Für die Schweizer Handballer geht es am Sonntag an der WM im Spiel gegen Polen um alles oder nichts. Ein Sieg oder ein Unentschieden ab 20:20 reichen sicher zum Einzug in die Hauptrunde.
«Wir wissen, dass wir nicht die Favoriten sind», sagt Torhüter und Captain Nikola Portner. Er nimmt gar das Wort Sensation in den Mund. Eine solche wäre ein Sieg gegen Polen allerdings nicht, auch wenn die Osteuropäer über mehr Erfahrung auf der grossen Bühne verfügen als die Schweizer. Vielmehr ist es eine Partie zweier Teams auf Augenhöhe, bei der Details über den Ausgang entscheiden werden.
Letztmals trafen die beiden Mannschaften vor fünf Jahren in Göteborg an der EM-Endrunde aufeinander. Damals gewannen die Schweizer 31:24. Es war für sie der vierte Sieg in Serie gegen die Osteuropäer. Nationaltrainer Andy Schmid war damals noch als Spieler dabei. «Ich erinnere mich gerne an diese Partie», sagt der 41-Jährige. «Aber es ist eine völlig andere Ausgangslage, es sind verschiedene Mannschaften. Fünf Jahre im Spitzensport sind gefühlt 50 Jahre.» ̈
Kurze Nacht, viele Gedanken
Die Nacht von Schmid nach dem heroischen Kampf gegen den Olympia-Zweiten Deutschland (29:31), bei dem er «extrem» überrascht war, wie reif die junge Mannschaft gespielt hat, war kurz. «Ich war, glaube ich, um 4.00 Uhr im Bett. Es kreisten permanent Gedanken in meinem Kopf, wie es hätte sein können. Als Trainer denkst du über jede Szene von jedem Spieler nach. Das ist etwas mühsam, wenn ich ehrlich bin. Ich muss noch einen Weg finden, wie ich abschalten kann.» Zudem hätten sie es mit Gegnern zu tun, gegen die Millimeter über den Ausgang entscheiden würden. Deshalb sei die Coaching-Arbeit umso wichtiger.
Die Polen bezeichnet Schmid als unangenehme und körperlich spielende Mannschaft. «Auf der einen Seite verfügen sie über viele Schützen, auf der anderen Seite haben sie einen spielerischen Rückraum rechts», sagt der fünffache MVP der Bundesliga. «Aber es geht nicht gross um Polen, sondern darum, ob es uns gelingt, das Gaspedal durchzudrücken. Der wichtigste Punkt ist die Leidensfähigkeit, der Kopf wird entscheidender sein als alle taktischen Finessen.»
Die grössere Verantwortung tut Rubin gut
Ein Schlüsselrolle im Schweizer Spiel nimmt neben Portner und Abwehrchef Samuel Röthlisberger der Aufbauer Lenny Rubin ein. Der 2,05 m grosse Hüne war in den ersten beiden Partien an diesem Turnier mit acht respektive sieben Treffern jeweils der beste Torschütze seines Teams. Es scheint gewirkt zu haben, dass ihm Schmid am Yellow Cup eine klare Ansage gemacht hat. «Wir hatten schon ein, zwei Auseinandersetzungen, besprachen unsere gegenseitigen Erwartungen», sagt Schmid dazu.
Rubin ergänzt: «Es waren sehr gute Gespräche, die gewirkt haben.» Zwar betont der Rückraumspieler von Stuttgart, dass der geniale Regisseur Manuel Zehnder, der sich am Yellow Cup schwer am Knie verletzt hat, fehlt, aber er macht keinen Hehl daraus, dass die «andere Teamkonstellation» auch Vorteile für ihn mitbringt. «Mit Manuel Zehnder ist es ein anderes Spiel, ist viel auf ihn ausgerichtet. Nun wird mehr Verantwortung mir übertragen, das gibt mir ein gutes Gefühl. Deshalb läuft es nun so gut.»
Das soll sich gegen Polen nicht ändern. Beenden die Schweizer die Gruppe A auf dem 4. und letzten Platz, stehen sie quasi vor einer Strafaufgabe. Dann müssten sie nach Kroatien reisen und dort den sogenannten «Presidents Cup» bestreiten, in dem die Ränge 25 bis 32 ausgespielt werden. Das soll unbedingt verhindert werden.