Die Kontroverse um Peng Shuai belastet die Vorbereitungen für die Winterspiele in Peking. Erstmals äussert sich die chinesische Tennisspielerin nun öffentlich dazu – sie spricht von «Missverständnissen». Der Verband WTA bleibt besorgt.
Chinas Tennisstar Peng Shuai hat bestritten, den Vorwurf eines sexuellen Übergriffs gegen einen chinesischen Spitzenpolitiker erhoben zu haben. In einem Video-Interview der Zeitung «Lianhe Zaobao» aus Singapur sagte die Tennisspielerin: «Ich muss einen Punkt betonen, der äusserst wichtig ist: Ich habe niemals gesagt oder geschrieben, dass mich jemand sexuell angegriffen hat. Das muss ich mit Nachdruck feststellen.» Sie fühlt sich nach ihren Worten missverstanden.
Es war das erste Mal, dass sich Peng Shuai vor laufender Kamera direkt dazu geäussert hat. Das Interview fand am Sonntag am Rande einer Ski-Langlauf-Veranstaltung in Shanghai statt. Die frühere Weltranglistenerste im Doppel hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo einen Post veröffentlicht, der als Vorwurf eines sexuellen Übergriffs durch das frühere Politbüromitglied Zhang Gaoli verstanden wurde. Der Post wurde bald danach gelöscht. Auch blockiert die staatliche Zensur seither jede Debatte im chinesischen Internet darüber.
In dem Video-Interview beschrieb Peng Shuai ihren Weibo-Post als «private Angelegenheit». Bei Lesern seien möglicherweise «viele Missverständnisse» aufgetreten, sagte der Tennisstar.
Die WTA sagte der Nachrichtenagentur AFP als Reaktion auf das Video, sie fordere weiterhin eine «lückenlose, faire und transparente» Untersuchung des Falls. Die Aufnahme habe «die erheblichen Bedenken der WTA hinsichtlich ihres Wohlbefindens und ihrer Möglichkeiten, frei von Zensur oder Zwang zu kommunizieren, weder verringert noch ausgeräumt», erklärte der Verband.
WTA im Gegensatz zu IOC mit harter Hand
Als Reaktion auf den Post hatten Sportler, Politiker und Menschenrechtler aus aller Welt ihre Sorge um das Wohlergehen der Tennisspielerin geäussert. Weil ihr die Signale aus China zum Schicksal der 35-Jährigen nicht ausreichten, setzte die WTA Anfang Dezember alle Turniere in China und Hongkong aus, obwohl China ein wichtiger Geldgeber ist.
Der Fall überschattet auch die Vorbereitungen für die Olympischen Winterspiele im Februar in Peking. Der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, geriet unter Druck, nachdem er in Videoschalten mit dem Tennisstar gesprochen hatte. Er wiederholte am Samstag in einem «Sportschau»-Interview, dass das IOC in ihrem Fall weiter auf «stille Diplomatie» setze.
Kein Druck beim Schreiben der E-Mail
Peng Shuai betonte in dem Interview auch, dass sie ungehindert in Peking lebe und nicht unter Aufsicht stehe: «Warum sollte mich jemand überwachen? Ich bin immer frei gewesen.» Auch ihre E-Mail an WTA-Chef Steve Simon von Mitte November habe sie aus freien Stücken geschrieben. Darin hatte sie schon betont, dass die Berichte über sie, «einschliesslich des Vorwurfs der sexuellen Nötigung», nicht wahr seien und dass es ihr gut gehe. Das Schreiben verstärkte die Besorgnis der WTA allerdings eher noch.
Auf die Frage, ob sie ins Ausland reisen wolle, verwies Peng Shuai darauf, dass sie nicht mehr aktiv Tennis spiele und wegen der Pandemie gegenwärtig auch nicht die Absicht habe, China zu verlassen: «Was soll ich jetzt da draussen machen?»