Comeback in Doha Federer: «Ob ich das Turnier gewinne oder in der ersten Runde verliere, ist egal»

SDA

8.3.2021 - 06:30

Steht unmittelbar vor seinem langersehnten Comeback: Roger Federer.
Steht unmittelbar vor seinem langersehnten Comeback: Roger Federer.
Keystone

Nach gut 13 Monaten Pause kehrt Roger Federer am Turnier in Doha auf die Tour zurück. Vor seinem Comeback spricht der 39-jährige Baselbieter über seine aktuelle Verfassung und seine Saisonplanung.

Nach einem Freilos in der ersten Runde wird Roger Federer am ATP-250-Turnier in Katar, das er dreimal gewonnen hat, frühestens am Dienstag gegen Daniel Evans oder Jérémy Chardy in das Geschehen eingreifen. An einer digitalen Pressekonferenz sprach der 20-fache Grand-Slam-Champion über ...

... sein Comeback:

«Es gibt natürlich viele Fragezeichen, denn die grösste Herausforderung ist, seinem Körper nach so einer langen Pause wieder vollkommen zu vertrauen. Ich habe ein gutes Level, aber bei weitem natürlich noch nicht mein bestes. Ich war überrascht, wie gut es in den letzten drei Wochen im Training lief. Aber Matches sind natürlich etwas anderes. Ich bin aufgeregt, die anderen Spieler wiederzusehen, und glücklich, wieder zurück zu sein. Ich habe die Tour vermisst. Für mich ist sie wie eine zweite Familie.»



... seine Probleme im Knie, die zu einer zweiten Operation geführt haben:

«Ich will nicht näher darauf eingehen, was genau passiert ist, denn ich weiss auch nicht, was zwischen der ersten und zweiten Operation falsch lief. Die ersten vier Wochen nach der ersten OP verliefen reibungslos. Ich habe auch nicht übertrieben und kein Tennis gespielt. Aber das Knie hat gestreikt, irgendwie wollte es nicht, zudem war etwas Neues dazugekommen, worauf mir der Arzt nach einem MRI erklärte, dass ich nicht um eine weitere Operation herumkomme.»

... den schwierigsten Moment auf dem Weg zurück:

«Nach der zweiten Operation und noch einmal zwei Wochen an Krücken hatte ich nicht mehr viele Muskeln übrig. Nach der ersten OP bin ich als Spitzensportler rausgekommen, nach der zweiten nicht mehr. Es ist unglaublich, wie schnell man alles verliert. Deswegen war dies schon ein ziemlicher Dämpfer.»

... Gedanken an einen möglichen Rücktritt während der letzten Monate:

«Es ist klar, dass es während eines Jahres mit dem Team und der Familie Gespräche über die Zukunft gibt. Das Ziel nach der ersten Operation war Wimbledon 2020, da ich keine Komplikation erwartete. Nach dem zweiten Eingriff habe ich mich sicherlich mehr hinterfragt. Dann kam auch noch die Pandemie dazu. Aber für mich war klar, dass ich die Rehabilitation sowieso machen werde, weil ich später mit meinen Kindern und Freunden auch wieder Skifahren oder Basketball und Fussball spielen will. Ein Rücktritt war aber eigentlich nie ein Thema, ausser das Knie hätte über Monate weiter Probleme bereitet. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass die Story noch nicht zu Ende ist.»



... seine Pläne der nächsten Monate:

«Es steht noch viel in den Sternen. Momentan schaue ich nur von Turnier zu Turnier, von Spiel zu Spiel und werde die Situation immer wieder neu analysieren. Nach Dubai gibt es einen Aufbau von vier bis sechs Wochen, dann hoffe ich, noch schneller, noch explosiver, noch besser unterwegs zu sein. Der erste Schritt zurück zur Normalität ist für mich die Phase bis Wimbledon. Dabei geht es vor allem darum: Wie geht es dem Knie und wie fühle ich mich auf der Tour? Die Resultate sind sekundär. Die Turniere bis Halle werde ich nutzen, um in Wimbledon topfit zu sein.»

... den Vergleich mit seinem Comeback 2017:

«Die Situation ist nicht vergleichbar. Damals war ich komplett gesund und musste mir nicht die Frage stellen, ob es Rückschläge geben könnte. Der Weg zurück nach zwei Operationen war nun ein längerer. Die Fragezeichen sind viel grösser als damals am Hopman Cup oder am Australian Open. Alles, was bis Wimbledon kommt, ist Aufbauarbeit. Ich brauche nochmals einen Trainingsblock, was zeigt, dass ich noch nicht ganz auf dem Level wie damals bin, aber gut genug, um an einem Turnier wie hier zu spielen. Dies freut mich sehr und ist im Vergleich zum letzten Herbst ein Riesenfortschritt.»

... die Debatte um den Dreikampf mit Rafael Nadal und Novak Djokovic um den Rekord an Grand-Slam-Titeln:

«Diese ist grossartig und interessant. Was Novak und Rafa gezeigt haben, ist aussergewöhnlich, sind sie doch auch nicht mehr 25. Trotzdem scheint es, als seien sie noch immer auf dem Höhepunkt. Meine Gesundheit und mein Spiel stehen derzeit mehr im Fokus. Für mich war es damals wichtig, Pete Sampras Rekord zu brechen. Nun bin ich wohl für Rafa und Novak die Messlatte, wie es Pete für mich war. Natürlich würde ich meine Rekorde gerne behalten, aber Rekorde sind da, um gebrochen zu werden.»



... die Coronavirus-Pandemie:

«Ich bin zum Glück vom Virus verschont geblieben. Aber Sicherheit hat man natürlich nie, auch wenn man sehr vorsichtig ist. Wir haben es wohl alle ziemlich ähnlich erlebt und viele neue Wörter kennengelernt: Quarantäne, Isolation, Covid-19. Auch ich musste mich daran gewöhnen – als Familienvater sowieso – und versuchte, den Kindern zu erklären, warum man Freunde und Grosseltern nicht treffen kann, sich nicht zu nahe kommen oder keine Hände schütteln soll. Ich habe die Zeit als sehr speziell empfunden, aber man gewöhnt sich wie so oft im Leben an vieles. Zu Beginn fand ich Fotos mit Maske mit den Fans doof, vor allem im Freien. Inzwischen behalte ich die Maske natürlich an, um mich und die andere Person zu schützen und ein Vorbild zu sein.»

... Tennisspiele ohne Zuschauer:

«Ich glaube in den ersten Runden ist es nichts Spezielles, weil wir das auch von anderen Turnieren oder vom Training her gewohnt sind. Aber wenn es gegen Ende eines Turniers geht, wenn viel auf dem Spiel steht und du gegen Top-Ten-Spieler spielst, ist es schon merkwürdig. Ich bin gespannt, wie es sich anfühlen wird. Alles, was mehr als null Zuschauer sind, ist gut, weil es ohne nicht viel Spass macht. Aber schon ein paar Hundert können für eine gute Stimmung sorgen.»

... Wehmut während seiner Abwesenheit:

«Wenn ich weiss, dass ich ein Turnier nicht gewinnen kann, dann verspüre ich auch keine Wehmut, wenn ich nicht dabei sein kann, weil ich da nichts zu suchen habe. Dann schaue ich das Turnier wie ein Fan. Ausserdem war ich froh, Australien mit dem Lockdown und praktisch ohne Fans nicht erleben zu müssen. Für mich ist nun vieles neu. Allein die Ankunft in Doha war sehr speziell, es ist unglaublich was sich alles verändert hat.»



... die neuerliche Abwesenheit von seinen Kindern:

«Ich bin immer froh, wenn sie sagen, ich soll nicht gehen, das zeigt, dass sie mich vermissen und gernhaben (lacht). Ich sagte ihnen, ich sei nun so lange zu Hause gewesen und versprach, bald wiederzukommen. Egal ob ich also in der ersten Runde verliere oder das Turnier gewinne, es ist sowieso positiv. Interessant wird sein, wie ich die «Bubble» live erleben werde, momentan kann ja die Familie nicht dabei sein. Die Zukunft wird zeigen, was Sinn macht und wie lange ich weg sein kann.»

SDA