Mit der Aussetzung aller Turniere in China setzt die WTA im Fall Peng Shuai ein Ausrufezeichen. Im Gespräch mit blue Sport schätzt China-Experte Ralph Weber ab, was das in der Volksrepublik auslöst.
«Wirtschaftlich trifft es China nicht. Die WTA trifft es viel mehr als China», macht Prof. Dr. Ralph Weber im Videointerview (oben) schnell klar. Und doch kann sich der China-Spezialist an der Universität Basel vorstellen, dass das Zeichen der WTA nicht ohne Wirkung bleibt. «Es ist ein Imageschaden und vielleicht etwas, dass eine Reaktion auslösen könnte – indem sich andere an der WTA orientieren könnten. Es könnte eine Kettenreaktion geben und das könnte ungemütlich werden für China.»
Insbesondere die anstehenden Olympischen Spiele in Peking sorgen dafür, dass sich China derzeit von der bestmöglichen Seite präsentieren will. «Man möchte die Winterspiele nutzen, um ein positives Image abzugeben. Aber es gab schon allerlei Misstöne: Man kann nicht zuschauen, die Sportler sind isoliert. Es läuft nicht gut imagemässig. Und jetzt kommt das mit Peng Shuai noch hinzu», streicht Weber die hohe Bedeutung der Olympia-Austragung heraus.
«Haben es mit autoritärem Regime zu tun»
Aus diesem Grund kann sich der China-Experte gar vorstellen, dass man den hochrangigen Politiker, gegen den die Anschuldigungen von Peng Shuai gerichtet sind, opfert. «So etwas kann passieren. Er war ein sehr mächtiger Mensch, im Zentrum der Parteimacht. (…) Unter Umständen stellt das für die Partei einen Ausweg dar, dass man ihn effektiv in die Mangel nimmt. Aber sie haben sich in eine Situation manövriert, aus der es nicht einfach ist, herauszukommen», so Weber.
An ein Umdenken bei den Verantwortlichen glaubt er dagegen nicht. «Das System wird sich von so etwas nicht beeindrucken lassen. Ein System kann sich viel erlauben.» Und so versteht Weber auch das Argument der WTA, die Spielerinnen keinem Risiko auszusetzen, auch wenn diese nach Webers Ermessen nicht speziell gefährdet sind. «Aber es ist nie auszuschliessen, dass irgendetwas passiert, weil wir es mit einem autoritären Regime zu tun haben, wo solche Dinge dauernd gemacht werden. Die Tennisspielerin ist bei Weitem nicht die Erste, die verschwunden ist. Es sind Hunderte, Tausende Leute in diesem System verschwunden, über die man nicht spricht.»
Genau diesbezüglich sieht Weber beispielsweise beim IOC mangelndes Verständnis. «Das IOC scheint nicht zu verstehen, dass man in einem autoritären System nicht jemanden bloss fragen und ihn dann beim Wort nehmen kann», führt er aus und ist sich sicher, dass Fälle wie jener um Peng Shuai künftig wieder vorkommen werden. «Wir erleben eine Zuspitzung der Beziehung zur Volksrepublik China. In diesem Sinne werden wir noch mehr solche Dinge sehen.»