«China lässt sich nicht beeindrucken» Der einsame und aussichtslose Kampf der WTA um Peng Shuai

Von Luca Betschart

2.12.2021

«China wird sich von der WTA nicht beeindrucken lassen»

«China wird sich von der WTA nicht beeindrucken lassen»

Matthias Kamp, China-Korrespondent der NZZ, bewertet die Ankündigung der WTA, im Zusammenhang mit der verschwundenen Tennisspielerin Peng Shuai vorerst keine Turniere in China mehr durchzuführen, als starkes Zeichen, das kaum Wirkung zeigen wird.

02.12.2021

Nach Wochen der Ungewissheit vollzieht die WTA mit dem Rückzug aus China einen drastischen Schritt. Die Antwort der Regierung lässt nicht lange auf sich warten. Die jüngsten Entwicklungen im Fall Peng Shuai.

Von Luca Betschart

Am Mittwochabend verkündet die WTA, die Konsequenzen aus den anhaltenden Sorgen um das Wohlbefinden der chinesischen Tennisspielerin zu ziehen. «Obwohl wir wissen, wo Peng ist, habe ich ernsthafte Zweifel, dass sie frei und sicher ist und keiner Zensur, Nötigung oder Einschüchterung unterliegt», sagt WTA-Chef Steve Simon in einer offiziellen Stellungnahme, in der die WTA den vorläufigen Rückzug aus China bekannt gibt.

Die Aussetzung aller Turniere in China und Hongkong könne aber auch langfristig und über den Jahreswechsel hinaus andauern, droht Simon an. «Ich sehe nicht, wie ich unsere Athleten bitten kann, dort zu spielen, wenn Peng Shuai nicht frei kommunizieren darf?»



Zudem pocht der Tennis-Weltverband noch einmal auf eine transparente Untersuchung der gemachten Vorwürfe der sexuellen Übergriffe. «Das ist ein organisatorischer Versuch, der wirklich etwas anspricht, bei dem es darum geht, was richtig und was falsch ist.»

Ein mutiger Vorstoss

Die WTA begibt sich mit dem Schritt auf dünnes Eis. Keine andere Sportorganisation dieser Grösse hat sich je so mit der Grossmacht angelegt, die für die WTA aufgrund einer Reihe von Veranstaltungen einen wichtigen Geldgeber darstellt. So hat man mit der Stadt Shenzhen einen laufenden zehnjährigen Vertrag als Gastgeber der WTA Finals. Das Ende der Beziehung zu China würde die WTA teuer zu stehen kommen.

Entsprechend hoch wird ihr der jüngste Schritt angerechnet. «Diese Art von Führung ist mutig und braucht es, um sicherzustellen, dass die Rechte aller Individuen geschützt und alle Stimmen gehört werden», schreibt etwa der US-Tennisverband USTA. Billie Jean King, die zwölffache Grand-Slam-Siegerin und erste WTA-Präsidentin überhaupt, lobt, dass die WTA einen «starken Standpunkt zur Verteidigung der Menschenrechte in China und auf der ganzen Welt eingenommen» habe. Die WTA stehe «auf der richtigen Seite der Geschichte».

Novak Djokovic, der aktuell mit Serbien in Madrid im Davis Cup im Einsatz ist, stellt sich ebenfalls hinter den Tennisverband. «Ich denke, die Position der WTA ist sehr mutig», so der 34-Jährige. «Ich unterstütze ihre Haltung voll und ganz, weil wir nicht genug Informationen über Peng Shuai und ihr Wohlergehen haben.»

«China würde eher zurückkeilen»

Chinas Regierung zeigt sich von den jüngsten Entwicklungen derweil unbeeindruckt. «Wir sind entschieden dagegen, dass der Sport politisiert wird», beantwortet Aussenministeriumssprecher Wang Weibin eine entsprechende Frage unmissverständlich. Eine Annäherung zeichnet sich also nicht ab.

Dennoch hat WTA-Chef Simon die Hoffnung auf eine baldige Wiederaufnahme der Zusammenarbeit nicht aufgegeben. «Ich bedaure sehr, dass es so weit gekommen ist», erklärt Simon und hofft weiterhin, dass die Bitten erhört und die chinesischen Behörden Schritte unternehmen würden, um dieses Problem legitim anzugehen.

Matthias Kamp, China-Korrespondent bei der NZZ, glaubt aber nicht, dass die WTA so zu ihrem Ziel kommt. «Das ist eine klare Ansage und ungewöhnlich. Normalerweise kuschen solche Organisationen vor China», anerkennt Kamp (im Video oben), macht aber auch klar: «China lässt sich durch solchen Druck aber nicht beeindrucken. Im Gegenteil, im Zweifel würden sie eher zurückkeilen.»

Die erhoffte Signalwirkung für das IOC

Der einschneidende Schritt der WTA ist aber nicht nur ein Zeichen in Richtung China, sondern auch an andere Sportorganisationen. In erster Linie gerät das IOC vor der Austragung der Olympischen Spielen im Februar in Peking weiter unter Druck.

IOC-Chef Bach widerfuhr zuletzt eine Welle der Kritik, nachdem er sich auf ein (gestelltes?) Videotelefonat mit Peng Shuai einliess. Der Vorwurf: Bach und das IOC haben sich von Chinas Propaganda einspannen lassen. Die ehemalige Weltranglistenerste Martina Navratilova wendet sich nach ihrem Lob für die WTA auf Twitter denn auch umgehend an das Olympische Komitee: «IOC, was sagst du? Bislang kann ich dich kaum hören.»

Das IOC versicherte am Donnerstag, es teile «die Sorge vieler Menschen und Organisationen um das Wohlergehen und die Sicherheit» der 35-Jährigen. Daher habe es am Mittwoch eine weitere Video-Schalte mit Peng Shuai gegeben, in der ihr das IOC umfassende Unterstützung zugesichert habe. Man setze auf «stille Diplomatie», weil dies in solchen Fällen den meisten Erfolg verspreche.



Doch womöglich wäre nicht nur für das IOC nun der optimale Moment gekommen, der WTA Rückendeckung zu bieten. Denn finden in China keine Tennisturniere statt, ist das zumindest für die Regierung – und das ist wohl das entscheidende Kriterium – verkraftbar. Aber was, wenn der Fall Peng Shuai dazu führt, dass sämtliche internationalen Sportereignisse im Land ausgesetzt werden?

Fall Peng Shuai: WTA-Turniere in China ausgesetzt

Fall Peng Shuai: WTA-Turniere in China ausgesetzt

Nach Wochen der Ungewissheit vollzieht die WTA im Fall Peng Shuai mit dem Rückzug aus China einen drastischen Schritt. Chinas Antwort lässt nicht lange auf sich warten.

02.12.2021