Denkt die Tour de France um? Das Spektakel im Radsport lässt die Sicherheit in den Hintergrund rücken

Von Linus Hämmerli

30.6.2023

Nebst kniffligen Zielpassagen und Abfahrten sind auch gewisse Fans ein Sicherheits-Risiko.
Nebst kniffligen Zielpassagen und Abfahrten sind auch gewisse Fans ein Sicherheits-Risiko.
IMAGO/Panoramic International

Die Tour de France steht an. Bei deren Hauptprobe hat sich vor gut zwei Wochen an der Tour de Suisse ein tragischer Unfall ereignet. Wie wirkt sich dieses Ereignis auf die Sicherheit im Radsport aus?

Von Linus Hämmerli

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach dem tödlichen Unfall von Gino Mäder vor knapp zwei Wochen bei einer Tour-de-Suisse-Etappe, wird über die Sicherheit beim Radsport diskutiert.
  • Am Samstag startet die Tour de France. Ob sich der kürzliche Vorfall auf die Sicherheit beim wichtigsten Radrennen auswirken wird? «Nein», sagt Rad-Experte Henri Gammenthaler im Gespräch mit blue News. 

Der tödliche Unfall von Gino Mäder an der Tour de Suisse überschattet den Radsport. Vor knapp zwei Wochen ist Mäder bei einer Abfahrt beim Albulapass schwer gestürzt und am Folgetag gestorben. Die Debatte über die Sicherheit im Radsport nimmt daraufhin neue Dimensionen an.

Der Unfall ereignete sich an einer Stelle, die nicht per se als gefährlich eingestuft wurde. Unabhängig vom Fall Mäder liefern gewisse Zielankünfte oder Kurssetzungen immer wieder Diskussionsstoff.

«Die machen, was sie wollen»

Am Samstag startet mit der Tour de France das grösste und wichtigste Radrennen der Welt. Ob diese Sicherheits-Debatte auch nach Frankreich überschwappt? «Nein», meint Rad-Experte Henri Gammenthaler im Gespräch mit blue News. Gammenthaler ist überzeugt: «Der tragische Vorfall von Mäder wird in Frankreich hinsichtlich der Sicherheit leider kaum was ändern.» Die Tour de France sei das Mass aller Dinge, «die machen, was sie wollen». Aspekte in der Sicherheit beim grössten und wichtigsten Radrennen der Welt zu verändern, sei schwierig.

Doch woran liegt das? «Die Veranstalter sind nicht daran interessiert, Spektakel zu minimieren», so Gammenthaler. Die Tour de France habe sich diesbezüglich von Jahr zu Jahr gesteigert, zuungunsten der Sicherheit. Immer mehr heisse Passagen auf dem letzten Kilometer, immer mehr steile und rasante Abfahrten.

Der Drang nach Spektakel macht der Sicherheit einen Strich durch die Rechnung

Henri Gammenthaler
Bild: zVg

Henri Gammenthaler analysiert das Radsport-Geschehen für «blue Sport». Der Zürcher war einst selbst Fahrer, später TV- und Radio-Experte und Kommentator der Tour de Suisse.

Doch sollte eigentlich klar sein: Die Sicherheit der Fahrer ist oberstes Gebot. Der Drang nach mehr und mehr Spektakel macht diesem Grundsatz aber einen Strich durch die Rechnung. «Es gibt niemanden mehr, der Stopp sagt.» Stopp zum Drang nach Spektakel, stopp zu mehr Risiko im Radsport.

Ein grosses Risiko stellen aber nicht nur die steilen Abfahrten und heiklen Schlusspassagen dar. Auch die Fans am Strassenrand sorgen für Gefahr. Tausende von Menschen pilgern an die Etappen der Tour de France, um die Herren vom Strassenrand aus anzufeuern.

«Die Profis müssen vor diesen Fans geschützt werden»

Gewisse Supporter kennen aber keine Grenzen und engen die Fahrer auf den Passstrassen ein. Sie versuchen, möglichst nahe an die Profis zu kommen und bedrängen die Fahrer mit Fähnchen und Handys bei ihrer Arbeit. «Solche Fans schaden dem Radsport», sagt Henri Gammenthaler und fügt an: «Die Profis müssen vor diesen Fans geschützt werden.»

Doch wie? Denn ein Radrennen lebt ja auch immer noch ein stückweise von der Stimmung abseits des Sattels. Gammenthaler nennt zwei mögliche Ansätze: Entweder müssten die Fans bei heiklen Passagen von Polizei-Eskorten zurückgewiesen werden oder Absperrungen sollen die Anhänger daran hindern, die Fahrer zu bedrängen.

Fakt ist, die Debatte über Sicherheit im Radsport wird weiter gehen. Inwiefern diese Debatte dann letztendlich auch ihre Früchte trägt, ist von den Verantwortlichen der Rad-Touren abhängig. Die Tour de France beginnt am kommenden Samstag. Mit Stefan Küng und Silvan Dillier werden zwei Schweizer die Tour bestreiten.