nachfolger hätten laut Butusow nicht gewusst, wie es um die Einheit stehe.

Die 155. Mechanisierte Brigade ist nun effektiv aufgelöst. Die Soldaten werden auf andere Einheiten verteilt.